piwik no script img

Enthüllungsbuch über „Bild“Die Brutalität des Boulevards

Nach fast zehn Jahren „Bildblog“ folgt das Buch von Mats Schönauer und Moritz Tschermak. Sie zeigen gefährliche Mechanismen der „Bild“ auf.

Trotz sinkender Verkaufs­zahlen ist die „Bild“ noch immer auflagen­stärkste Zeitung Deutschlands Foto: Eberhard Thonfeld/imago

Es ist der 6. August 2015, die Bild berichtet über einen Mord. Auf der bundesweiten Titelseite ist groß das Foto eines zähnefletschenden Wolfes zu sehen. Er ist hier der Täter. Das Opfer: Krümel, ein Chihuahua. Daneben steht groß: „Wölfe haben mein Hündchen gerissen!“

Später stellt sich heraus: Es war eine Falschmeldung, Krümel wurde von einem Hund getötet. Die Schlagzeile reiht sich ein in andere Wolf-Geschichten: „Neuer Killer-Wolf im Norden!“ Oder: „Neuer Problemwolf noch viel böser!“ Ein andermal: „Vollmond machte den Killer-Wolf so gierig!“

Seit 300 Jahren sind keine Fälle bekannt, bei denen ein Mensch in Deutschland von einem Wolf getötet wurde, doch die Bild fragt: „Was, wenn der erste Mensch angefallen wird?“

Die zitierten Berichte stammen aus dem neuen Buch „Ohne Rücksicht auf Ver­luste.­ Wie Bild mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet“ von Mats Schönauer und Moritz Tschermak. Die beiden Betreiber des Bildblog dokumentieren darin Hunderte recherchierte Beispiele aus der Bild-Berichterstattung der vergangenen zehn Jahre und ordnen diese ein. Sie zitieren dafür Forschung, sprechen mit ehemaligen Bild-Mitarbeitenden sowie mit Betroffenen der Berichterstattung. Der Wolf ist ein vergleichsweise harmloses Beispiel. Aber es zeigt, wie das aggressive Geschäftsmodell der Bild funktioniert. Der Wolf lässt sich recht beliebig mit anderen Feindbildern aus dem Bild-Arsenal austauschen.

Historische Kontinuitäten

Schönauer und Tschermak fassen dieses Prinzip, mit dem die Bild Wahrnehmungen verzerrt und Gefahren konstruiert, wo keine sind, knapp zusammen: Gefühle vor Fakten. Sie skandalisieren: Eingriffe in die Privatsphäre, einseitige Berichterstattung, Verschweigen relativierender Fakten, fragwürdige Verbindungen zu politischen Akteuren, Diffamierungskampagnen, fehlende Fehlerkultur, tendenziöse Halbwahrheiten, Falschmeldungen.

Das Buch ist eine ausführliche Analyse des Geschäftsmodells hinter der Zeitung

„Einmal in der Welt und von Lesern, Medien und Politikern weiterposaunt“, schreiben die Autoren, „sind Bild-Falschmeldungen in vielen Fällen nicht mehr einzufangen.“ Das ist ein großes Problem, weil die Bild trotz sinkender Auflagen die größte deutsche Tageszeitung ist. Und weil neben vielen Le­se­r*in­nen auch Politiker*innen, Jour­­na­lis­t*in­nen sowie wichtige gesellschaftliche Ak­teu­r*in­nen sich auf die Bild berufen.

Das Buch

Mats Schönauer und Moritz Tschermak: „Ohne Rücksicht auf Verluste. Wie Bild mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet“. 336 Seiten, 18 Euro

Was die Autoren zusammentragen, ist nicht unbedingt neu. Es ist aber eine besonders dichte, ausführliche und überzeugende Analyse des Geschäftsmodells hinter der Zeitung. Sie fragen, welchen Anteil die Redaktion am Aufstieg von Rechtspopulismus hat, wie sie mit marginalisierten gesellschaftlichen Gruppen umgeht, welche Rolle das für gesellschaftliche Diskurse hat. Dabei zeichnen sie historische Kontinuitäten von der Berichterstattung über Rostock-Lichtenhagen bis nach Hanau nach. Über das Verhältnis der Zeitung zur Justiz heißt es: „Die klassische Rolle der Medien als vierte Gewalt reicht der Bild-Redaktion anscheinend nicht. Wenn die Polizei nicht öffentlich nach einem Verdächtigen fahndet, fahndet Bild. Wenn von Gerichten kein schnelles Urteil zu erwarten ist, richtet Bild. Die Bild-Medien verstehen sich offenbar als zweite bis vierte Gewalt im Staat.“

Toxische Unternehmenskultur

Sichtbar wird in der Analyse auch, wie die Unternehmenskultur in den vergangenen Jahren immer toxischer wurde, das publizistische Vorgehen fragwürdiger, die Blattlinie brutaler. Maßgeblich dafür verantwortlich soll Julian Reichelt sein, Co-Chefredakteur der Zeitung.

Schade ist, dass rassistische Motive in dem Buch mit unpräzisen Begriffen wie „Ausländerfeinden“ oder „Fremdenfeindlichkeit“ umschrieben werden. Auch eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang zwischen rassistischen, sexistischen und klassistischen Ressentiments in der Bild-Berichterstattung wird leider nur angedeutet.

Trotzdem gilt: Das ist ein wichtiges Buch. Einen bitteren Hinweis dafür liefert das Nachwort, in dem sich die Autoren bei mehreren Personen bedanken. Zunächst werden ein paar prominente Klarnamen genannt. Danach kommen zahlreiche Initialen von denjenigen, die ihren Namen in diesem Zusammenhang nicht ausgeschrieben sehen wollen. Und dann der tragische Nebensatz, man danke auch „all denen, die aus verständlichen Gründen nicht mal mit Initialen auftauchen möchten“.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Für die taz-LeserInnen mit der Gnade der späten Geburt. Werbend und/oder als Autoren für das Lügenblatt waren unter anderen Tätig: Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Alice Schwarzer. Das spricht für sich. Ach ja und ein weiterer Buchtipp - immer noch aktuell: Günther Wallraff: "Der Aufmacher" und "Zeugen der Anklage".

  • Und der Chefredakteuse fiel nichts blöderes ein als dem ChefLÜGTner Kai Diekmann nen Kaffee vorbeizubringen!



    taz.de/picture/223..._bild_diekmann.jpg - Gaaahrpp •



    “Frauman muß ein Ei doch nicht aufessen, um festzustellen - daß es faul ist!“ - wußte schon einst mein Deutschpauker!



    & Däh!



    Harry Rowohlt setzte einst - nach Wert & Bedeutung - 5 Öschis =~ n Heiermann



    Auf einen besonders widerlichen Widerling dieses Blut Schleim & Unterhosen-Kai => Sudelpepe Böhnisch aus & jeder in der Wolle gefärbte Demokrat wechselte die Straßenseite!



    Wenn solche & “ähnliche Entsetzlichkeiten“ auftauchten!



    Klaus Theweleit - sprach zu recht von einer Diekmannisierung der taz - heute längst abgelöst von einer VerDöpfnerung => Bayernkurier vert!🤮

    unterm—— servíce—-



    taz.de/Bild-ohne-F...rauentag/!5098871/



    &



    de.wikipedia.org/wiki/Peter_Boenisch



    & Das war nicht die echte Mannschaft -



    taz.de/Gaucho-Tanz...WM-Party/!5037365/



    & die Krönung der Auslese - 🤮🤑🤢🤑



    “… In der Phase der Transformation benötigt die Verlagsbranche stattdessen neben wirtschaftlichem und intellektuellem Wettbewerb Einigkeit in den ganz grundsätzlichen medienpolitischen Fragen. Einigkeit, die sicherstellt, dass künftig weiter gestritten werden kann. Im Wettbewerb und vor allem in der gesellschaftlichen und politischen Debatte. Und da, ja, liebe taz-Genossen, sind sogar Allianzen zwischen taz und Bild denkbar.



    MATHIAS DÖPFNER“ Ach was! 🤢🤑🤮



    taz.de/-Vor-25-Jah...-die-taz/!5400293/

    kurz - Frauman kann gar nicht so viel kotzen - Wie sich der Bayernkurier Immergriiens inne Tasche lügt! Newahr



    Na - Si’cher dat. Dat wüßt ich ever. Da mähtste nix!



    Normal •

    • @Lowandorder:

      Und nochens zum lauten Schweigen taz



      “ Alle drei Jahre vergibt die Stadt Frankfurt am Main den mit fünfzigtausend Euro dotierten Theodor-W.-Adorno-Preis „zum Gedenken an den Philosophen“. Der Preis soll der Förderung und Anerkennung „hervorragender Leistungen in den Bereichen Philosophie, Musik, Theater und Film“ dienen. Die feierliche Übergabe des Preises findet jeweils am 11. September, dem Geburtstag Adornos, in der Paulskirche statt. Die insoweit ganz an der Persönlichkeit Adornos orientierte Auszeichnung bekommt in diesem Jahr der Kulturtheoretiker Klaus Theweleit, dessen zweibändiges, 1977 und 1978 beim Verlag Roter Stern, inzwischen Stroemfeld, erschienenes Erfolgsbuch „Männerphantasien“ im linksalternativen Milieu seinerzeit Kultstatus gewann.“ statt sonst aller:



      www.faz.net/aktuel...leit-17302057.html

      kurz - Honi soit qui mal y pense -

      Na Mahlzeit - Peinlich ist kein Ausdruck •

      • @Lowandorder:

        Sorry he techné

        FRANKFURTER AUSZEICHNUNG



        Adorno-Preis für Klaus Theweleit

        Na bitte - Geht doch - 💐 -

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    Günther Wallraf hat dazu schon mal was gemacht, damals dachte man das bewirke eine bessere Moral in der Zeitschriftenlandschaft….. leider leider hat sich dazu nix getan

  • So wie Trump auf Breitbart und Fox-News gebaut hatte, hatte schon Gerhard Schröder seinen Erfolg auf Bild und BamS gebaut. Ich hoffe, er liest das Buch und bereut.

    • @Uwe Kulick:

      GazPromGerd & bereuen? Mach Bosse •

      “Gib mir mal‘n Bier!“ So geht das - 🤑 -