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Quer von unten

Mit Liebe und Solidarität will „dieBasis“ die Politik aufmischen. Mit etablierten Parteien wollen ihre Macher nichts zu tun haben. Viele von ihnen kommen aus dem Querdenker-Milieu

Flagge zeigen: Demonstration gegen das Infektionsschutzgesetz vor Schloss Bellevue in Berlin, dem Sitz des Bundes-präsidenten, im April Foto: Fritz Engel

Von Andreas Speit

Sie lächelt und lacht. In einer Gaststätte stehend verspricht Alkje Fontes für „viele Tausende Menschen“ die „Stimme zu erheben“. Einmal ins Landesparlament von Sachsen-Anhalt gewählt, gelobt Fontes „einfach transparent“ zu sein, „keine Vorurteile“ zu bilden und in ihrem „Gefühl zu bleiben“. Euphorisch schaut Fontes mit kleinem Hut und kurzen Haaren dabei in die Kamera eines Mitstreiters. Am 6. Juni, dem Tag der Landtagswahl, erwartet die Kandidatin von der „Basisdemokratischen Partei Deutschland“, kurz dieBasis, in Sachsen-Anhalt in den Landtag zu ziehen. Das selbst gesteckte Ziel der jüngsten Partei in der Bundesrepublik: „Fünf plus Prozent der Zweitstimmen“.

„Wir gehen davon aus, dass dieBasis in den Landtag einziehen wird“ erklärt auch Diana Osterhage, eine der Doppelspitzen der Bundespartei, und sagt weiter: „Die Politik muss wieder die Menschen in den Mittelpunkt stellen und weniger eine Gewinnoptimierung und Konzerninteressen.“

Eine Partei neuen Typs tritt da an – zwischen alternativem Habitus, ökologischen Intentionen und Verschwörungsnarrativen. Sechs ihrer Kan­di­da­t:in­nen stellt der Landesverband in Video-Interviews vor: Außer Fontes sind das etwa Jens Vollmann sowie Lutz Thiede. Im lockeren „Du“-Gespräch betont Vollmann, der früher einmal den BUND in Sachsen-Anhalte geleitet hat und für die Grünen im Stadtrat von Haldensleben saß, „die Schwarmintelligenz der Basis“ in das Parlament einzubringen und eine neue „Parteikultur“ zu verfolgen, ohne die „Macht der Kandidaten, dort oben“. Thiede, der unter dem Künstlernamen „Papst Alwin“ in den sozialen Medien Aktionen des Querdenken- und Coronaleugnungs-Milieus postet, beklagt, dass der „Mensch zurzeit auf der Strecke“ bliebe“, alles würde weggenommen, „Solidarität, Liebe“.

Schon der Parteiname nimmt auf die basisdemokratische Ausrichtung der neuen Partei Bezug. In nur „wenigen Wochen“ hätten sie einen „kompletten Landesverband“ aufgebaut, sagt Fontes der taz. Die Bundespartei habe „über 21.000 Mitglieder, wenn alle in der Warteschlange aufgenommen sind“, sagt sie.

Fontes sagt, der erste Lockdown hätte für sie letztlich den Ausschlag gegeben, in die Parteipolitik zu gehen: „Von einem Tag auf den anderen war unser eingespielter Alltag mit drei Schulkindern und Leistungssport zunichte.“ Die Demokratie sei freilich schon länger gefährdet, zumal „der Staat durch Lobbyisten und Berater viel Geld sinnlos verschwendet“ hätte. „Das Parteiensystem“, ist sie überzeugt, mache „eine echte Auseinandersetzung mit dem Wähler“ unmöglich.

Ihr Mann Lothar Fontes kandidiert auf Listenplatz eins. Im Clip hält er den jetzigen Land­tags­ab­ge­od­neten vor, von Lobbyvereinen vereinnahmt worden zu sein. Eine der Töchter ist mittlerweile ebenso in der Partei.

DieBasis ist noch nicht einmal ein Jahr alt. Am 4. Juli 2020 verabschiedeten die 44 Grün­dungs­mit­glie­der im hessischen Kirchheim Satzung und Programm. Bisher sind die Erfolge überschaubar. Ihr Ergebnis bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg von gerade einmal einem Prozent – 48.497 Stimmen – löste keine breite Beachtung auf. Erst Anfang Mai fand dieBasis mehr Interesse – durch Berichte, der bekannte Schauspieler Volker Bruch habe sich der Partei angeschlossen. Bruch, der in der Fernsehserie „Babylon Berlin“ den Kommissar Gereon Rath spielt, gilt als einer der Initiatoren der umstrittenen Kampagne „#allesdichtmachen“ gegen die staatlichen Coronamaßnahmen.

Von vier „Säulen“ werde die Arbeit der Basis getragen, heißt es: „Freiheit“, „Machtbegrenzung“. Aufmerksamkeit“ und „Schwarmintelligenz“. In ihren Rahmenprogramm erklärt die Partei, sich für die „Freiheit des Individuums“, der „Gleichberechtigung der Menschen“ sowie der „Achtsamkeit und Solidarität im Zusammenleben“ und der „Nachhaltigkeit im Umgang mit der Natur“ einsetzen zu wollen. Eine „vormoderne Sehnsucht ohne die „Entzauberung der Welt“ (Max Weber) durch Industrialisierung, Urbanisierung und Materialismus schwebt durch das Programm. Materialismus wird aber nicht alleine als ökonomisches Bestreben hinterfragt, sondern auch als philosophische Basis. Keine Überraschung, dass bei dieBasis sowohl esoterischen Konzepte als auch alternative Medizin virulent sind.

Inzwischen bestehen in allen Bundesländern Landesverbände. Getragen sind sie von Aktiven aus dem Querdenker- und Coronaleugner-Milieu.

Die 1972 geborene Parteichefin Diana Osterhage sieht das allerdings etwas anders. Sie antwortet auf die Frage, ob sie dieBasis als die Partei der Querdenkenden bezeichnen könne, mit einer Wikipedia-Definition, nach der Querdenken eine „Kreativitätstechnik zur Lösung von Problemen“ sei. Die Heilpraktikerin, die ihre Praxis für Frauen und Kinder geschlossen hat, „weil neben einem coronabedingten Umsatzeinbruch die Arbeit für dieBasis so viel mehr geworden“ sei, sagt weiter: „Die Frage nach links, Mitte oder rechts trägt aus meiner Sicht zu einer weiteren unnötigen Spaltung unserer Gesellschaft bei. Alle Menschen haben ein Recht auf ihre Meinung und eine gleichberechtigte Berücksichtigung ihrer Interessen.“

Alkje Fontes hebt hervor, das einzelne Par­tei­mit­glie­der zwar bei Querdenken-Aktionen mitwirkten, doch viele andere Anhänger kämen von der Linkspartei, aus dem Milieu freier Schulen, der Friedensbewegung und vereinzelt von Pegida. Die freie Meinungsäußerung sei „ein hohes Gut. Dazu gehören auch konservative Denkweisen“, sagt Fontes und versichert: „Ich kenne keine einzige Kandidatur aus Querdenken bei uns.“ Allerdings verweist sie selbst im Gespräch auf den emeritierten Professor Sucharit Bhakdi, der „in diese Partei gekommen“ sei, um „zutiefst wissenschaftlich für eine gute Zukunft eintreten zu können“.

Mit seinen Thesen hat Sucharit Bhakdi die Narrative der Querdenker und Coronaleugner zweifellos gestärkt. Der Epidemiologe relativiert die Pandemiegefahr und warnt vor dem Biontech-Impfstoff. Dem rechten Verschwörungserzähler Ken Jebsen gab er ein Interview. Sein Buch „Corona Fehl­alarm? Zahlen, Daten und Hintergründe“ veröffentlichte er zusammen mit der Biochemikerin Karina Reiss. Im Herbst kandidieren beide für dieBasis zur Bundestagswahl.

Bhakdi und Reiss sind nicht die einzigen Bun­des­tags­kan­di­da­t:in­nen für dieBasis aus dieser Bewegung: Ebenfalls im September antreten wird Dirk Sattelmaier, der Vorsitzende von „Anwälte für Aufklärung“, der bei einer Querdenken-Veranstaltung das Tragen von Masken schon mal mit der Diskriminierung von Jü­din­nen und Juden im Nationalsozialismus verglich. Der Lungenfacharzt und frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wodarg, der die staatlichen Maßnahmen als Panikmache bezeichnet, kandidiert ebenso wie der Rechtsanwalt Reiner Fuellmich, der eine Sammelklage auf Schadenersatz gegen den Präsidenten des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, und den Virologen Christian Drosten angekündigt hat.

„Die Frage nach links, Mitte oder rechts trägt zu einer unnötigen Spaltung bei“

Diana Osterhage, Vorsitzende der Partei dieBasis

Niemand vermag zu sagen, wie stark dieBasis aus den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt Anfang Juni hervorgeht. Demoskopen zählen die Partei zu den „Sonstigen“, denen insgesamt neun Prozent der Stimmen zugetraut werden.

Der Zuspruch sei sehr groß, ist sich Fontes sicher. „Wenn wir faire Wahlen hätten“, dann „müssten wir auf über 20 Prozent kommen“, meint sie. Ihr Wahlkampfslogan lautet: „Familie leben, Gemeinschaft leben“. Martin Burgdorf von dem Verein Miteinander, der sich für Demokratie und Weltoffenheit einsetzt, beobachtet einen aktiven Wahlkampf von dieBasis. Ihre Plakate würden in vielen kleinen Gemeinden hängen. In der Altmark, ganz im Norden Sachsen-Anhalts gelegen, sei die Partei besonders aktiv, dort, wo auch Alkje Fontes lebt. Die Partei setze „sehr auf das Thema Ökologie“, sagt Burgdorf. Ihr Personal käme „aus dem alternativen Milieu“.

Oliver Nachtwey, Robert Schäfer und Nadine Frei von der Universität Basel haben für ihre Studie „Politische Soziologie der Corona-Proteste“ Personen aus dem Querdenker-Milieu in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt. Demnach haben bei der letzten Bundestagswahl im Jahr 2017 23 Prozent der deutschen Anhänger die Grünen gewählt, 18 Prozent machten ihr Kreuz bei der Linken, 15 Prozent bei der AfD. Die Au­to­r:in­nen erklären, dass die Beteiligten an den Protesten eher von links kämen, aber nun nach rechts tendierten. So gaben 27 Prozent der Befragten an, bei der nächsten Bundestagswahl die AfD wählen zu wollen. Auf dieBasis, deren Name in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt ist, entfielen immerhin 18 Prozent.

Die Bewegung sei „Ausdruck einer fundamentalen Legitimationskrise der modernen Gesellschaft“, betonen die Sozialwissenschaftler:innen. Das „Projekt der Moderne“ habe seine „normative Anziehungskraft eingebüßt“. Die Entfremdung von der industriellen und durchrationalisierten Hypermoderne spiegele sich „in der Skepsis gegenüber ihren Institutionen“ wie Parteien, Parlamenten oder Presse wider. Diese Bewegung könnte als Strömung in einer neue Lebensreformbewegung verortet werden.

Eine Umkehr für alle, die es sich leisten können. Das Privileg der Bio-Boheme. Die neue industrielle Revolution zu Beginn des 21. Jahrhunderts, die immer schnellere Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelt, scheint eine Sehnsucht nach Entschleunigung und Einfachheit aufkommen zu lassen.

Die Partei dieBasis, so scheint es, findet gerade in diesem Milieu ihre Anhängerinnen und Anhänger. Wie numerisch stark sie wirklich ist, werden wir am Abend des 6. Juni wissen.

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