: Grüne streiten, Frieden vertagt
EX-PAZIFISMUS Eine Position der Grünen zur Zivilklausel – auf der Mitgliederversammlung hätte es endlich so weit sein können, zwei Anträge lagen vor. Dann kam Arnim von Gleich
von JEAN-PHILIPP BAECK
Die Grüne Landessprecherin Henrike Müller ist enttäuscht. Noch immer konnten sich die Bremer Grünen nicht auf eine Position zur Zivilklausel einigen. Darauf also, ob die Hochschulen in Bremen per Gesetz zu einer friedlichen und zivilen Forschung verpflichtet werden sollten.
Am Mittwoch hatte Müller auf der Landesmitgliederversammlung (LMV) dafür gestritten: Mit der Grünen Jugend legte sie einen Antrag vor, der den Parteimitgliedern die Chance gegeben hätte, sich zu positionieren. Das nämlich hat die Partei der Friedensbewegung bislang nicht geschafft.
Der Streit zieht sich durch die Partei: Hermann Kuhn etwa, der zweite Landessprecher neben Müller, ist gegen eine Regelung per Gesetz. Auch ein zweiter Antrag von Matthias Güldner, dem Vorsitzenden der Bürgerschaftsfraktion, lag vor. Er und einige Abgeordnete wollen abwarten, was bei einer verfassungsrechtlichen Prüfung herauskommt. Denn derzeit klärt der Senat, ob und wie es überhaupt möglich ist, die Wissenschaftsfreiheit per Gesetz einzuschränken. Dafür, dass an den Hochschulen keine Waffen entwickelt werden, ist auch Güldner. Ob man es aber verbieten sollte, erwägt er mittlerweile, seit im Mai bekannt wurde, dass an der Uni Bremen trotz erneuerter Zivilklausel eine Reihe rüstungsnaher Projekte lief.
Viel klarer ist da der Grüne Arnim von Gleich. Der Dekan des Uni-Fachbereichs Produktionstechnik hatte sich schon in der Uni-internen Diskussion um die Erneuerung der Zivilklausel dagegen ausgesprochen – und sich mit dieser Position auch um den Rektor-Posten beworben. Aufgekommen war die Diskussion im Sommer 2011, wegen einer Stiftungsprofessur des Bremer Satelliten-Bauers OHB.
Einen „Missbrauch der Mitgliederversammlung“ nannte von Gleich die Anträge vom Mittwoch. „Feige“ sei es, wie Güldner abzuwarten. Der Antrag von Müller und den Jungen Grünen erinnere ihn an George Orwell, weil er die Einschränkung der Freiheit als eigentliche Freiheit darstelle. Denn das ist der Streitpunkt: Müller argumentiert, dass die Autonomie der Wissenschaft vor allem durch den Druck externer Geldgeber gefährdet sei. Rüstungsgelder gesetzlich auszuschließen, schaffe daher wieder mehr Unabhängigkeit.
Solchen Pazifismus hat Arnim von Gleich mit Srebrenica abgelegt, wie er sagt. Er ist in der Partei nicht der einzige, der es für eine Doppelmoral hält, die Bundeswehr zu „Friedenseinsätzen“ zu schicken, aber keine Waffen entwickeln zu wollen. Die Mehrheit der Grünen am Mittwoch zumindest waren von seinem Orwell- und Srebrenica-Argument beeindruckt – sie stimmte ihm zu, die Anträge zu vertagen und „genauer auszuarbeiten“.
Dabei wurde schon auf der letzten LMV im März keine Entscheidung getroffen. Die nächste reguläre LMV der Grünen ist im November – über die Novellierung des Bremischen Hochschulgesetzes wird im Herbst beraten.
Zumindest die SPD weiß dann, wie sie dazu steht: Deren Landesverband hat sich bereits im September 2011 für eine gesetzliche Zivilklausel entschieden. Noch militanter verteidigen die Jusos der Hochschule den Frieden: In einem Flyer fordern sie, Bundeswehrsoldaten im Studiengang Luftfahrtsystemtechnik nicht mehr auszubilden. Für die Junge Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft ist das eine „deutliche Diskriminierung“ und „höchst unsozial“ – die Klausel beziehe sich doch nur auf die Neutralität der Forschung.
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