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Hertha hat ein Problem schnell gelöstTorwarttrainer rechtsaußen

Jan Tölva
Kommentar von Jan Tölva

Der Bundesligist hat sich von Zsolt Petry wegen diskriminierender Aussagen getrennt. Denn die sind nicht vereinbar mit den Werten des Vereins.

Da war er noch an Bord: Herthas Torwarttrainer Zsolt Petry Foto: dpa/Hertha BSC via City-Press GmbH/Jan-Philipp Burmann

A m Ostermontagmorgen war die Welt von Herthas Torwarttrainer Zsolt Petry noch in Ordnung. Dann veröffentlichte die rechtskonservative ungarische Zeitung Magyar Nemzet ein Interview mit ihm, in dem er kritisierte, dass Péter Gulácsi, Torhüter bei RB Leipzig und der ungarischen Nationalelf, sich öffentlich für die Rechte von Regenbogenfamilien eingesetzt hatte. Und wo er schon dabei war, zog er auch gleich noch über die europäische Migrationspolitik her, die „erschreckend viele Kriminelle“ hierher gebracht habe. Am Dienstagmittag war er arbeitslos.

Hertha BSC begründete den Rauswurf damit, dass Petrys Aussagen den Werten des Vereins wie Vielfalt und Toleranz widersprechen, und bekam dafür von Fans und Stadtgesellschaft nahezu durchweg Zustimmung. In der Tat muss man sich fragen, wie jemand, der offenbar ein solches Problem mit Migration und Mi­gran­t*in­nen hat, mit einem Team arbeiten soll, in dem drei Viertel der Spieler nicht aus Deutschland stammen oder eine Migrationsgeschichte haben. Ohne Migranten könnte Hertha derzeit nicht einmal eine komplette Mannschaft auf den Platz schicken.

Man sollte jedoch auch festhalten, dass Petry selbst sich nicht explizit homophob geäußert hat. Er hat lediglich festgestellt, dass die Mehrheit der Un­ga­r*in­nen anderer Meinung sei als Gulácsi. Und damit hat er recht. Bei der letzten Wahl 2018 gingen fast zwei Drittel der Stimmen an die rechte Partei Fidesz von Ministerpräsident Orbán oder an die extrem rechte Partei Jobbik. Damit haben zwei Drittel der Un­ga­r*in­nen für Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Homo- und Transfeindlichkeit gestimmt.

Rückbesinnung auf „nationale Werte“

In Viktor Orbáns Ungarn steht Zsolt Petry, der sich selbst als „Vertreter der na­tionalen Seite“ bezeichnet und in der europäischen Migrationspolitik einen „Ausdruck des moralischen Niedergangs“ sieht, der eine Rückbesinnung auf „nationale Werte“ fordert und gegen „die Liberalen“ wettert, nicht am rechten Rand – sondern ziemlich genau in der Mitte der Gesellschaft.

Petry sagt auch, Gulácsi hätte sich als Sportler nicht zu politischen Themen äußern sollen. Er hätte das nicht gemacht, sagt er. Nur um dann minutenlang doch genau das zu tun. Aber wahrscheinlich glaubt er, was er sagt, sei gar nicht politisch. Immerhin sagt er nichts, was nicht ein Großteil der Un­ga­r*in­nen genauso, wenn nicht weit krasser, sagen würde. Ein geschlossen rechtes Weltbild ist in Ungarn nach zehn Jahren Orbán längst weitgehender Konsens.

Wenn wir nicht morgen in einer illiberalen Demokratie ungarischen Zuschnitts aufwachen wollen, müssen wir heute zu unseren Überzeugungen stehen und sie auch verteidigen. Oder um es mit einer Plakatkampagne von Hertha BSC zu sagen: „In Berlin kannst du alles sein – außer Rassist!“

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Jan Tölva
Geboren 1979 in Neumünster, Studium der Soziologie in Hamburg, Straßenabitur in Santiago de Chile, heute zuhause in Berlin-Neukölln, passionierter Birder, Groundhopper und Teilzeitpunk.
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