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Nutzung leer stehender Karstadt-GebäudeRendite oder Leben?

Zwei ehemalige Galeria-Karstadt-Gebäude in der Hamburger Mönckebergstraße stehen leer. Das Bündnis Stadtherz macht Vorschläge für deren Nutzung.

Was da alles passieren könnte: leer stehende Gebäude am Eingang der Mönckebergstraße Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | Es ist ein trauriger Anblick, wenn man momentan in Hamburgs bekannteste Einkaufsstraße einbiegt: Verrammelte Fenster im Erdgeschoss sollen die innere Leere der beiden Gebäude-Kolosse verbergen, die die Mönckebergstraße flankieren. Die ehemaligen Gebäude von Karstadt Sports und Galeria Kaufhof stehen seit Ende letzten Jahres leer, der dahinterstehende Handelskonzern hatte laut dem Hamburger Abendblatt Mitte Juni das Aus der beiden Standorte bekannt gegeben. Dass der Leerstand der Gebäude kein Dauerzustand ist, darin sind sich alle In­ter­es­sen­ver­tre­te­r*in­nen einig, nicht aber über die künftige Nutzung.

Die Bürgerinitiative „Bündnis Stadtherz“ fordert unter dem Motto „Kaufhäuser für alle!“ eine bedarfsgerechte Umnutzung der Gebäude. Sie wünscht sich einen offenen Entscheidungsprozess, an dem die Stadtgesellschaft beteiligt ist. Außerdem fordert das Bündnis die Stadt auf, sich ein Vorkaufsrecht für die Gebäude zu sichern und wahrzunehmen. Die Grundeigentümerin des Karstadt-Sport-Gebäudes ist die R+V Versicherung, das andere Gebäude gehört der Württembergischen Versicherung.

„Die Gebäude sind ausschlaggebend für den Einstiegscharakter der Mönckebergstraße“, sagt Michael Joho, Mitbegründer des Bündnisses Stadtherz. Die Initiative sprüht über vor Ideen: Kunst-, Bildungs-, und Sportangebote, klimaschonende Produktionsorte zur regionalen Herstellung, Co-Working, Gastronomie, Obdachlosenhilfe, neue Wohnformen oder Altenpflege – all das könne hier Raum bekommen. „Das Schlimmste, was passieren kann, wären Hotels, Büros oder ein weiteres Kaufhaus“, sagt Joho.

Genau das sieht der SPD-Fraktionsvorsitzende des Bezirks Mitte, Tobias Piekatz, aber kommen: „Ich finde die Forderungen wünschenswert, aber nicht umsetzbar in dieser Lage.“ Die Gebäude seien „verbaut“, es gäbe nicht mehr so viel Spielraum. Zudem seien sie für Verkaufs- und Büroflächen bereits ausgelegt. „Die Bahnhofsnähe schafft natürlich gute Voraussetzungen für ein Hotel“, sagt Piekatz. Am Ende sei es eine immobilienwirtschaftliche Frage für die Grundeigentümer*innnen. Die Ideen des Bündnisses beruhten aber auf der Abwertung der Wirtschaftlichkeit der Gebäude, im Klartext: Mietreduzierung.

Housing Action Day

Zum Housing Action Day finden bundesweit am kommenden Samstag Aktionen statt. Kernforderungen sind: Wohnungen für alle, Mietschulden erlassen, Mieten senken, Gewinne umverteilen und Bodenspekulation beenden.

In Hamburg plant das Recht-auf-Stadt-Netzwerk, das sich aus verschiedenen Initiativen, darunter auch das Bündnis Stadtherz, zusammensetzt, Kundgebungen und Aktionen.

Etwa die Aktion Fleck of shame: Bürger*innen werden dazu aufgerufen, Fleck-Aufkleber auf Problemimmobilien zu kleben und so gegen steigende Mieten zu protestieren. Infos: rechtaufstadt.net

Die Initiative gibt sich damit nicht zufrieden. „Wenn die Stadt Interesse an unseren Forderungen zeigt, wäre das ein wichtiges Zeichen gegenüber den Grundeigentümern“, sagt Marco Hosemann, ebenfalls Mitglied des Bündnisses Stadtherz.

„Wir sind nicht die Bösen, die ein Haus besetzen wollen“, sagt Hosemann. Zwischennutzungen seien gute Möglichkeiten, die Flächen unter Beteiligung der Bür­ge­r*in­nen zu entwickeln. „Die Mönckebergstraße ist nach 20 Uhr tot. Jetzt gäbe es eine Gelegenheit, die Innenstadt wieder kulturell zu beleben“, sagt Joho. Ihm schweben Orte der Begegnung vor. „Das Stadtbild muss sich ändern, das weiß auch der Senat“, sagt Joho.

Tatsächlich bestätigt die Sprecherin der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, dass das Umfeld des Hauptbahnhofes nicht mehr den Vorstellungen eines zeitgemäßen Bahnhofsumfeldes entspräche.

Wie aus einer Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, sind jedoch nur elf Prozent der Flächen innerhalb des Wallrings städtisch, die restlichen 89 Prozent sind in privatem Besitz.

Die Sprecherin der Stadtentwicklungsbehörde Susanne Enz betont, dass der Senat durch die Schaffung von Planungsrecht auf die Nutzung der Grundstücke und auf die Gestaltung der Gebäude Einfluss nehmen könne. Es müsse aber auch das Interesse der Ei­gen­tü­me­r*in­nen berücksichtigt werden.

Das kritisieren sowohl das Bündnis Stadtherz als auch Tobias Piekatz von der SPD. „Je mehr die Stadt an Gebäuden verkauft, desto weniger kann sie die Stadtentwicklung steuern“, sagt Joho. Auch Piekatz hat Bedenken: „Natürlich gibt es durch das bestehende Planungsrecht gewisse Vorschriften, die für alle gelten. Trotzdem ist die Situation ein Problem, man hätte nicht so viel verkaufen dürfen. Aber nun ist es so.“

Die Versicherungen schweigen zu ihren Vorhaben. Auf Nachfragen der taz heißt es, zur künftigen Nutzung sei noch nichts entschieden. Weder das Bündnis noch die Stadt stehen bisher im direkten Kontakt zu den Eigentümer*innen.

Am Ende ist es eine Frage des Geldes. „Kreativität ist viel wert. Aber kann sie die Miete bezahlen?“, fragt Piekatz. Der nächste H&M-Store könne das wahrscheinlich. Haben möchte ihn niemand so wirklich dort.

„Wir wollen uns als Initiative jetzt erst mal ins Gespräch bringen und Aufmerksamkeit schaffen“, sagt Joho „und uns einsetzen für eine abwechslungsreiche und inspirierende Innenstadt.“

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1 Kommentar

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  • "Stadtgesellschaft" ist ein ekelhaft verheucheltes Wort, das nichts anderes meint als Eliten des Kulturbetriebs.