Auswirkungen der Coronakrise: Weniger Emissionen
Der Ausstoß von Treibhausgasen ist in Deutschland gesunken wie noch nie. Doch eine Sparte könnte die Werte nach der Pandemie wieder hochtreiben.
Deutschland hat im Jahr 2020 mit Unterstützung des Coronavirus seine Klimaziele in großen Teilen erfüllt. Im Krisenjahr sank der Ausstoß von Treibhausgasen um bisher nie erreichte 8,7 Prozent oder etwa 70 Millionen Tonnen auf 739 Millionen Tonnen. Damit wurde das Klimaziel von minus 40 Prozent gegenüber 1990 knapp erreicht. Das geht aus den offiziellen Emissionsdaten des Umweltbundesamts (UBA) hervor, die am Dienstag in Berlin veröffentlicht wurden.
Noch vor einem Jahr hatte niemand erwartet, dass Deutschland das 40-Prozent-Ziel erreichen werde, Prognosen rechneten mit etwa 37 Prozent. Den kurzfristigen Erfolg brachte nun der Einbruch bei Verkehr, Industrieproduktion und Stromverbrauch. Allerdings nur zum Teil, zeigen die Daten: Etwa ein Drittel der Reduktion sei der Pandemie geschuldet, der Rest seien strukturelle Reformen, hieß es.
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) betonte dann auch: „Natürlich machen sich auch Pandemie-Effekte bemerkbar, besonders im Verkehr. Aber mir ist wichtig, dass sich auch strukturelle Veränderungen zeigen beim Umbau unserer Volkswirtschaft in Richtung Klimaneutralität.“ Mehr Erneuerbare, billiges Gas und ein konstant hoher Preis von Kohlenstoffdioxid (CO2) im Emissionshandel hätten vor allem einen Rückgang der Kohleverstromung bewirkt.
Den größten CO2-Rückgang gab es daher mit minus 14,5 Prozent auch im Energiesektor. Die Industrie brachte minus 4,6 Prozent auf die Waage, die Landwirtschaft minus 2,2 und der Abfallsektor minus 3,8 Prozent. Größte Überraschung war der Verkehr, wo die Emissionen um 11,4 Prozent sanken und damit unter die vom Klimaschutzgesetz geforderten 150 Millionen Tonnen. Damit hat das „Sorgenkind“ geliefert – allerdings erwarten UBA und Ministerium, dass mehr Pendler- und Urlaubsverkehr nach der Pandemie die Emissionen hier wieder nach oben treiben werden.
Möglicherweise bleibt es ein Einmaleffekt
Nur die Gebäude haben die Vorgaben des Gesetzes verfehlt: Mit 120 Millionen Tonnen lagen die Emissionen aus Heizung und Kühlung von Immobilien 2 Millionen Tonnen über dem Erlaubten. Auch das wohl teilweise ein Corona-Effekt: Der Verbrauch stieg in Wohngebäuden und sank in Büros. Wenn die Zahlen vom unabhängigen Expertenrat für Klimafragen in den nächsten Woche bestätigt werden, muss das Innenministerium ein Konzept vorlegen, wie diese Emissionen sinken sollen.
Richtig zufrieden war bei der Vorstellung der Zahlen niemand. Schulze forderte, die Regierung müsse das Ausbautempo bei Solar und Wind verdoppeln, UBA-Präsident Dirk Messner warnte, für nachhaltigen Klimaschutz müsse es einen Strukturwandel in der Wirtschaft geben, der auf „beschleunigte Dekarbonisierung“ setze. Und Christiane Averbeck von der Klima-Allianz Deutschland, in der etwa 140 Verbände der Zivilgesellschaft zusammengeschlossen sind, erklärte, der Rückgang sei „ein Einmaleffekt der Coronakrise“. Deutschland müsse seine Klimaziele dringend nachschärfen, um sie mit den EU-Vorgaben von minus 55 Prozent bis 2030 in Einklang zu bringen. „Ohne wirksame Klimapolitik werden die Emissionen wieder steigen“.
Eine allgemeine Kritik an den Zielen der „Klimaneutralität“ von Staaten und Unternehmen kommt von einer Gruppe WissenschaftlerInnen. Die Definition und Kriterien für diese Ziele seien völlig verschieden und oft kaum nachzuvollziehen, heißt es in einem Kommentar in der Zeitschrift Nature. Netto-Null-Ziele sollten in Zukunft transparent klarmachen, welche Treibhausgase sie abdecken, ob und wie CO2 gespeichert oder im Ausland vermieden werde und welche Zwischenziele es auf dem Weg zur Null geben müsse, hieß es. Das Risiko: „Vage Zusagen von Unternehmen und Ländern werden die Welt einschläfern und die Klimaziele verfehlen.“ Genau dagegen richtet sich am Freitag auch das Motto des nächsten weltweiten Klimastreiktags der Fridays for Future: „Schluss mit den leeren Versprechen.“
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