: Viel Geld, wenig Ideen: Wie die Welt Syrern hilft
Die Not im zerstörten Syrien wächst, ein Friedenskonzept ist nicht in Sicht. Da helfen auch die frischen Milliardenzusagen auf der Geberkonferenz für hilfsbedürftige Syrer*innen inner- und außerhalb ihres Landes nur wenig
Von Eric Bonse (Brüssel) und Dominic Johnson
Neue Milliardenhilfen – aber keine neue Strategie: Die fünfte Syrien-Geberkonferenz, die die EU am Montag und Dienstag gemeinsam mit der UNO ausgerichtet hat, endete wie ihre Vorläufer seit 2017 mit Hilfszusagen, aber ohne politische Perspektive. Deutschland sagte weitere 1,74 Milliarden Euro zu. Frankreich versprach 560 Millionen Euro, die EU will ebenfalls 560 Millionen lockermachen.
Laut UNO werden insgesamt 10 Milliarden Dollar (8,5 Milliarden Euro) gebraucht: 4,2 Milliarden Dollar für humanitäre Hilfe in dem Bürgerkriegsland selbst, weitere 5,8 Milliarden für Flüchtlinge in Nachbarländern. Rund ein Drittel der syrischen Vorkriegsbevölkerung von etwa 20 Millionen Menschen lebt mittlerweile im Ausland. Ein weiteres Drittel lebt in den Rebellengebieten und in der kurdisch kontrollierten Region, das letzte Drittel im Regierungsgebiet. Vergangenes Jahr hatte die vierte Syrien-Geberkonferenz neue Hilfszusagen von 6,9 Milliarden Euro erbracht – deutlich weniger als erhofft.
Deutschland und die EU sind die größten Geber. Insgesamt wurden nach Angaben der EU-Kommission schon mehr als 20 Milliarden Euro mobilisiert. Mit dem Geld wollen die Europäer die Region stabilisieren – und neue Flüchtlingsbewegungen wie 2015 verhindern. Damals waren rund eine Million syrische Flüchtlinge über die Türkei nach Deutschland gelangt.
Trotzdem spielt die EU politisch kaum eine Rolle. Dies spiegeln auch die Grußworte von Außenminister Heiko Maas und seinem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian wider. „Ohne Gerechtigkeit kann es keinen Frieden geben“, sagte Le Drian. Wie ein gerechter Frieden erreicht werden könnte, sagte er nicht. „Die syrische Tragödie darf nicht noch ein weiteres Jahrzehnt fortdauern“, betonte Maas. Syriens Machthaber Baschar al-Assad und seine internationalen Unterstützer – also vor allem Russland – müssten „endlich begreifen, dass nur ein ernsthafter politischer Prozess eine tragfähige Zukunft für das Land bereiten kann“.
Doch dieser politische Prozess kommt nicht in Gang. Russland und die Türkei, aber auch Israel, Iran und die USA schützen in Syrien mit militärischen Mitteln ihre jeweiligen nationalen Sicherheitsinteressen, notfalls auf Kosten der syrischen Bevölkerung. Die Europäer sind nur Zaungäste. Selbst die EU-Sanktionen, die Syriens Ölindustrie und Finanzsektor treffen, haben die erhoffte Wirkung verfehlt – Assad ist immer noch an der Macht.
Gleichzeitig nehmen Armut und Verzweiflung in Syrien zu. Nach UN-Angaben litten zuletzt 12,4 Millionen Syrer inner- und außerhalb des Landes, fast 60 Prozent der Vorkriegsbevölkerung, Hunger. Die Zahl der Menschen, die ohne Ernährungshilfe nicht überleben können, verdoppelte sich innerhalb eines Jahres. In Syrien sind mehr als die Hälfte der 13,4 Millionen verbliebenen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. 90 Prozent aller syrischen Kinder sind von Nothilfe abhängig, erfuhr der UN-Sicherheitsrat bei einem Briefing am Montag.
Gleichzeitig wird Hilfe immer schwerer. Manche Helfer fordern zwar ein Umdenken, so Caritas-Präsident Peter Neher: „Wir müssen gezielte Wiederaufbaumaßnahmen zulassen, auch in Gebieten unter Kontrolle des Regimes.“ Doch andere verweisen darauf, dass Hilfswerke dort nicht unabhängig arbeiten dürfen, sondern nur als Zulieferer der syrischen Regierung sowie staatlicher Wohlfahrtsorganisationen.
UN-Hilfe für die nicht vom Regime kontrollierten Teile Syriens ist mangels Zustimmung Assads von einer Sondergenehmigung des UN-Sicherheitsrats abhängig, gewisse Grenzübergänge zu nutzen. Diese Genehmigung wird regelmäßig neu zur Abstimmung gestellt Beim letzten Mal, im Juli 2020, blieb wegen russischen Widerstands nur ein einziger Grenzübergang aus der Türkei offen. Bei Gesprächen im UN-Sicherheitsrat Ende Februar plädierte Russland dafür, bei der nächsten Abstimmung im kommenden Juli auch diesen Übergang zu schließen, damit UN-Hilfe die Menschen im Rebellengebiet zukünftig nur noch über Syriens Regierung erreicht. Das wäre, fürchten Beobachter, für viele Bedürftige ein Todesurteil: Systematisches Aushungern gehört zu den Kriegstaktiken des Assad-Regimes.
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