Nulltarif im Nahverkehr: Tramfahren mit der SPD
Drei Bremer Bürgerschaftsabgeordnete proben die ÖPNV-Revolution: Bus- und Bahnfahren könnten in der Hansestadt in Zukunft über Steuern bezahlt werden.
Als Motivation für das Vorhaben wird, na klar, der Klimaschutz genannt: Der Verkehr macht in Bremen 26 Prozent der Treibhausgase aus (sofern man die Emissionen des großen Stahlwerks in der Rechnung außen vor lässt). Wenn in Zukunft mehr Strecken mit Bus und Bahn zurückgelegt würden (aktuell sind es in Bremen nur 15 Prozent), könnte das die Emissionen ein gutes Stück senken: Gegenüber Autoverkehr spart der öffentliche Verkehr gut die Hälfte an CO2.
Soziale Gründe kommen für die Sozialdemokrat*innen dazu: Für einkommensschwache Menschen sei Autofahren unerschwinglich, Fahrradfahren nicht immer möglich. Der ÖPNV sei bisher kein Ausweg aus dieser Not, so Falk Wagner: Eine vierköpfige Familie kommt für vier Bremer Monatstickets aktuell auf Kosten von 212 Euro, rechnet der stadtentwicklungspolitische Sprecher vor. Es brauche ein solidarisches Finanzierungsmodell.
Das funktioniert im SPD-Konzept über Steuern – hier unterscheidet sich der Plan vom abgabefinanzierten Modell, mit dem die Bremer Initiative „Einfach Einsteigen“ 2019 die Debatte angeschoben hatte. Geplant wird mit einer Erhöhung der Grundsteuer; ein durchschnittlicher Haushalt, so die Rechnung, müsste monatlich 18 Euro mehr zahlen, damit Bremer*innen in Bremen kein Ticket mehr brauchen.
Gleichzeitig ist ein Ausbau des ÖPNVs geplant
Das Geld soll nicht nur die Fahrkarteneinnahmen ersetzen; es soll auch reichen, um den ÖPNV besser zu machen, damit die Bürger*innen ihn auch tatsächlich nutzen. Expressbusse etwa sollen innenstadtferne Stadtteile und Gewerbegebiete anbinden.
Das Konzept setzt für eine Übergangszeit auf Busse statt auf Straßenbahnen. „Wir stehen hinter dem Straßenbahnausbau“, sagt die verkehrspolitische Sprecherin der SPD Fraktion, Anja Schiemann. „Aber gegen Straßenbahnen wird schon mal geklagt – mit den Bussen können wir das Netz schneller und unbürokratischer ausbauen.“
Mehr Attraktivität versprechen sich die Abgeordneten aber vor allem durch eine höhere Taktung. Fahrpläne werden in ihrer Vision unnötig – Busse und Bahnen führen danach so oft, dass man jederzeit zur Haltestelle könne; werktags käme mindestens alle 7,5 Minuten ein Bus, auf wichtigen Strecken auch alle fünf Minuten, so der Plan.
Genug, um groß zu denken?
Von der Initiative „Einfach Einsteigen“ gibt es zwar viel Lob für das Konzept – für einen echten Ausbau, so Sprecher Wolfgang Geißler, werde die Finanzierung über die Grundsteuer aber wohl nicht reichen. „Um groß zu denken, haben wir hier nicht die richtigen Mittel“, sagt Geißler. Die Initiative hatte vor zwei Wochen einen eigenen Plan zum Ausbau vorgelegt – mit gänzlich neuen Straßenbahnlinien auf einem um 120 Kilometer größeren Straßenbahnnetz.
Das Konzept ist bisher nicht vom Parteitag beschlossen – am 27. März muss die SPD-Basis entscheiden, was daraus werden soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos