Barbara Oertel über neue Festnahmen in Russland: Biegen und Brechen reicht nicht
Nichts als brachiale Gewalt: Gerade einmal 30 Minuten durften sich demokratisch gesinnte Geister am Samstag in Moskau auf ihrem Forum „Kommunales Russland“ austauschen, bevor die Sicherheitskräfte wieder zuschlugen. Dabei erwischte es jede*n, der oder die nicht bei drei auf dem Baum war: gewählte Abgeordnete, Vertreter*innen von Nichtregierungsorganisationen und Journalist*innen.
Fast schon müßig zu erwähnen, dass in dem „Rechtsstaat“ à la Wladimir Putin nicht einmal mehr eigene Gesetze gelten bzw. diese nach Belieben passend gemacht werden. Versammlungsfreiheit? Presseausweise und -akkreditierungen? Parlamentarische Immunität gewählter Volksvertreter*innen? Von wegen. Mit solchen Nebensächlichkeiten hält sich der russische Staat schon lange nicht mehr auf. Stattdessen steht der Vorwurf im Raum, im Dienste von in Russland „unerwünschten Organisationen“ unterwegs zu sein – wobei deren Strippenzieher*innen häufig im Westen verortet werden.
Offensichtlich steht dem Kreml das Wasser bis zum Hals, zumal die Dumawahlen im kommenden September bereits ihre Schatten voraus werfen. Schon aus dem Testlauf auf regionaler Ebene im vergangenen Herbst gingen die regimetreuen Kandidat*innen etwas lädiert hervor. Seitdem hat die Kremlpartei „Einiges Russland“ weiter an Zustimmung verloren. Genau aus diesem Grund müssen die Machthaber die Wahlkampftstrategie der Opposition als bedrohlich empfinden. Denn die könnte erfolgsträchtig sein. „Kluge Abstimmung“ lautet das Motto, was nichts anderes heißt als: egal für wen, solange er/sie nicht Putin unterstützt.
Hinzu kommt, dass die Inhaftierung des Oppositionellen Alexei Nawalny, dessen Aufenthaltsort derzeit unbekannt ist, bislang nicht den gewünschten Effekt gezeigt hat. Die Bewegung derer, die Veränderungen wollen, hat schon längst ein Eigenleben entwickelt. Und so dürfte die Staatsmacht mit ihrem Kurs auf „Biegen und Brechen“ keinesfalls rasch an ihr Ziel kommen. Dafür gibt es auch noch keine Anzeichen. Für den Kreml sind das keine guten Nachrichten.
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