piwik no script img

In der Krise stärker werden

Das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke macht sich resilienter

Plötzlich war nichts mehr wie vorher. Ein unbekanntes Virus. Schreckliche Bilder aus Italien. Und die ungewisse Frage: Was kommt da auf uns zu? Personal in Krankenhäusern war zu Beginn der Coronapandemie vor rund einem Jahr besonders großer psychischer Belastung ausgesetzt (und ist es immer noch). Schließungen oder Homeoffice waren keine Option. Man musste weitermachen. Trotz Angst.

Im Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke für ganzheitliche und anthroposophische Medizin beschloss damals Gabriele Lutz, Leitende Ärztin für Psychosomatik, eine Resilienz-AG zu gründen. Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen – Chirurgie, Seelsorge, Pflege, Betriebsrat – taten sich zusammen, um den Ängsten und Belastungen, denen ihre Kol­le­g*in­nen ausgesetzt waren, entgegenzuwirken und die psychische Widerstandskraft zu stärken. „Wir führten Gesprächsangebote ein“, erklärt Gabriele Lutz. „Leitungskräfte wurden dafür sensibilisiert, wie belastend die Lage für Ärzte und Pfleger und wie anstrengend etwa das Arbeiten in Schutzausrüstung ist.“

Rituale sollten Halt geben, darunter eine musikalische Darbietung jeden Freitag im Innenhof der Klinik. Gabriele Lutz verfasste Texte zu Themen wie Angst, Zuversicht oder körperlicher Fitness mit praktischen Übungen zur Resilienzstärkung, die auf der Krankenhaus-Website veröffentlicht wurden. Der Schlüssel für Resilienz ist der Ärztin zufolge die innere Haltung und Fähigkeit, sich mit herausfordernden Situationen auseinanderzusetzen.

Diese Fähigkeit ist teilweise angeboren und wird in der frühen Biografie geprägt. Dennoch könne jeder Mensch seine Resilienz ein Leben lang stärken, indem er „immer wieder reflektiert, sich auf Situationen einlässt und mit anderen austauscht“. Der beste Lehrer ist die Krise selbst: „Eine Situation wie die aktuelle Pandemie kann eine Belastung sein, an der Menschen reifen und durch die sie lernen“, so Lutz. Zwar hätten viele im letzten Jahr Schlimmes erlebt und seien teilweise schwer belastet. Doch Menschen seien auch widerstandsfähiger geworden: „Wir haben uns selbst und gegenseitig anders kennengelernt. Das kann Impulse freisetzen, die uns als Gesellschaft und Individuen resilienter machen.“

Im Krankenhaus Herdecke ist die Pandemie Alltag geworden. Für das Personal ist das belastend. „Zur Versorgung der Patienten kommt ein enormer Organisationsaufwand für Tests, Kontrollen oder Impfungen hinzu“, so Gabriele Lutz. Es gebe jede Menge Zusatzaufgaben, aber keine Zusatzkräfte. Die ständige Improvisation sei sehr kraftaufwendig. Bei aller Resilienz. Katja-Barbara Heine

Texte und Übungen zur Resilienzstärkung:

www.gemeinschaftskrankenhaus.de

Suche: „Resilienz stärken“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen