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Künstlerinnen am Weltfrauentag„Aufstehen für mehr Sichtbarkeit“

Am Weltfrauentag besetzen Künstlerinnen in Berlin den Platz vor der Gemäldegalerie. Ein Gespräch mit Mitinitiatorin Rachel Kohn.

Für mehr Sichtbarkeit: Probeauftritt von Künstlerinnen vor der Berliner Gemäldegalerie Foto: Elfi Greb
Julia Hubernagel
Interview von Julia Hubernagel

Frauen sind in der Kunstwelt immer noch unterrepräsentiert. Zwar sind mittlerweile über 60 Prozent der Ab­sol­ven­t:in­nen von Kunstschulen weiblich, die meisten Ausstellungen zeigen jedoch mehr männliche Künstler. In Ausstellungen mit Kunst vor und um 1900 sieht es freilich noch düsterer aus: Gerade einmal 1 Prozent der Bilder in diesen Ausstellungen stammen von Frauen.

Dabei gebe es durchaus Werke von Künstlerinnen – diese lagern jedoch verborgen in Depots, meint Rachel Kohn. Sie ist Vorsitzende des Frauenmuseums Berlin und hat unter dem Namen „fair share!“ eine Aktion für die Stärkung weiblicher Kunst ab 14 Uhr am Weltfrauentag ins Leben gerufen. Dabei soll etwa der Platz vor der Gemäldegalerie mit Namen von mehr oder weniger bekannten Künstlerinnen beschriftet werden.

taz: Frau Kohn, wofür protestieren Sie am Montag vor der Gemäldegalerie?

Rachel Kohn: Wir wollen für mehr Sichtbarkeit von Künstlerinnen aufstehen. Erinnern Sie sich an die Ausstellung in der Alten Nationalgalerie, „Kampf um Sichtbarkeit“, für die die Alte Nationalgalerie ihre Depots aufgemacht hat und Werke von Künstlerinnen vor 1919 gezeigt hat? Zwar war es keine sehr große Ausstellung, aber sie war trotzdem ein großer Erfolg. Das Publikum ist sehr daran interessiert, Kunst von Künstlerinnen zu sehen. Auch die Ausstellungen in der Berlinischen Galerie zu Lotte Laserstein oder Jeanne Mammen waren Publikumserfolge. Insofern sind wir der Meinung, dass der Fokus auf Kunst von Frauen viel, viel größer sein sollte, als er bisher ist.

Im Interview: Rachel Kohn

Geboren 1962 in Prag, arbeitet als bildende Künstlerin in Berlin und ist seit 2007 Vorsitzende des Frauenmuseums Berlin.

Wie schwer ist es für Künstlerinnen in Berlin, Erfolg zu haben?

Berlin war in den 90er Jahren ein tolles Experimentierfeld. Jetzt sind sehr, sehr viel mehr Künstlerinnen und Künstler nach Berlin gezogen. Insofern wird es hier natürlich mit den Möglichkeiten ein bisschen knapper. Und es ist eine Art Haifischbecken. Die Konkurrenz ist groß. Man ist in der Kunst immer ein bisschen ein Einzelkämpfer und muss gucken, dass man irgendwo bleibt. Und wir als Künstlerinnen wollen da natürlich auch mitmischen und an dem Ausstellungsbetrieb möglichst beteiligt sein.

Wie schlägt sich das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern zahlenmäßig nieder?

Im Hamburger Bahnhof gingen laut einer Studie von Gantner und Horst zwischen 2010 und 2020 22 Prozent der Einzelausstellungen an Künstlerinnen. In der Neuen Nationalgalerie waren es von 2000 bis 2015 nur 6,12 Prozent. Die Alte Nationalgalerie hat noch nie eine Einzelausstellung zu einer Künstlerin gezeigt, weil sie einfach auch zu wenig Werke von Künstlerinnen gesammelt hat und es leider immer noch so ist, dass die Ankaufsetats hauptsächlich für bekannte Männer ausgegeben werden, statt einmal anzufangen, auch Künstlerinnen zu sammeln, um überhaupt mal ein Œuvre zeigen zu können.

Es wäre sehr interessant, da etwas zu kaufen, was auch noch nicht so teuer wäre wie die Werke männlicher Künstler, die alle schon ihr Renommee haben. Die Preise für Werke von Lotte Laserstein sind alle stark gestiegen. Das ist aber nur deswegen so, weil sie jetzt diese museale Anerkennung hat. Präsent war sie vorher auch schon, aber erst dadurch, dass sie diese Ausstellungen bekommen hat, ist ihr Marktwert gestiegen.

Hat die Coronapandemie Ihre Arbeit erschwert? Frauen sind doch bestimmt auch im Kunstbereich stärker betroffen als Männer.

Wie in der ganzen Gesellschaft gibt es da eine Retraditionalisierung und vor allem die Künstlerinnen, die Kinder haben, sind sicherlich belasteter als die männlichen Kollegen – wobei es im Einzelfall auch genau umgekehrt sein kann. Aber natürlich sind die Frauen viel öfter mit Care-Aufgaben und Homeschooling beschäftigt. Und das geht von ihrer Zeit im Atelier ab, wenn sie eins haben. Wenn sie keins haben und zu Hause arbeiten, gab es jetzt zum Beispiel gar keine Auszeiten mehr.

Wünschen Sie sich mehr Unterstützung von offizieller Seite?

Der Gender Pay Gap in der Kunst ist schon vor der Coronapandemie gestiegen, auf 31 Prozent. Und jetzt wird man sehen, ob er noch weiter steigen wird. Es wird sich noch zeigen, was die Pandemie für Schäden in der bildenden Kunst, aber auch in der Bühnenkunst und Musik angerichtet hat. Und überall ist es wirklich verheerend, sehr traurig, wie gering die Stellung ist, die die Kultur in der Politik genießt, obwohl man immer wieder sagt, sie sei systemrelevant.

Aber dass man zum Beispiel die ganzen kommunalen Galerien immer noch geschlossen hält, ist wirklich ein Unding. Es gäbe so viele Konzepte, etwa nur einzeln oder zu zweit Be­su­che­r:in­nen hineinzulassen. Das Frauenmuseum Berlin hat eine Ausstellung in der Kommunalen Galerie, die schon seit Oktober hängt und auf eine Eröffnung wartet.

Haben Sie eine Lieblingskünstlerin, die zu wenig geschätzt wird?

Da ist die Antwort nicht leicht. Eine Künstlerin, deren Arbeiten ich schätze, ist Alicia Kwade, die inzwischen schon sehr bekannt ist, aber ich könnte auch Heike Ruschmeyer nennen, deren Werke mich berühren oder Jacqueline Diffring, die letztes Jahr 100-jährig gestorben ist und die ein großartiges umfangreiches Oeuvre hinterlassen hat.

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