piwik no script img

Bildband über Emilio PucciDer Marchese und sein Skianzug

Ein Bildband stellt den Modemacher Emilio Pucci di Barsento vor. Seine rasante Karriere begann er unter dem Namen Emilio di Capri.

Blick in den Bildband mit der Bademode aus dem Jahr 1956 Foto: aus dem besprochenen Band/Taschen

In seinem Stammbaum finden sich Lorenzo di Medici, der Prächtige, aber auch Katharina die Große. Der Marchese Emilio Pucci di Barsento (1914–1992) sollte seinem gesellschaftlichen Status gemäß aristokratische Leidenschaften pflegen, unter denen seine Bemühungen um die städtische Politik für den Florentiner Patrizier wohl das ernsthafteste Engagement bedeuten würde.

Doch dann kam es anders. Als Liebhaber von Edda Ciano, der Tochter Mussolinis und Gattin des italienischen Außenministers Galeazzo ­Ciano, verhalft er ihr und ihren Kindern 1944 zur Flucht in die Schweiz. Was zur Folge hatte, wie im opulenten, neu aufgelegten Bildband über Pucci im Taschen-Verlag zu lesen ist, „dass er selbst in einem Gefängnis der Nazis landete. Pucci wurde gefoltert und war dem Tode nahe, bevor es seiner Familie endlich gelang, seine Auslieferung in die Schweiz zu erreichen.“

In der Schweiz bestritt der begeisterte Skifahrer, der 1934 Mitglied der olympischen Skimannschaft Italiens gewesen war, seinen Lebensunterhalt mit Unterricht in Italienisch und Skifahren. Dafür entwarf er einen Anzug aus dem neuen Stretchstoff Helanca. Eine amerikanische Fotografin fotografierte ihn und seine Freundin in nämlichem Anzug. Die Aufnahme landete auf dem Schreibtisch von Diana Vreeland, damals Modechefin von Harper’s Bazaar.

Foto: aus dem besprochenen Band/Taschen

Wenig später orderte die Einkäuferin von Lord & Taylor in New York diesen Anzug für ihr Luxuskaufhaus. Es war es nicht der erste Skianzug, mit dem Pucci in Amerika Furore machte. Als junger Mann hatte er in Mailand und an der University of Georgia in Athens Landwirtschaft studiert und war 1937 mit einem Ski-Stipendium am Reed College in Oregon ausgezeichnet worden, wo er die Uniformen der Skimannschaft des Colleges neu designte.

Aus der Schweiz siedelte Pucci nach Capri über, wo er in seiner Boutique von ihm entworfene Bade- und Freizeitmode verkaufte. Und zwar, weil die Sache der Familie so unendlich peinlich war, unter dem Namen Emilio di Capri. Recht besehen führte er aber genau das für ihn bestimmte Leben eines Gentlemans, der es sich leisten kann, nur seinen Vorlieben zu frönen. Bei ihm gehörte dazu eben das Einkleiden schöner Frauen.

Foto: aus dem besprochenen Band/Taschen

Im Faschismus noch Teil der Jeunesse dorée, gehörte er nun zum internationalen Jetset, eine irgendwie ironische Volte, hatte er doch im Zweiten Weltkrieg als Kampfpilot bei der italienischen Luftwaffe gedient. Was zeichnete Pucci nun aus, dass er so schnellen, vor allem so paradigmatischen Erfolg hatte?

Zunächst lag ein Grund in seinem Aufenthalt als Sportler in den USA. Hier entwickelte er ein Gespür für pragmatische Kleidung mit Stil und für die Idee des Prêt-à-Porter. Bei ihm bedeutete das Minimalismus des Schnitts bei gleichzeitiger Pracht der Farben und Muster. Dazu faszinierten ihn die Materialforschung zu neuen Textilien, die dann neue Möglichkeiten des Entwurfs und des Tragens boten.

Der Bildband

Pucci. Updated Edition. Taschen 2021. Hardcover 448 Seiten, 5,5 kg. Jeder Band hat ein eigenes Coverdesign mit einem ausgewählten Originalmuster aus der Emilio-Pucci-Kollektion. 200,- Euro

Die dezidiert modernen Entwürfe mit ihren rasanten floralen oder geometrisch-ab­strak­ten, aber auch figürlichen Mustern und grandiosen Farben sind im Taschen-Band in überwältigender Fülle zu bestaunen: Die Leggings, Catsuits und Minis aus den 1960er und 70er Jahren als Pop- und Psychedelic Art auch bei Pucci Einzug hielten.

Dann die ethnografisch inspirierten Wiederaufnahmen in den 1990er und den 2000er Jahren, als Pucci nach der Flaute in den 1980er Jahren sein großes Revival hatte. Heute gehört Pucci zum LVMH-Konzern von Bernard Arnault, der sich – man denke an Birkenstock – alles einverleibt, was in der Mode großartig ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!