Besuch bei einer älteren Dame: 4-mal Cantuccini und ein Impftermin
Einkaufshilfe in Coronazeiten führt einen ganz schnell zum Verwandtenbesuch nach Berlin-Lankwitz. Und dann ist auch noch der BRIEF angekommen.
A ls es losging mit Corona, ging es auch los mit den Zetteln in Hausfluren, manchmal sogar auf offener Straße: von guten Menschen, die anboten, Einkäufe für Risikogruppen zu übernehmen. Auch ich machte so ein Angebot, aber nur meiner Tante in Lankwitz. Sie nahm es gerne an. Meine Tante ist nicht mehr besonders gut zu Fuß, und viel Gesellschaft hat sie auch nicht.
Ihre Edeka-Filiale in der Siemensstraße ist so groß, dass die Wurst- und Fleischtheke dort an verschiedenen Stellen stehen, sie hat 17 Stunden am Tag geöffnet und ist auch mittags immer gut besucht. Oder vielleicht gerade mittags, denn mehr als die Hälfte der Kundschaft ist im Rentenalter und schon etwas klapprig. Weil außerdem Einkaufswagen verpflichtend sind, kommt es permanent zu Staus und Beinahezusammenstößen.
Nach einiger Zeit wurde klar, dass meine Tante auch ohne mich nicht verhungert. Sie hat noch andere Menschen, die Dinge für sie erledigen, ohne 40 Minuten Anfahrt. Es geht bei alldem auch um Aufmerksamkeit. Einmal meinte sie, sie könne ja auch zu Edeka mitkommen. Da kam ich mir etwas albern vor, und als es wärmer wurde, wurden auch meine Besuche sporadischer.
Anfang Februar fahre ich mal wieder nach Lankwitz. Die vorherige telefonische Übermittlung des Einkaufszettels ist dabei wie stets eine Aktion für sich, denn meine Tante braucht zwar nicht viel, aber davon hat sie sehr genaue Vorstellungen. Ausgestattet mit einer detaillierten mental map der Edeka-Filiale und dem aktuellen Wochen-Sonderangebote-Prospekt gibt sie mir präzise Anweisungen, damit ich keine falschen oder zu teuren Dinge mitbringe.
Dieses Mal stehen auf meinem Zettel: 10 Freilandeier oder 2 mal 6 Stück, möglichst große, möglichst deutsche. 3 Schrippen, 3 Schusterjungen, 3 dunkle Kartoffelbrötchen von der Bäckertheke, wichtig: keine Körner! Butter, einfach die billigste, egal ob gesalzen. 1 Gurke. 3 Äpfel, keine grünen, möglichst rote, z. B. Pink Lady. Klopapier, vierlagig, aber möglichst nicht von Zewa. Stremellachs (im Fischkühlregal neben den Eiern). 4 Packungen Cantuccini (die sind immer auf der Liste, auch in dieser Menge). Campari, aber nur, wenn er im Angebot ist – dann kostet er etwa 8 Euro. 1 Bund Tulpen.
Befriedigend wie ein Smartphone-Game
Die Erfüllung der Aufgaben ist wie ein Level eines dieser Smartphone-Spiele: umständlich, aber gut machbar und dadurch oddly satisfying. Nachdem meine Tante die Einkäufe verstaut und mir etwas zu essen angeboten hat, steht diesmal noch eine Sonderausgabe auf dem Programm: der BRIEF. Meine Tante ist nämlich 80 Jahre alt und hat Ende Januar ihr Impfangebot erhalten – aber hatte noch nicht die Ruhe und die Konzentration gefunden, den Brief auch zu lesen. Mein Besuch hat auch die Funktion einer Art externen Deadline.
Mein Versuch, einen Termin am Computer zu buchen, führt zu Spannungen, und schnell wird klar, dass meine Tante die Sache lieber telefonisch regeln will, auch weil sie wissen möchte, ob ihr die Taxifahrt bezahlt wird. Ich sehe uns in stundenlangen Warteschleifen, aber von wegen: Quasi sofort werden wir durchgestellt.
Die sehr freundliche Frau am Telefon behandelt geduldig alle Fragen und Sorgen meiner Tante: Ja, es gibt ein Impftaxi, sie gibt uns zwei Nummern. Nein, man muss keinen Impfpass mitbringen. Nein, auch die Krankenkassenkarte ist nicht erforderlich. Ja, es gibt für den zweiten Termin auch einen späteren am gleichen Tag.
Am Ende dauert es tatsächlich kaum eine Viertelstunde, und rund um Ostern wird meine Tante ihre beiden Impfungen bekommen. In Treptow hätte es noch frühere Termine gegeben, aber das ist ihr zu weit weg. Mir soll es recht sein. Zufrieden stapfe ich durch den Lankwitzer Schnee nach Hause.
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