Leicht sinkende Coronazahlen: Sorgen wachsen dennoch
Vor dem nächsten Bund-Länder-Treffen geht die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen leicht zurück. Weitere Verschärfungen stehen im Raum.
Im Vergleich zum bisherigen Höchstwert kurz vor Weihnachten ist der Mittelwert mit 30 Prozent sogar noch stärker gefallen. Wegen der zuletzt immer noch etwas geringeren Testzahl sind die aktuellen Zahlen jedoch weiterhin nicht unmittelbar mit jenen von Dezember vergleichbar. Dass die Zahlen aktuell sinken, scheint dennoch klar. Vom politischen Ziel einer Inzidenz von unter 50 sind sie trotzdem noch weit entfernt: Der Wert, der angibt, wie viele Fälle pro 100.000 Einwohner*innen innerhalb von 7 Tagen aufgetreten sind, liegt derzeit bundesweit bei 136. Vor einer Woche waren es noch 162.
Empfohlener externer Inhalt
Rückläufig ist auch die Zahl der Coronapatient*innen, die auf Intensivstationen behandelt werden. Mit 4.971 lag sie am Sonntag rund 7 Prozent niedriger als eine Woche zuvor. Bei den gemeldeten Coronatoten gibt es noch keinen Rückgang, aber immerhin scheint sie sich zu stablisieren: Mit rund 870 Toten pro Tag liegt der Wert derzeit etwa gleich hoch wie vor einer Woche. Wegen des Zeitraums von einer Infektion bis zum Tod wäre ein Einfluss des Lockdowns auf die Todeszahlen jedoch auch noch nicht erwartbar.
Bei der nächsten Video-Konferenz von Bund und Ländern, die auf Dienstag vorgezogen wurde, soll dennoch vor allem über mögliche Verschärfungen des bestehenden Lockdowns gesprochen werden. Grund dafür ist neben der weiterhin hohen Infektions- und Todeszahlen vor allem die Sorge vor der neuen Virus-Mutation aus England. „Wir wissen viel zu wenig über das mutierte Virus, das in Großbritannien derzeit wütet“, sagte der neue CDU-Chef und nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet am Samstag im ZDF. „Deshalb gehe ich davon aus, dass wir nächste Woche noch einmal zu Verschärfungen kommen.“
Empfohlener externer Inhalt
Auch der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Ralph Brinkhaus, pochte auf Verschärfungen des bestehenden Lockdowns. „Die Ministerpräsidentenkonferenz muss Verschärfungen beschließen, damit wir die Zahlen endlich herunterbekommen“, sagte er der Rheinischen Post. „Wir können es uns nicht leisten, dass sich die Pandemie bis in den Sommer hinzieht.“
Wie mögliche Verschärfungen aussehen könnten, ist aber noch offen. Aus der SPD gibt es die Forderung, Homeoffice stärker verbindlich zu machen und nicht-notwendige Betriebe zeitweise zu schließen. Er sei für „einen wirklich harten Lockdown, der aber nicht so lange ginge“, sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Auch nächtliche Ausgangssperren und eine weitere Verkleinerung des Bewegungsradiusses von 15 Kilometern in Gebieten mit besonders hoher Inzidenz gilt als möglich.
Im Gespräch ist zudem, an bestimmten Orten künftig die Nutzung sogeannter FFP2-Masken vorzuschreiben. Diese schützen sehr viel besser vor Infektionen als einfache Masken, sind aber deutlich teurer. In Bayern gilt bereits ab diesem Montag eine FFP2-Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr und in Geschäften. Auf Strafen bei Verstößen soll in der ersten Woche noch verzichtet werden; Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, sollen in Bayern fünf FFP2-Masken kostenlos erhalten.
Und immer wieder: Debatte um Impfprivilegien
Kritik an einer möglichen Verschärfung der Coronaregeln kam aus der FDP und vom Städte- und Gemeindebund. FDP-Chef Christian Lindner sprach sich in der Bild am Sonntag gegen nächtliche Ausgangssperren aus. „Auf keinen Fall dürften sie ohne Befassung des Bundestags beschlossen werden“, erklärte Lindner. Er forderte, dass der Bundestag noch vor den Gesprächen der Kanzlerin mit den Ministerpräsident*innen zu einer Sondersitzung zusammenkommen solle.
Auch der Städte- und Gemeindebund warnte vor verschärften Maßnahmen. Zwar sei eine Verlängerung des Lockdowns notwendig, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Ein Mega-Lockdown sei allerdings „keine Lösung und könnte die unverzichtbare Akzeptanz der Menschen für die zahlreichen Maßnahmen gefährden“, sagte er.
Außenminister Heiko Maas (SPD) hat sich unterdessen dafür ausgesprochen, bestimmte Beschränkungen für Menschen mit Corona-Impfung aufzuheben. „Geimpfte sollten wieder ihre Grundrechte ausüben dürfen“, sagte er der Bild am Sonntag. Weil diese kaum mehr an Corona erkranken könnten, falle „ein zentraler Grund für die Einschränkung der Grundrechte weg“. Die zuständigen Ministerien für Gesundheit und Justiz wiesen Maas' Vorstoß jedoch prompt zurück.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein