Landesregierung gegen Alleingang: Kein Sonderweg beim Homeoffice
Der Senat schließt sich der kritisierten Bundesregelung an. Ein eigenes strengeres Papier sah ein ausdrückliches Verbot von Büro-Bildschirmarbeit vor.
Seit mehreren Wochen hatte vor allem Regierungschef Michael Müller (SPD) Wirtschaftsbetriebe dazu gedrängt, ihren Mitarbeitern mehr Heimarbeit zu ermöglichen. Ihm seien die Straßen sowie Busse und Bahnen im Vergleich zum ersten Lockdown im Frühjahr 2020 weiter zu voll. Fahrgastzahlen belegten die größere Mobilität während der derzeitigen Coronaregeln. In der Sitzung des Senats nach dem jüngsten digitalen Treffen der Ministerpräsidenten hatte Müller vergangenen Mittwoch angekündigt, dass der Senat an diesem Dienstag noch mal über die genauen Regeln zu Homeoffice diskutieren würde.
Im Vorfeld der Sitzung gab es dazu auch eine Vorlage aus der Verwaltung von Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Linkspartei) mit dem erwähnten Verbot der Beschäftigung „an Arbeitsplätzen gemäß § 2, Absatz 5“ der Arbeitsschutzverordnung, die dort als „Bildschirmarbeitsplätze“ festgelegt sind. Bei der nun übernommenen Fassung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ist es den Arbeitnehmern überlassen, ein Homeoffice-Angebot anzunehmen oder nicht. Aus Sicht von Kritikern drückt sich die Politik damit um eine klare Vorgabe und setzt die Arbeitnehmer unter Druck.
Warum sich das eigene, strenger formulierte Papier (ohne Entscheidungsspielraum) nicht durchsetzte, blieb am Dienstag in der Pressekonferenz nach der Senatssitzung offen. „Es gab Papiere, aber heute haben wir gesagt, dass wir uns auf die Bundesverordnung konzentrieren“, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kalyci (SPD). Deren Einhaltung werde „stichprobenartig“ kontrolliert, zuständig ist das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit. Nach taz-Informationen sind in Berlin pro Woche 80 Kontrollen geplant, schwerpunktmäßig in Betrieben mit Großraumbüros.
In zwei Wochen Überprüfung
In der Pressestelle von Senatorin Breitenbach hieß es auf die taz-Nachfrage, warum sich die Breitenbach-Fassung nicht durchsetzte, lediglich, der Senat habe die jetzige Fassung beschlossen. Aus Senatskreisen war indes zu hören, das Papier habe „Fragen“ aufgeworfen. Rechtliche Bedenken und Zweifel an der Umsetzbarkeit führten demnach dazu, dass Berlin auf einen strengeren Sonderweg verzichtete.
Die Landesregierung ließ sich aber die Möglichkeit offen, doch noch eigene, strengere Formulierungen zu beschließen. „Wir werden in zwei Wochen eine Auswertung der Arbeitsverwaltung bekommen, ob die Vorgaben, die vom Bund initiiert worden sind, auch tatsächlich umgesetzt werden“, sagte Kalayci. „Wenn wir feststellen, dass das nicht gut funktioniert, wird es Vorschläge geben, wie wir noch einmal nachschärfen.“
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen