Digitaler Protest in Russland: Tiktok, Putin abgehängt
Vor allem junge Russ*innen informieren sich über Apps. Dort posten sie auch ihren Protest. Der Kreml versucht vergeblich, Onlinekanäle zu schließen.
Die Videoplattform Tiktok war von ähnlichen Videos geradezu geflutet worden, Sergei war nicht der einzige Jugendliche, den die Inhaftierung von Putins Hauptgegner so beschäftigte. Unter dem Hashtag #swobodunawalnomu posteten Schüler*innen Videos, wie sie Putinporträts von den Wänden reißen, nahmen Student*innen Szenen auf, wie sie eine Gerichtsverhandlung führen und buchstäblich über den Gesetzen stehen, tanzten auch mal an einer Pole-Dance-Stange in Putins angeblichem Palast am Schwarzen Meer. Mal waren die Videos witzig, mal ernsthaft.
Mehr als eine Milliarde Mal wurden die Videos bereits angeklickt. Die Jugend, die auch in Russland als unpolitisch verschrien ist, macht die Spaß-App Tiktok derzeit zum Ort politischer Auseinandersetzung.
Bei Informationen setzt der Kreml seit je aufs Fernsehen – und erreicht damit vor allem die jüngeren Generationen längst nicht mehr. Online-TV-Sender wie Doschd schalten live zu Antiregierungsdemonstrationen, Portale wie Meduza, Mediazona oder The Insider berichten in Livetickern von Gerichtsverhandlungen gegen Kreml-Kritiker*innen und greifen Themen auf, die es in Staatsmedien nicht geben darf.
Kreml immer einen Schritt hinterher
Auch Nawalny hatte einst auf Youtube gesetzt und hat dort bis heute seine Sendung. Für den Austausch von Informationen nutzt man längst Messengerdienste wie Telegram. Auch die Proteste von Samstag waren mehrheitlich dort organisiert. In jeder Stadt gab es praktisch eine Liveschaltung zu den als „Spaziergängen“ bezeichneten Aktionen.
Mehrfach hatten die russischen Behörden versucht, Telegram zu sperren. Vergebens. Auch im Vorfeld der Samstagsproteste hatte die russische Netzaufsichtsbehörde Roskomnadsor Dienste wie Facebook, Twitter, Tiktok und VKontakte gemahnt, „Informationen zu entfernen, die Minderjährige zu rechtswidrigen Handlungen verlocken“, und mit Geldstrafen von umgerechnet bis zu 44.000 Euro gedroht.
Manche reagierten und löschten die Seiten mit Infos zu den Protesten. Schnell aber entstehen andere Kanäle. Die Behörden seien stets einen Schritt hinterher, so die Bürgerrechtsorganisation Roskomswoboda.
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