Rassismus-Beauftragte*r gefordert: Eine Stelle gegen Hass
Rassismus soll aktiv bekämpft werden: Dafür sollte es eine*n Beauftragte*n des Landes geben, fordert der Bremer Rat für Integration.
Außerdem regt der Rat an, im Gesundheitsressort ein eigenes Referat „Armut, Migration und Gesundheit“ zu schaffen. Insgesamt sei es wichtig, die Verwaltung über die bisherige erfolgreiche Gleichstellungspolitik hinaus für „intersektionale Frauenpolitik“ zu sensibilisieren.
Der Begriff Intersektionalität bezeichnet den Umgang mit der Tatsache, dass den meisten Diskriminierungserfahrungen ein Zusammenspiel von unterschiedlichen mit Vorurteilen behafteten Eigenschaften und gesellschaftlich negativ bewerteten Zuschreibungen zugrunde liegt.
Ein besonders krasses Beispiel ruft der BRI in Erinnerung: Am 3. November war in Huchting eine Schwarze Frau im Nachtbus rassistisch und sexistisch beleidigt worden, bevor die Angreifer sie mit Schlägen und Tritten krankenhausreif geprügelt hatten. Gebot der Stunde sei deshalb ein inklusiver Feminismus, „der über Gewaltschutz- und Sprachprogramme hinausgeht“ so der BRI, „und sich eingehender mit den Belangen von allen Frauen* befasst.“
Beteiligung gefordert
Zur Stellungnahme war der Rat von der Sozialsenatorin aufgefordert worden: Vor einem Jahr hatten alle Fraktionen der Bürgerschaft beschlossen, dass die Verwaltung ein „Rahmenkonzept gesellschaftliche Teilhabe und Diversity“ bis Ende 2020 solle – und migrantische Selbstorganisationen und die Öffentlichkeit daran zu beteiligen seien. Corona hat die Prozesse verlangsamt.
Noch ist die Beteiligungsphase nicht ganz abgeschlossen, aber die meisten Vorschläge sind eingereicht. Und ein bisschen wirkt man bei Soziales überrumpelt vom konkreten Ergebnis: „Ich weiß nicht, ob in einem solchen Rahmenkonzept die Forderung Platz hat, die Stelle eines Beauftragten zu schaffen“, sagt Bernd Schneider, Sprecher der Senatorin. Ob die Spitze des Hauses eine entsprechende Empfehlung aussprechen werde, steht auch nicht fest: „Das ist eine Frage, die im politischen Raum erörtert werden muss“, so Schneider.
Das Argument des BRI ist dabei nicht von der Hand zu weisen: Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft und rassistischer Zuschreibung nimmt zu. Ein starker Indikator dafür sind die bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes dokumentierten Rassismusfälle, deren Zahl sich seit 2014 verdoppelt hat.
Die Studien, die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit messen, bestätigen das Vordringen xenophober Einstellungen und das Anschwellen von diffusem Hass. Während die bereits beschlossene Antidiskriminierungsstelle in erster Linie Beschwerden aufnehmen soll, hätte ein*e Antirassismusbeauftragte* eine gestalterische Aufgabe.
Statt nur immer neue Opfergeschichten aufzeichnen zu müssen und ihnen nachzugehen, könnte sie dem Trend zum Hass entgegenwirken, Schulungen anbieten, für Aufklärung sorgen – und für Empowerment.
Grüne reagieren mit Wohlwollen, CDU mit Skepsis
Unterstützung signalisiert die Linksfraktion: „Eine Anlaufstelle, die der ZGF gleichgestellt wäre, wäre angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung nur legitim“, sagte deren Vorsitzende Sofia Leonidakis der taz. „Wir begrüßen das Positionspapier des BRI als wertvollen Beitrag zur Debatte.“
Auch die Grünen schauen mit Wohlwollen auf den Vorschlag, allerdings verhaltener: „Angesichts der Entwicklung kann ich die Forderung gut verstehen“, begrüßte Sahhanim Görgü-Philipp zwar die Stellungnahme des BRI, darauf festlegen könne sie sich indes derzeit nicht, so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bürgerschaftsgrünen: „Wir haben sehr viel angestoßen“, sagt sie, deshalb müsse man schauen, wie die Maßnahmen insgesamt zusammenpassen.
Mit Skepsis reagiert die CDU auf den Vorstoß: Die Bürgerschaft habe im vergangenen Jahr beschlossen, einen Aktionsplan Antirassismus zu erstellen und eine Antidiskriminierungsstelle einzurichten, erläuterte die Integrationspolitikerin Sigrid Grönert der taz. Das seien „Beschlüsse, mit denen sich das Thema Rassismusbekämpfung aus Sicht der CDU gut abdecken“ lasse. „Deshalb werden wir uns nicht hinter die Forderung stellen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Obergrenze für Imbissbuden
Kein Döner ist illegal
Wahl in den USA
Sie wussten, was sie tun
Streitgespräch über den Osten
Was war die DDR?
Lehren aus den US-Wahlen
Wo bleibt das linke Gerechtigkeitsversprechen?
Ausschreitungen in Amsterdam
Ein hitziges Nachspiel
Regierungskrise in Deutschland
Ampel kaputt!