Tech-Riesen sperren rechte Plattform: Vorerst ausgehetzt
Google, Apple und Amazon sperren das bei Rechten beliebte Netzwerk Parler aus. Warum das Vorgehen erfreulich ist – aber gleichzeitig problematisch.
Die großen Tech-Konzerne aus den USA haben in den vergangenen Tagen ein Lehrstück über Marktmacht abgeliefert. Und gleichzeitig ein Lehrstück darüber, wie man ein richtiges Ergebnis erzielen kann, aber über einen völlig falschen und gefährlichen Weg.
Es geht um die App und Plattform Parler. Die ist so etwas wie eine Twitter-Kopie, mit dem ersten Unterschied, dass Parler sich lästige Regeln und Moderation von Inhalten gleich ganz spart. Und mit dem zweiten Unterschied, dass hinter Parler unter anderem einflussreiche Finanziers von Trump-naher Seite stehen. Die Kombination macht die Plattform zu einem attraktiven Anlaufpunkt für ein Spektrum an Menschen mit problematischen Weltbildern.
Da gibt es Nutzer:innen, die Verschwörungstheorien verbreiten, Aufrufe zur Gewalt, rechtsextreme und antisemitische Äußerungen. Größere Aufmerksamkeit erlangte die Plattform im vergangenen Juni. Damals erklärte Kayleigh McEnany, Sprecherin des Weißen Hauses, auf Twitter, dass sie sich ein Parler-Konto eingerichtet habe, weil Konservative auf den etablierten Plattformen „zensiert“ würden.
Nachdem im Zuge des Angriffs auf das Kapitol über Parler zu Gewalt aufgerufen wurde, haben am Wochenende nun die großen Tech-Konzerne in einer ungewöhnlichen Einheit reagiert – und die App ausgesperrt. Zunächst einmal verbannten Google und Apple die Anwendung aus ihren App-Stores. Und schließlich setzte in der Nacht zu Montag auch Amazon seine Webhosting-Dienste für Parler aus. Tatsächlich war die Webseite am Montag nicht erreichbar.
Es ist nicht das erste Mal, dass eine rechtsextreme Plattform auf diese Art Probleme bekommt: Bereits 2017 verbannte Google die App des Netzwerks Gab, bevorzugt von Rechtsextremen und Rassist:innen genutzt, aus seinem Store. Apple hatte sie gar nicht erst zugelassen. Die beiden Fälle haben etwas gemeinsam, und sie haben etwas gemeinsam mit der Sperrung der Facebook- und Twitter-Konten von Trump: Das Vorgehen der Plattformen in diesen Fällen ist richtig – und trotzdem außerordentlich problematisch.
Denn kein Unternehmen sollte alleine so große Marktmacht besitzen, dass damit Entscheidungen mit derartigen Auswirkungen darüber einhergehen, welche Apps zugänglich sind oder welche Accounts gesperrt werden.
Zumal Trump längst nicht zum ersten Mal zu Gewalt aufgerufen hatte. Und auch auf Parler gab es nicht erst vergangene Woche Gewaltandrohungen und „Aufrufe zur Anstiftung zu gesetzwidrigen Handlungen“, was Apple als eine der Begründungen für den Ausschluss aus dem App-Store anführte. Warum also jetzt? Weil das Vorgehen mit dem anstehenden Machtwechsel in den USA auf einmal politisch opportun wurde? Oder – das ist der Vorwurf des Parler-Gründers – weil die Plattform sich zum Konkurrenten entwickeln könnte?
Parler wird nicht die letzte Plattform bleiben, auf die rechte Akteur:innen mit ihren Hassbotschaften, mit rassistischen Äußerungen oder Gewaltaufrufen ausweichen. Schon jetzt bekommen andere Anbieter, seien es Rumble, Dlive oder MeWe, verstärkten Zulauf. Wird es jedes Mal davon abhängen, ob Google und Apple die Plattform ernst genug nehmen, um die Verbreitung über ihre App-Stores zu sperren? Und was ist, wenn Nutzer:innen entdecken, dass sich Apps auch auf anderem Weg verbreiten lassen?
Im eigenen Interesse
In Europa gibt es bereits spezifische Regulierungen, zum Beispiel das im vergangenen Jahr vom Bundestag beschlossene Gesetz gegen Hasskriminalität. Es ist alles andere als perfekt. Aber in den USA ist es komplizierter: Die Annahme, dass das Äußern von Meinungen schrankenlos möglich sein muss und dass Falschbehauptungen nichts anderes als eine Meinung sind, ist in der US-Gesellschaft so tief verankert, dass alleine die Idee, vielleicht doch ein kleines bisschen zu regulieren, etwas geradezu Ketzerisches hat.
Dazu tragen auch die Konzerne selbst bei: Sie berufen sich gerne darauf, dass sie nicht entscheiden sollten, was sagbar ist und was nicht. Das ist zwar ziemlich dreist, weil die Plattformen das auch jetzt schon tun, wenn es ihnen in den Kram passt – etwa, wenn es um nackte Frauenoberkörper geht.
Aber der Arbeitsauftrag ist klar: Die Plattformen selbst sollten dafür sorgen, dass ihnen klare gesetzliche Regeln darüber gegeben werden, bei welchen Äußerungen sie Grenzen setzen müssen; welche Konsequenzen sie ziehen können, wenn sich andere – Nutzer:innen oder Unternehmen – nicht daran halten. Es wäre in ihrem eigenen Interesse.
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