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Tech-Riesen sperren rechte PlattformVorerst ausgehetzt

Google, Apple und Amazon sperren das bei Rechten beliebte Netzwerk Parler aus. Warum das Vorgehen erfreulich ist – aber gleichzeitig problematisch.

Aufnahme vom 7. Januar: Parler wird nicht die letzte Plattform bleiben, auf die Rechte ausweichen Foto: Lucas/imago

Die großen Tech-Konzerne aus den USA haben in den vergangenen Tagen ein Lehrstück über Marktmacht abgeliefert. Und gleichzeitig ein Lehrstück darüber, wie man ein richtiges Ergebnis erzielen kann, aber über einen völlig falschen und gefährlichen Weg.

Es geht um die App und Plattform Parler. Die ist so etwas wie eine Twitter-Kopie, mit dem ersten Unterschied, dass Parler sich lästige Regeln und Moderation von Inhalten gleich ganz spart. Und mit dem zweiten Unterschied, dass hinter Parler unter anderem einflussreiche Finanziers von Trump-naher Seite stehen. Die Kombination macht die Plattform zu einem attraktiven Anlaufpunkt für ein Spektrum an Menschen mit problematischen Weltbildern.

Da gibt es Nutzer:innen, die Verschwörungstheorien verbreiten, Aufrufe zur Gewalt, rechtsextreme und antisemitische Äußerungen. Größere Aufmerksamkeit erlangte die Plattform im vergangenen Juni. Damals erklärte Kayleigh McEnany, Sprecherin des Weißen Hauses, auf Twitter, dass sie sich ein Parler-Konto eingerichtet habe, weil Konservative auf den etablierten Plattformen „zensiert“ würden.

Nachdem im Zuge des Angriffs auf das Kapitol über Parler zu Gewalt aufgerufen wurde, haben am Wochenende nun die großen Tech-Konzerne in einer ungewöhnlichen Einheit reagiert – und die App ausgesperrt. Zunächst einmal verbannten Google und Apple die Anwendung aus ihren App-Stores. Und schließlich setzte in der Nacht zu Montag auch Amazon seine Webhosting-Dienste für Parler aus. Tatsächlich war die Webseite am Montag nicht erreichbar.

Wird es jedes Mal davon abhängen, ob Google und Apple die Plattform ernst genug nehmen, um die Verbreitung über ihre App-Stores zu sperren?

Es ist nicht das erste Mal, dass eine rechtsextreme Plattform auf diese Art Probleme bekommt: Bereits 2017 verbannte Google die App des Netzwerks Gab, bevorzugt von Rechtsextremen und Rassist:innen genutzt, aus seinem Store. Apple hatte sie gar nicht erst zugelassen. Die beiden Fälle haben etwas gemeinsam, und sie haben etwas gemeinsam mit der Sperrung der Facebook- und Twitter-Konten von Trump: Das Vorgehen der Plattformen in diesen Fällen ist richtig – und trotzdem außerordentlich problematisch.

Denn kein Unternehmen sollte alleine so große Marktmacht besitzen, dass damit Entscheidungen mit derartigen Auswirkungen darüber einhergehen, welche Apps zugänglich sind oder welche Accounts gesperrt werden.

Zumal Trump längst nicht zum ersten Mal zu Gewalt aufgerufen hatte. Und auch auf Parler gab es nicht erst vergangene Woche Gewaltandrohungen und „Aufrufe zur Anstiftung zu gesetzwidrigen Handlungen“, was Apple als eine der Begründungen für den Ausschluss aus dem App-Store anführte. Warum also jetzt? Weil das Vorgehen mit dem anstehenden Machtwechsel in den USA auf einmal politisch opportun wurde? Oder – das ist der Vorwurf des Parler-Gründers – weil die Plattform sich zum Konkurrenten entwickeln könnte?

Parler wird nicht die letzte Plattform bleiben, auf die rechte Akteur:innen mit ihren Hassbotschaften, mit rassistischen Äußerungen oder Gewaltaufrufen ausweichen. Schon jetzt bekommen andere Anbieter, seien es Rumble, Dlive oder MeWe, verstärkten Zulauf. Wird es jedes Mal davon abhängen, ob Google und Apple die Plattform ernst genug nehmen, um die Verbreitung über ihre App-Stores zu sperren? Und was ist, wenn Nutzer:innen entdecken, dass sich Apps auch auf anderem Weg verbreiten lassen?

Im eigenen Interesse

In Europa gibt es bereits spezifische Regulierungen, zum Beispiel das im vergangenen Jahr vom Bundestag beschlossene Gesetz gegen Hasskriminalität. Es ist alles andere als perfekt. Aber in den USA ist es komplizierter: Die Annahme, dass das Äußern von Meinungen schrankenlos möglich sein muss und dass Falschbehauptungen nichts anderes als eine Meinung sind, ist in der US-Gesellschaft so tief verankert, dass alleine die Idee, vielleicht doch ein kleines bisschen zu regulieren, etwas geradezu Ketzerisches hat.

Dazu tragen auch die Konzerne selbst bei: Sie berufen sich gerne darauf, dass sie nicht entscheiden sollten, was sagbar ist und was nicht. Das ist zwar ziemlich dreist, weil die Plattformen das auch jetzt schon tun, wenn es ihnen in den Kram passt – etwa, wenn es um nackte Frauenoberkörper geht.

Aber der Arbeitsauftrag ist klar: Die Plattformen selbst sollten dafür sorgen, dass ihnen klare gesetzliche Regeln darüber gegeben werden, bei welchen Äußerungen sie Grenzen setzen müssen; welche Konsequenzen sie ziehen können, wenn sich andere – Nutzer:innen oder Unternehmen – nicht daran halten. Es wäre in ihrem eigenen Interesse.

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10 Kommentare

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  • Private Unternehmer schränken die Meinungsfreiheit ein? Und eine linke Journalistin findet das erfreulich (und ein bissl problematisch). Na prost mahlzeit.

    Dann aber nicht doof gucken und krakelen, wenns mal jemanden trifft, der einem politisch in den Kram passt.

  • 2)Während der Amtszeit von Bill Clinton eingeführt Section 230 für Internetkonzerne.

    Der US-Gesetzgeber gestattete Twitter, Facebook und Google in Section 230 (eine gesetzliche Regelung die den Statuts von BigData bestimmt), das sie lediglich den rechtlichen Status eines Nachrichtentransportmediums, ähnlich einem Telekommunikationsunternehmen aufweisen. Daher für die Inhalte nicht verantwortlich sein dürfen.



    Beispiel:



    Ein Telekommunikationsunternehmen darf Ihren Anschluß kündigen, wenn Sie bspw. die Rechnung nicht bezahlen, nicht aber wenn ihm der Inhalt Ihrer Gespräche nicht gefällt.

    Es ist also gesetzlich sogar definiert, dass eben die Internetkonzerne gar keine Inhaltskontrolle durchführen dürfen, was auch richtig ist.



    Allerdings muss der Staat mit Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten die Kontrolle haben. Das ist ein riesiger Aufwand der sehr viel Geld dem Staat kosten wird. Weshalb auch die faktische Steuerfreiheit dieser Internetkonzerne beendet werden muss.

    So wie Banken ihre eigenen Finanzströme nicht selbst kontrollieren können, können auch die Internetkonzerne ihre eigenen Datenströme kontrollieren. Hier muss der Staat mit seinen Institutionen Herr des Geschehens sein, um die Demokratie zu wahren.

    Ein Auslagern der staatlichen Aufgaben (hier u.a.: Strafverfolgungsbehörden) auf die Internetkonzerne, wie damalige von SPD Justizminister Heiko Maas auf den Weg gebracht wurde, schwächt den Staat und untergräbt die Demokratie der Staatsbürger.



    2/2

    • 0G
      05653 (Profil gelöscht)
      @Nico Frank:

      Die Internetkonzerne lenken die Datenströme, indem sie die Hasskultur als Sammelbecken aufgebaut haben und genau die Instrumente offerieren, die ihrem Geschäftsmodell den größten Profit versprechen.

  • Die digitale Oligarchie zeigt Ihre Möglichkeiten

    Die US-BigData-Konzerne könnten mit ihren Nutzern machen was sie wollten. Sie seien ja Privatunternehmen und hätten auf Grundlage ihrer AGB`s das Hausrecht. So der ähnlich finden es viele für in Ordnung, dass Trump bei Facebook und Twitter gesperrt wurde.



    Ich finde das erschreckend.

    So ist das aber inzwischen nicht mehr.



    1)So hat das Landgericht Nürnberg-Fürth (Beschluss v. 07.06.2019 – 11 O 3362/19



    )beschlossen im einstweiligen Verfügungsverfahren, dass Twitter zwar ein „virtuelles Hausrecht“ hat und Nutzeraccounts sperren kann. Dieses Recht habe seine Grenze jedoch in der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit. Weshalb dem Antragsteller d.d. LG Nürnberg-Fürth sein Unterlassungsanspruch gegenüber Twitter bestätigt wurde. Die Entscheidung wurde d. Twitter ohne Erfolg vor dem OLG Nürnberg angefochten worden. Die Berufung von Twitter ist d.d. OLG Nürnberg n. § 522 Abs. 2 ZPO mit einer ausführlichen Begründung zurück gewiesen worden.



    1/2

  • In Kneipen gibt's ja für diese Fälle Hausverbot und keiner ausphilosophiert sich darüber.

    Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

    Die Moderation

  • 2G
    27871 (Profil gelöscht)

    Diese Unternehmen besitzen auch alleine eine so große Marktmacht, solche Plattformen auf die Welt loszulassen, waraum sollten sie dann nicht auch den Schalter auf AUS legen dürfen?

  • 0G
    05653 (Profil gelöscht)

    Das Gesetz gegen Hasskriminalität ist auch nicht das Gelbe vom Ei. Die User werden sich einfach anderer Vokabeln bedienen und sich trotzdem verstehen. Politisch sollte man sich fragen, was alles falsch gelaufen ist, sodass derarte Auswüchse diese wahnsinnige Verbreitung gefunden haben. Mit Verboten kommt man gegen den Hass nicht an. Der Hass ist ja auch nur das Extrem einer insgesamt archaischen Diskussionskultur, die trotz besseren Wissens ein Abweichen von einer einmal gebildeten Meinung nicht zulässt. Die Positionen sind schon vor einer Diskussion in Stein gehauen. Die Reihen sind fest geschlossen. Wer eine eigene Meinung vertritt, wird einfach einem Block zugeordnet und mit persönlichen Beleidigungen, und sachfremden Unterstellungen überschüttet. Es ist fast so, als ob nur noch in Kuschelrunden gegenseitige Seelenmassage betrieben wird, bis man sich wieder in den Kampf gegen Andersdenkende stürzt. Nur das Denken bleibt in diesem Kampf abgeschaltet. Aus der Diskussion ist eine Neurose geworden, aus der sich die glucksenden Teilnehmer mit dem Gefühl verabschieden, es dem anderen mal so richtig gegeben zu haben. Und wenn man gegen Intellekt nicht ankommt, dann hat die Diskussion nicht etwa den Erkenntnisprozess bereichert, nein dann hofft man das nächste Mal auf sensiblere Diskussionsgegner oder ruft, sofern möglich, zum Shitsturm auf. In den letzten Jahrzehnten hat ein gewaltiger Kulturwechsel stattgefunden. Anstatt gegenzusteuern haben sich die sogenannten Intellektuellen darüber belustigt. Inzwischen ist die Situation soweit aus dem Ruder gelaufen, dass Massenbewegungen im Internet auch die verunsicherten Eliten verschrecken.

  • Es sind private Plattformen.



    Jetzt kann der Unterschied zwischen öffentlichem Raum und privater Umgebung leicht besichtigt werden.



    Das macht die Kritik wohlfeil.



    Im Privaten kann der Eigentümer entscheiden, welche Gäste er zulässt und welche nicht. Und zwar fast beliebig! Das scheint aus dem Bewusstsein entfleucht zu sein, nur weil es mehr 1 Mrd. Gäste sind.



    Meinungsfreiheit gibt es nur im öffentlichen Raum - brauchen wir einen öff. Messenger zur Grundversorgung ?

  • Man sollte nicht zur sehr auf das Wort "Zensur" hereinfallen. Es gibt sber keinen wirklichen Konflikz. Zensur gibt es und muss es geben, Grenzen der Meinungsäußerungs- Freiheit müssen definiert und auch durchgesetzt werden. Das ist permanente harte Arbeit, die von Staat und Gesellschaft geleistet werden muss. Selbst so etwas wie die Holocaust- Leugnung ist ja in den USA nicht verboten, wie soll man da zu vernünftigen anderen Kriterien kommen?

  • Man muss in diesem Zusammenhang darüber berichten, dass vor der Sperrung alle Daten durch irgendwelche Hacker abgesaugt wurden. Diese Daten schließen Ausweise mit ein (wahrscheinl. überwiegend gescannte US Führerscheine) weil das von den Deppen gefordert aber nicht abgesichert wurde. Die "konservativen Revolutionäre" müssen sich erst noch daran gewöhnen wie es sich anfühlt wenn man wirklich verfolgt wird.