Demokratische Republik Kongo: Der gewonnene Krieg gegen Ebola
Ebola ist weitaus tödlicher als Covid-19. Aber trotz Armut und Konflikten hat die Demokratische Republik Kongo 2020 zwei Ebola-Epidemien besiegt.
Ebola – benannt nach dem Fluss im Kongo, wo das Virus 1976 zuerst identifiziert wurde – ist ein Beiprodukt der Moderne und des Vordringens menschlicher Siedlungen in bisher unberührte Waldgebiete. Das Virus springt von tierischen Trägern wie Affen oder Flughunden auf den Menschen über, mutmaßlich bei Kontakt mit Ausscheidungen, und wird von Mensch zu Mensch durch infizierte Körperflüssigkeiten übertragen. Für Ebola-infizierte ist die Wahrscheinlichkeit zu sterben viel höher als für Covid-19-Infizierte. Die 2.287 Toten im Ostkongo waren das Ergebnis von nur 3.324 bekannt gewordenen Infektionsfällen. Die größte Ebola-Epidemie der Weltgeschichte – von Ende 2013 bis Mitte 2016 erst in Guinea, dann in Liberia und Sierra Leone – tötete 11.325 Menschen, bei rund 28.600 Fällen.
Doch obwohl die betroffenen Regionen sämtlich zu den ärmsten der Welt gehören, wo es kaum ein Gesundheitswesen gibt, sind afrikanische Mediziner sich mittlerweile sicher, Ebola im Griff zu haben. In Guinea wurden Impfstoffe entwickelt, die später im Kongo so effektiv waren, dass sie noch vor der formalen Zulassung aus humanitären Gründen zum Einsatz kamen. Aus den vielen Seuchenausbrüchen im Kongo, in Uganda und in Westafrika sind Behandlungsmethoden entwickelt worden, die das Sterberisiko deutlich reduzieren. Trotz vieler Befürchtungen konnten alle Ebola-Epidemien Afrikas eingedämmt werden, bevor sie sich in Millionenstädten einnisten und Zehntausende dahinraffen konnten.
Das Grundrezept der Ebolabekämpfung besteht in überperfekten Schutzmaßnahmen und geradezu rabiater Kontaktverfolgung und Isolation. Und das Geheimnis des Erfolgs besteht darin, dass die Menschen aus eigener Überzeugung mitmachen. Je besser das gelingt, desto weniger müssen Zwangsmaßnahmen mit Kriegsrechtsmitteln durchgesetzt werden: totale Ausgangssperren, Desinfektion sämtlicher Räume, Kontaktsperren, Bewegungsverbote, Feuerbestattung ohne Zeugen. Solche autoritären Schritte, in Westafrika noch Standard, traten im Kongo in den Hintergrund – wohl auch, weil das Seuchengebiet Kriegsgebiet war und der Staat in der Defensive. Wichtiger war gesellschaftlich getragene Aufklärung über Selbsthilfegruppen, Radiosender und Kirchen, damit auch Frauen und Kinder die Hygieneregeln in die Familien tragen, sowie zielgenaues Unterbrechen der Infektionsketten: Kontaktpersonen von Erkrankten wurden aufgesucht und geimpft, insgesamt knapp 370.000.
Wissenschaft und Solidarität – diese Kombination sei der Schlüssel zum Erfolg gewesen, sagten Mediziner hinterher. Ihre bei der Arbeit ständig zu tragende – und kaum zu ertragende – Ganzkörperschutzkleidung, äußerlich einer Mondlandung angemessener als geeignet für das tropische Afrika, ist nicht nur Schutz, sondern auch Signal an die Bevölkerung, wie ernst die Lage ist. Aber sie ist kein Selbstzweck. Sinnlose Machtdemonstrationen durchschauen die Kongolesen schnell. Aber sichtbare Erfolge werden honoriert. Die Differenz zwischen 90 und „nur“ noch 40 Prozent Sterberate bedeutet nicht nur mehr gerettete Leben, sondern weist auch auf die Einsicht der Menschen hin, dass es lohnt, das Richtige zu tun.
Hilfsgelder flossen in Kongos Ebolabekämpfung, nach UN-Angaben „mehrere Hundert Millionen US-Dollar“ – manche davon versickerten spurlos. Am Ende aber haben kongolesische, nicht europäische Ärzte und Freiwillige Ebola im Kongo besiegt, und nur sie konnten es tun. Gemessen an dieser Leistung und dem, was die Menschen dabei auf sich nahmen, sind die Erfordernisse des Schutzes gegen Covid-19 geradezu ein Kinderspiel.
Vielleicht steckt darin ein Rezept über die Seuchenbekämpfung hinaus. Wer Ebola und dann Covid-19 in Schach hält, kann auch andere Probleme lösen – diese Idee beginnt in Afrika um sich zu greifen. Könnte man sich nicht auch gegen Cholera und Malaria effektiv organisieren? Sind nur vor Hygieneregeln alle gleich oder auch vor dem Gesetz, der Verfassung? Müssten Priester und Politiker nicht vernünftige Dinge predigen statt Quatsch? Wenn man sich schon einmal befreit hat...
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen