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Höhere Preise im NahverkehrDas falsche Signal

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Die Last durch die Coronapandemie sollten Verkehrsunternehmen nicht auf ihre verbliebenen KundInnen abladen. Besser wären neue Tarifmodelle.

Keine neuen Autobahnen bauen, stattdessen einen kostenlosen ÖPNV anbieten Foto: Westend61/imago

V iele Verkehrsunternehmen werden bald die Preise anheben – oder haben es schon getan. Das ist genau das falsche Signal: Nun muss es darum gehen, Fahrgäste zurückzuholen. Soll die Coronakrise die Verkehrswende nicht auf Dauer blockieren, dürfen die Betreiber nichts tun, was potenzielle Fahrgäste weiter abschreckt. Erstaunlich: Im schwarz-gelb regierten NRW haben einige der in öffentlichem Auftrag fahrenden Verkehrsbetriebe das verstanden, im rot-rot-grünen Berlin nicht.

In der Coronakrise hat der ÖPNV massenhaft KundInnen verloren. Kein Wunder: Auch wenn weniger Menschen Bus und Bahn genommen haben, drängen sich in den Stoßzeiten die Fahrgäste dicht nebeneinander. Zwar gibt es keine belastbaren Studien zum Infektionsrisiko im öffentlichen Personennahverkehr. Aber dass hier keine Gefahren lauern, ist nicht plausibel – auch wenn ManagerInnen und PolitikerInnen mantrahaft das Gegenteil behaupten.

Dass Fahrgäste zurzeit Busse und Bahnen meiden, ist nachvollziehbar. Auch jene, die Autos nicht schätzen, sind auf den Pkw umgestiegen. Aber das Ansteckungsrisiko wird in den kommenden Monaten mit zunehmender Impfdichte abnehmen. Dann besteht für die Verkehrsunternehmen die Chance, die UmsteigerInnen zurückzugewinnen. Diese Chance sollten sie schon wegen der Klimabelastung durch den Autoverkehr nutzen.

Auch wenn die finanzielle Lage der Verkehrsunternehmen in der Pandemie prekär ist: Diese Last sollten sie nicht auf die verbliebenen KundInnen verteilen, denn dann bleiben die auch noch aus. Kommunen, Länder und der Bund sind gefragt, die notwendigen Mittel bereitzustellen. Neue Tarifmodelle, wie sie teilweise für PendlerInnen angeboten werden, die auch im Homeoffice arbeiten, sind gut. Aber besser ist ein wirklich günstiger öffentlicher Nahverkehr für alle, möglichst ein kostenloser. Die dafür erforderlichen Milliarden sind aufbringbar, etwa wenn der Staat auf den Bau weiterer Autobahnen verzichtet.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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10 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    ÖPNV kostet jeden Monat. Der Bau einer Autobahn ist eine Einzelinvestition. Egal. Der Vorschlag klingt toll.

    • @80576 (Profil gelöscht):

      Nicht ganz. Auch Autobahnen bedürfen der Instandhaltung. Allerdings generiert der Straßenverkehr dem Herrn Finanzminister ein Vielfaches an Steuergeldern, als er in diesen investiert. Für ihn ist der Straßenverkehr eine gewaltige, nahezu unerschöpfliche Goldgrube, mit der auch der ÖV massiv subventioniert wird.

  • Umweltschutz und Klimakatastrophe sind offenbar wurschtegal!

  • Ja, Preiserhöhungen sind ein falsches Signal.



    Dennoch frage ich mich bei Erklärungen wie: "Auch jene, die Autos nicht schätzen, sind auf den Pkw umgestiegen." wie das gehen soll. Handelt es sich dabei um Leute die bisher ÖPNV nutzten und ein Auto ungenutzt in der Garage stehen hatten? Das würde immerhin erklären warum in anderen Kommentaren hier die Preise von Bus- und Park-Ticket gegeneinander abgewogen werden. Dabei sollte man aber nicht übersehen, dass der Unterhalt eines Autos unter Berücksichtigung aller Faktoren wie Versicherung, Inspektionen, Reparaturen, Wertverlust, Sprit, ... mit 200-400€/mtl. zu Buche schlägt. Demgegenüber dürften auch die erhöhten Fahrkartenpreise noch deutlich günstiger sein. Es scheint also häufig nicht vorrangig ums Geld, sondern um die Bequemlichkeit zu gehen.

  • Durch Fahrkostenerhöhung werden die Fahrgastzahlen weiter zurückgehen. Die vermutete Abhängigkeit der Nutzer ist geringer geworden. Die öffentliche Verwaltung hat dies aufgrund der existierenden Kompetenz und des grossen Einfluss der Politik leider noch nicht begriffen.

  • 1.)die coronaviruspandemiebedingten mindereinnahmen der kommunalen verkehrsbetriebe sollten durch transfers aus dem bundeshaushalt kompensiert werden

    2)strassenbahnen und busse sollten mit luftaustauschanlagen ausgestattet werden die das infektionsrisiko minimieren.



    das wird auch die wahrscheinlichkeit der weiterverbreitung von harmlosen infektionen minimieren

    der schutz der gesundheit der fahrgäste gehört zu den kernaufgaben der kommunalen verkehrsbetriebe

    3.generell sollten die kommunalen verkehrsbetriebe überwiegend durch eine sozial gerechte einwohner*innensteuer finanziert werden und nicht durch den verkauf von fahrkarten



    nur tourist*innen sollen fahrkarten kaufen müssen .diese können in die hotelbuchung integriert werden

  • Ein kostenloser ÖV ist absolut kontraproduktiv. Es ist hinlänglich bekannt, dass die zusätzlichen Fahrgäste vor Allem ehemalige Fußgänger und Radfahrer sein werden (stimmt auch mit meiner Erfahrung überein). Zudem muss irgendjemand für dir Betriebskosten aufkommen, beim "kostenlosen" ÖV sind das die Steuerzahler, also inklusive derjenigen, die nichts von ihm haben (z. B. Fußgänger). Dann kommt noch hinzu, dass es für die Verkehrsbetriebe keinen Anreiz gibt, effizient zu arbeiten. Bleiben die Fahrgäste weg, weil die Qualität zu schlecht ist: zahlt der Steuerzahler. Ist er hoffnungslos überdimensioniert: zahlt der Steuerzahler. Die Autofahrer in meinem Bekanntenkreis (inklusive mir) fahren nicht aus Kostengründen nicht mit dem ÖV, sondern weil die Qualität zu schlecht ist (Fahrtzeit, Unzuverlässigkeit, Überfüllung, ...).

    • @Luftfahrer:

      nun ja, auch bei jetztigen hohen Preisen (weit entfernt von kostenlos) sind die Effizienzbemühungen der ÖPNV-unternehmen höchstens BWLerisch inspiriert, zu wenig Gäste -> Linie streichen, zu wenig Gäste -> Preise rauf



      Quasi jedes Problem wird mit Kürzungen beantwortet, der wirtschaftl. Effizienz wegen.



      Wäre Tesla die Sache so angegangen, hätten sie nie ein Auto verkauft.



      Was in dieser BWL Weltsicht überhaupt nicht vorkommt, ist das Produkte sich einen eigen Markt schaffen können und eben nicht Qualität das ausschlaggebende Merkmal von Erfolg ist, sondern noch viel wichter: Masse.



      Wenn es erstmal einfacher und schneller ist mit dem Bus in die Innenstadt zu kommen, als mit dem Auto auf Pakplatzsuche zu sein, dann wird das Angebot auch angenommen werden, egal wie modern und qualitativ hochwertig der ÖPNV ist.



      Wen`s interessiert kann ja mal zum Radverkehr in Kopenhagen lesen, der ist nicht so massiv, weil die Dänen umweltbewußter sind, sondern, weil es einfacher und schneller ist mit dem Rad zu fahren. Und das fiel nicht vom Himmel, das wurde von der Stadt forciert. Das Gejammer der Ladenbesitzer am Anfang braucht sich nicht hinter dt Lobbygruppen zu verstecken...

  • "Verkehrsunternehmen" klingt nach Privatwirtschaft, Unternehmertum und Marktliberalität.

    Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es sich im Grunde um die Verkehrsbetriebe der Städte und Gemeinden handelt.

    Also letztlich um öffentliche Inftrastruktur !

    Ich würde mal die Hypothese aufstellen, dass niemand freiwillig und ohne guten Grund diese Verkehrsmittel nutzt.



    Die Nutzer fahren idR zur Arbeit, Schule und Behörden. Nehmen Amtstermine wahr usw.

    Und anstatt dass man die Attraktivität verbessert hebt man die Preise an.

    Und weil ein Busticket in vielen Städten schon jetzt mehr kostet wie die Anfahrt im Pkw, gängelt man die Leute gekonnt und geschickt Richtung ÖNPV.



    Nur eines bleibt auf der Strecke: Die Innenstädte.

    Ich denke eingängigstes Beispiel für die Beliebtheit des ÖNPV sind die ständig als "Helikoptereltern" verunglimpften Eltern, die ihre Kinder lieber mit dem eigenen Wagen zur Schule bringen.



    Wer nur einmal das Gedränge in den Bussen beobachtet hat kann das nachvollziehen denn häufig genug endet das Gerangel in kaputten Jacken, vermackelten Tornistern und nicht selten auch mit dem einen oder anderen blauen Fleck.

  • Höhere Fahrpreise bedeutet, dass sich mehr Leute nach Alternativen umschauen werden. Wenn das Parkhaus billiger ist als der Fahrschein, weshalb sollte man dann das Auto stehen lassen und mit den Öffentlichen fahren? Als es npch möglich war, innerhalb von zwei Stunden hin- und zurück zu fahren, habe ich öfter mal die BVG benutzt. Jetzt ist mir das zu teuer, wenn ich nur irgendwo schnell etwas abholen möchte. Für mich ist jetzt das Fahrrad die Fortbewegung der Wahl, nicht bei jedem Wetter bequem aber wirtschaftlicher ...