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Cem Özdemir über Graue Wölfe„Dieses Verbot ist überfällig“

Der Bundestag will, dass die türkischen Rechts­extremisten Graue Wölfe verboten werden. Cem Özdemir von den Grünen hätte den Antrag gern klarer formuliert.

Der Wolfsgruß: Zeichen der türkischen rechtsextremistischen Graue Wölfe Foto: Lars Berg/imago
Sabine am Orde
Interview von Sabine am Orde

taz: Herr Özdemir, Sie haben sich im Bundestag für einen fraktionsübergreifenden Antrag zu den Grauen Wölfen starkgemacht. Der Innenminister soll ein Verbot der türkischen Rechtsextremisten prüfen, wie in Frankreich. Warum jetzt?

Cem Özdemir: Dieses Verbot ist überfällig, aber jetzt gibt es ein Zeitfenster für eine Mehrheit. Der letzte Anlass waren die Bilder aus Lyon, wo das Mahnmal für die Opfer des Völkermords an den Armeniern und anderer christlicher Völker durch die Grauen Wölfe geschändet wurde. Diese Bewegung ist auch in Deutschland aktiv, sie versucht Menschen einzuschüchtern, die eine andere Meinung haben. Zudem gibt es ein Glaubwürdigkeitsproblem. Wir haben in Deutschland die PKK verboten, aber diese Bewegung nicht – wohl aus Rücksichtnahme auf die türkische Regierung.

Was macht die Gefahr der Grauen Wölfe aus?

Es ist eine ultranationalistische, rassistische und gewalttätige Bewegung mit antisemitischer Ideologie. In der Türkei ist sie für Hunderte Morde verantwortlich – an Linken, an Kurden, an Aleviten, an Andersdenkenden.

Wie sind die Grauen Wölfe in Deutschland aufgestellt?

Es gibt mehrere Dachverbände mit Hunderten lokalen Organisationen. Manche Quellen gehen von mindestens 18.500 Mitgliedern allein der größten drei Dachverbände aus, damit wären die Grauen Wölfe die stärkste rechtsextreme Organisation hierzulande. Auch in Deutschland kämpfen sie für die Idee des Panturkismus, also eines Reiches der Turkvölker vom westlichen China bis zum Balkan. Und dabei stören die anderen. Was stören bedeutet, konnte man 1915 am Schicksal der Armenier sehen.

Welchen Einfluss haben die Grauen Wölfe auf die AKP, die Partei des türkischen Präsidenten Erdoğan?

Tim Brakemeier/dpa
Im Interview: Cem Özdemir

54, ist Bundestags­abgeordneter und Mitglied der Grünen. Von 2008 bis 2018 war er Bundes­vorsitzender seiner Partei.

Sie sind mit der MHP de facto eine Art Koalitionspartner in der Türkei und die eigentliche Macht im Staate. Denn Erdoğan kann sich nur noch an der Macht halten, weil er einen Pakt eingegangen ist mit dem türkischen Ultranationalismus. Das geht so weit, dass er und Leute aus der AKP-Spitze immer häufiger mit dem Wolfsgruß gesichtet werden, selbst in Deutschland. Das ist ein sehr klares Signal, dass die extreme Form des Nationalismus bis in die Spitze des türkischen Staates Unterstützung findet. Das war auch eines der Probleme bei der Erstellung des gemeinsamen Antrags im Bundestag.

Inwiefern?

Der Auftrag an die Bundesregierung hinsichtlich der Grauen Wölfe ist deutlich formuliert. Aber Sie können sich vorstellen, dass ich die Verbindungen der Grauen Wölfe zur türkischen Regierung gerne klarer benannt hätte. Warum das nicht möglich war, müssen Sie die SPD-Fraktion fragen.

Es gibt immer wieder Berichte, zuletzt bei den Kommunalwahlen in NRW, dass Anhänger der Grauen Wölfe versuchen, Einfluss zum Beispiel auf die CDU zu nehmen. Gehört das zur Strategie?

Ja, alle Parteien haben sicher mal Mitglieder aus diesem Bereich gehabt. In meiner Zeit als Bundesvorsitzender habe ich versucht, da bei uns massiv Druck zu machen, um diese Einflussnahme zu verhindern. Bei den Kommunalwahlen in NRW gab es einige krasse Fälle bei der CDU, zum Beispiel einen vermeintlichen Anhänger der Grauen Wölfe in Duisburg und einen Erdoğan-Lobbyisten und Leugner des Genozids an den Armeniern in Gelsenkirchen.

Sind Sie selbst von den Grauen Wölfen schon bedroht worden?

Es gab bereits die eine oder andere Begegnung mit Anhängern dieser Bewegung. Es gibt schon Gründe, warum ich bei Veranstaltungen, und wenn ich unterwegs bin, durch das Bundeskriminalamt geschützt werde.

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6 Kommentare

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  • Faşizme karşı omuz omuza!

  • Endlich mal wieder der gute Özdemir. Sehr gut! Patrick Pelloux, der für Charlie Hebdo arbeitet, lange traumatisiert vom blutigen Anachlag 2015, sagte: Wir befinden uns im Krieg. Recht muß ich ihm geben, leider.

  • Respekt vor Ihrem Mut und gesunder Sicht der Realität, Herr Özdemir!

    Gefährlich sich gegen die Grauen Wölfe auszusprechen. Trauen sich nur wenige. Einer mehr auf der langen Liste, die unter Polizeischutz stehen müssen, weil sie klare Worte gegen den Islamismus finden.

    Ein Pluspunkt für die Grünen, die in dieser Hinsicht ja eher auf beiden Augen blind sind.

    Tja, und die SPD-Fraktion? Wen wundert's, dass sich diese da quer stellt?

    Bestens vernetzt.

  • Eigentlich warte ich schon Jahrzehnte darauf, das die „Grauen Wölfe“ stärker ins Visier genommen werden.

  • Na Servus

    Klar. „Herr Oberleutnant? Özdemir reicht“ *



    “Jawollja & Stehen’s bequem!“ - 👨‍🚀 - But.



    Finde den Antrag ebenfalls überfällig.



    &



    Daß die SPezialDemkraten lieber dann doch!



    Den Langen nicht zu nahe treten wollen¿!



    Wen wunderts.

    unterm—— * “Zeitfenster“ - sind halt viele — 🎅🏻 -



    taz.de/Gruene-und-Bundeswehr/!5601987/



    &



    Danke fürs Fotto - 54 Johr & türkisch Altmännerfarve!



    Wat höbt wi lacht! Back to the roots - 🤫 -

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Erinnert mich an eine Szene die ich in Berlin erlebte da saß eine Gruppe junger Leute saß in einem Kebabladen und einer hatte eine Antifa-Sticker auf seiner Tasche, auch sonst wirkten sie eher links eingestellt, während im Dönerladen eine Fahne der grauen Wölfe an der Wand hing.