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Deutsche Investitionen im KongoEine milliardenschwere Eisenbahn

Der Leipziger Unternehmer Gernot Wagner will in der Demokratischen Republik Kongo ein neues Bahnnetz bauen. Wie realistisch ist das Projekt?

Da geht noch was: Vorortzug in Kinshasa Foto: Goran Tomasevic / reuters

Brüssel taz | Erst machte der Leipziger Unternehmer Gernot Wagner in der Demokratischen Republik Kongo mit Plänen von sich reden, mit seiner Firma Evagor den seit Langem geplanten Staudamm Inga III am Kongo-Fluss endlich zu bauen – zwecks Gewinnung von Wasserstoff zum Export nach Deutschland.

Seit diese Idee auf verbreitete Kritik stieß, weil sie den Strombedarf der Kongolesen ignoriert, hat er sich einem anderen Projekt zugewandt: der Modernisierung und dem Ausbau des völlig maroden kongolesischen Eisenbahnnetzes.

Am 22. Oktober unterzeichnete Wagner mit Kongos Regierung eine Vereinbarung über den Bau von 10.000 Kilometer moderner Eisenbahnlinien im Kongo für 25 Milliarden US-Dollar.

Kongo zählt mehrere untereinander nicht verbundene Eisenbahnstrecken aus der Kolonialzeit, die damals vor allem angelegt wurden, um Rohstoffe aus den Minen heraus durch ansonsten unwegsame Urwaldregionen bis an schiffbare Häfen am Kongo-Fluss zu bringen. Sie sind heute weitgehend verfallen, sofern sie überhaupt noch existieren. Derweil sind die verschiedenen Landesteile nur noch auf dem Luftweg miteinander verbunden.

Die neuen Bahnstrecken sollen alle 26 Provinzen des riesigen Landes vernetzen. Vorgestellt wurde die Idee bereits beim Deutschlandbesuch des kongolesischen Präsidenten Félix Tshisekedi im November 2019.

Es wäre die größte ausländische Investition in Kongos Geschichte – 25 Milliarden US-Dollar sind die Hälfte des kongolesischen BIP.

„Riesige Lieferpotentiale“

Wagner hat dafür Unterstützer mobilisiert, so die Mittelstandsallianz Afrika (MAA) des deutschen Bundesverbands Mittelständische Wirtschaft (BVMW). Die MAA spricht von einem „wegweisenden Integrationsprojekt“, das dem Umweltschutz, der sozialen Entwicklung, der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Errichtung von Infrastruktur diene, und führt aus: „Das Eisenbahnprojekt in der DR Kongo (…) bietet für die Mitgliedsfirmen des BVMW und des europäischen Unternehmerverbandes riesige Lieferpotentiale.“

Wagners Firma habe das Projekt seit 2011 mit Partnern entwickelt, so die MAA. Es bestehe aus sechs „Korridoren“ sowie weiteren Strecken. „Der erste Korridor wird von der Grenze zwischen Angola und der Demokratischen Republik Kongo nach Lubumbashi und dann weiter nach Sakania zur Grenze nach Sambia führen. Der zweite Korridor mit 780 Kilometer wird die Hauptstadt Kinshasa mit der Region Bas-Congo und der Küste und dem neuen Tiefseehafen in Banana verbinden. Ein dritter Korridor wird vom Zentralkongo eine Verbindung in den Osten des Landes in die Region Kasai schaffen.“

Die Zielmarken sind ehrgeizig: „Innerhalb von 4 bis 5 Jahren werden die ersten beiden Korridore mit jeweils rund 1.000 Kilometern gebaut, um schrittweise bis auf 10.000 Kilometer ausgebaut zu werden. Dabei muss nicht nur die Gleise, Signal-, Sicherheits- und Kommunikationstechnik geliefert werden, sondern auch eine Vielzahl an Waren, Maschinen und Ausrüstungen“.

Kongos Regierung hat ihrerseits am 16. Oktober ein Konzessionsverfahren für die drei kongolesischen Staatsunternehmen beschlossen, die die Eisenbahnen und Häfen des Landes verwalten: die Société commerciale des transports et des ports (SCTP), die im Kongo unter ihrem früheren Namen „Nationale Transportbehörde“ (Onatra) als völlig ineffektiv bekannt ist; die Société nationale des chemins de fer du Congo (SNCC), deren langjähriger Chef Sylvestre Ilunga seit 2019 Premierminister ist, und die Chemins de fer des Uélé (SCF) als Betreiber einer nur noch auf dem Papier existierenden Schmalspurbahn im Nordosten des Landes.

Die Konzessionspartner sollen die Finanzierung, den Bau und die Nutzung neuer Linien und damit zusammenhängender Projekte gewährleisten. Dies steht unter dem Vorbehalt, dass die Vereinbarung mit Wagner tatsächlich fristgemäß umgesetzt wird.

Zweifel sind angebracht

Daran sind Zweifel angebracht. Auf deutscher Seite soll das Projekt von Wagners im Schweizer Kanton Zug ansässiger Congo Railway Development AG getragen werden. Das Eigenkapital dieses Unternehmens erscheint mit 200.000 Franken (185.000 Euro) relativ klein.

In ihrem Verwaltungsrat sitzen keineswegs Eisenbahnspezialisten, sondern neben Wagner die Leipziger Unternehmer Bruno Gerber, Gründer der Wassermühle Immobilien Gmbh, und Sven Asmus, Manager des Golf & Country Club Leipzig.

Von einem Engagement großer Banken oder spezialisierter Firmen ist nichts bekannt. Vielmehr ähnelt das Projekt anderen Kongo-Großprojekten, die nie realisiert wurden.

Vor einem Jahr vereinbarte Kongos Verkehrsminister Didier Mazenga beim Russland-Afrika-Gipfel in Sotschi mit der russischen Eisenbahngesellschaft RŽD die Renovierung der bestehenden 5.000 Kilometer Eisenbahn im Kongo für 500 Millionen US-Dollar. Heute spricht davon in Kinshasa kein Mensch mehr.

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