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„Tatort“ ohne AutorinnenDie 6-Prozent-Hürde

Nach 50 Jahren schreiben beim „Tatort“ immer noch vor allem Männer die Drehbücher. Dabei täte Innovation beim Erzählen allen Beteiligten gut.

Weil der „Tatort“ DER deutsche Krimi ist, wird Geschlechtergerechtigkeit immer wieder abgefragt Foto: imago stock&people

Der „Tatort“ ist gerade 50 geworden und die populärste Krimireihe im deutschen Fernsehen. Vergangenes Jahr schauten im Schnitt neun Millionen Zu­schauer:innen die Sonntags-Krimis im Ersten. Und weil der „Tatort“ eben „der“ deutsche Krimi ist, wird Geschlechtergerechtigkeit immer wieder abgefragt. Wie sieht es mit den Kommissarinnen aus? Welche weiblichen Figuren werden erzählt? Und wie? Entscheidend kann hierbei sein: Wer die Drehbücher schreibt.

Nur etwa 6 Prozent der „Tatorte“ wurden 2018 von Frauen geschrieben, gibt die ARD an. Im Vergleich: Deutschlandweit werden 23 Prozent der Drehbücher von Autorinnen verfasst, hat ProQuote Film noch 2015 aus Zahlen der Filmförderungsanstalt erhoben.

Drehbuchautorin Meike Hauck sieht beim „Tatort“ eine gewisse Risikoaversion, die Drehbuchautorinnen strukturell benachteilige. Hauck hat 2011 den Leipzig-„Tatort“ „Rendezvous mit dem Tod“ geschrieben und gehört zu einer Initiative von Autorinnen, die Geschlechtergerechtigkeit beim Drehbuch fordert. Gerade weil der „Tatort“ so erfolgreich sei, sagt Hauck, werde auf etablierte Autoren zurückgegriffen. „Es gibt ein großes Bedürfnis nach Sicherheit. Wer diese Sicherheit verkauft, der bekommt den Drehbuchauftrag.“

Vor zwei Jahren gingen die „Tatort“-Drehbuchautor:innen deswegen in die Offensive, mit einem Brandbrief an die ARD-Programmdirektion. 83 Auto­r:in­nen forderten darin eine Drehbuch-Quote von 50/50. Kreativität lasse sich nicht quotieren, hieß es daraufhin in der Antwortmail.

Das Publikum konfrontieren

Ende 2019 verfasste die Initiative deshalb einen zweiten Brief. Wie mit den Forderungen umgegangen wird, liegt allerdings in der Verantwortung der einzelnen Landesrundfunkanstalten. Der NDR hat Mitte März Drehbuchautorinnen zu einem Workshop eingeladen, um sich zu dem Thema auszutauschen. Mehr als 150 Autorinnen hatten sich angemeldet, das Treffen musste dann pandemiebedingt ausfallen, der Workshop soll nachgeholt werden.

Meike Hauck ist besorgt, dass das bisschen Offenheit für ihre Forderungen nun wieder verschwindet. „In solchen Zeiten fällt man schnell wieder auf das zurück, was vermeintlich schon immer funktioniert hat“, sagt sie. Es werde zu sehr auf „imaginäre Erfolgsquoten“ geschaut, echte Innovation könne so nicht stattfinden. Auch werde zu sehr darauf geachtet, möglichst viele Interessen zu vertreten. „Ich glaube, dass man Zu­schau­er:innen fordern und mit Dingen konfrontieren muss, die sie nicht kennen oder nicht gewohnt sind.“

Petra Lüschow, Regisseurin, Autorin und ebenfalls Unterstützerin der Initiative, lehrt seit über 20 Jahren an Filmhochschulen. Sie sieht Frauen und Männer seit Langem gleichauf. „Es ist logisch nicht möglich, dass es so viel mehr qualitativ gute Männer gibt als Frauen“. Zunächst sei sie selbst gegen eine Quote bei der Verteilung von Drehbuchaufträgen gewesen, mittlerweile ist sie dafür. Frauen werde immer noch weniger zugetraut als Männern. Nicht selten seien Frauen mit ihren Debüts sogar erfolgreicher, haben hinterher aber am Markt trotzdem weniger Chancen. „In dem Moment, wo es plötzlich um hohe Budgets geht, greifen alte Vorurteile.“

Mehr Vielfalt bei den Dreh­buch­autor:innen würde, so argumentiert die Initiative, auch zu mehr Innovation in den Erzählungen führen. Meike Hauck sieht da etwa das Problem, dass der „Tatort“ fast immer aus der Ermittlerperspektive erzählt wird. So könne er die wirklich interessanten Fragen nicht beantworten. Es werde nicht erzählt, wie es den Opfern geht, sondern lediglich die Frage beantwortet, wer den Mord begangen habe. Warum, das kläre sich meist erst in den letzten fünf Minuten am Schluss. Für Hauck sind aber die interessanten Geschichten die über das „Böse in uns“.

Und neben dem inhaltlichen, künstlerischen Argument ist da noch das wirtschaftliche: Der „Tatort“ ist einer der bestbezahlten Programmplätze der ARD. Dass es weniger weibliche Drehbuchautorinnen beim „Tatort“ gibt, führt daher nach Ansicht der Initiative auch zu einem Gender Pay Gap in der Branche.

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8 Kommentare

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  • Für die Vergabe von Drehbuchaufträgen sind folgende Tatort-Redakterinnen zuständig:



    Stephanie Heckner, BR



    Nina Klamroth, WDR



    Brigitte Dithard, SWR



    Daniela Musgiller, NDR



    Annette Strelow, Radio Bremen



    Meike Götz, MDR



    Josephine Schröder-Zebralla, RBB

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Was würde das TV ohne Tatort machen?



    Man sehe sich mal das traurige Programm von heute an.



    Die bekommen doch jede Menge Kohle über die Zwangsabgabe.



    Was ist da los?

  • Ich erzähle meinen Mandanten gerne, dass der Tatortwahn mit dem deutschen Rundfunkstaatsvertrag zu tun habe, der pro Woche leider fünf Krimis vorschreibe. Bei denen, die es glauben, löst es wahlweise erleichterten Aufatmen aus, weil man schon am Verstand der Programmdirektor zweifeln musste, oder aber lang aufgestanden Hass auf "die da oben", die uns mit so einem Nonsens mental klein halten wollen. Ich glaube als Resümee also, weibliche Drehbuchautor sind nicht so das Problem.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Der gestrige Tatort war Spitzenklasse.



    Wen wundert´s - Regisseur war Dominik Graf.

  • 1G
    15833 (Profil gelöscht)

    Die Innovation kommen wenn Frauen die Geschichten schreiben, aha....

    Tatort ist nicht mehr das was es sein sollte, der seichte krimi am Sonntag abend, nein man versucht da eine arthaus Produktion raus zu machen und das klappt nicht

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Naja, also der Goldene Tatort gestern war zumindest mal nix. Nach einer dreiviertel Stunde dahinplätschernder Langeweile, angefüllt mit Pizzabäckerklischees und zermürbender Lesearbeit, habe ich abgeschaltet. Der nächste Sonntag ist folgerichtig auch tatort frei.

  • "Tatort" und Innovation? Das ist ein Widerspruch in sich. Man schaue sich doch nur die nach fast 30 Jahren 'im Dienst' ergrauten Münchner „Batic und Leitmayr“ an. "Tatort"-Kommissare werden - in Bayern und anderswo - nicht nur als unkündbar, sondern schon als sakrosankt betrachtet. Wären Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl Beamte, könnten die Zuschauer auf das Erreichen der Altersgrenze hoffen, die Nemec bereits überschritten hat.

    Die Gefahr der Vergreisung trifft nicht nur die Schauspieler. Nemec und Wachtveitl stehen nur stellvertretend für Senderveranwortliche, Redaktionsstäbe, Produktionsfirmen, Künstler-, Presse- und PR-Agenturen, Journalisten und Moderatoren diverser Talk-Formate die seit Jahrzehnten im Geschäft sind. Und es um nahezu jeden Preis auch bleiben wollen.

    Die Gleichberechtigung von Mann und Frau steht seit 1949 im Grundgesetz. Dort kann sie nach der Meinung Vieler auch stehenbleiben solange keine konkreten Handlungsanweisungen daraus abgeleitet werden.

  • "Für Hauck sind aber die interessanten Geschichten die über das „Böse in uns“."



    darum gehts aber nun mal nicht bei einem Tatort. Egal wer die Drehbücher schreibt, ist mir im Grunde einerlei, jedes Ermittlerteam hat die jeweiligen Eigenarten - und die sind zum Teil schon sehr ausgelutscht - hier darf gerne mal etwas anderesprobiert werden. Die Psychogeschichten, die einzelne Kommissare am laufen haben sind allerding nervig und bedürfen keine Vertiefung.

    " Kreativität lasse sich nicht quotieren, hieß es daraufhin in der Antwortmail." Auch das stimmt. Und um das klar zustellen, könnten sich die Sendeanstalten die Drehbücher ja anonymisiert zukommen lassen. Dann sehen wir am Sonntagabend ja, wer wann wo das Rennen gemacht hat.