Mockumentary „How to Tatort“: Modern, frech, originell

Mockumentary als Appetitanreger: Radio Bremen hat ein trügerisches Making-of produziert, weil dort demnächst ein neues Tatort-Team an den Start geht.

Zwei Frauen und ein Mann sitzen an einem Tisch und reden und werden dabei gefilmt.

Erstes Treffen: Die neuen ErmittlerInnen Luise Wolfram, Jasna Fritzi Bauer und Dar Salim (v. l.) Foto: Daniel Milz/Radio Bremen

„Beim Tatort sind wir eine große liebevolle Familie. Außer den Idioten aus Münster. 14,5 Millionen – und wofür? Für ’ne schlechte Story und ’n paar müde Gags.“ Das sitzt! Und gesagt hat es dann auch Anna Schudt, beliebte Hauptkommissarin beim WDR-Tatort. Das muss Ärger geben. Aber halt: Sie hat es ja gar nicht so gemeint, sondern als Dialogtext gesprochen – in der Rolle der Tatort-Hauptkommissarinnen-Darstellerin Anna Schudt.

So kompliziert geht es nicht selten zu im Genre der Mockumentary, wörtlich zu übersetzen als „Spott-Dokumentation“. Normalerweise ist es so: Behauptet wird, ein Film dokumentiere die Realität. Tatsächlich aber folgt er in seiner ganzen vermeintlichen Authentizität einem Drehbuch, und die gezeigten Menschen sind Darsteller*innen – und manchmal stellen sie sich sogar selbst dar.

„This is Spinal Tap“ war 1984 zwar nicht das erste Beispiel, aber messen lassen müssen Mockumentarys sich an Rob Reiners Pseudo-Doku über die Comeback-Tournee einer fiktiven Heavy-Metal-Band, die alle Klischees übererfüllt. Hauptdarsteller Christopher Guest, der später als Regisseur weitere Exemplare drehte, war für Spiegel Online noch 2015 „der ungekrönte König der Gattung“.

„Borat“ ist ein jüngeres Beispiel für die komödiantische Spielart, die bei jungem Publikum sehr beliebt ist. Das ist wohl auch der Grund, warum Radio Bremen mit „How to Tatort“ nun so ein fingiertes Making-of produziert hat.

How to Tatort: sechs Episoden sind in der ARD-Mediathek abrufbar

Den Anlass bildet der Neustart des dort produzierten TV-Dauerbrenners mit dem Fadenkreuz-Vorspann. Gedreht wurde der erste Tatort mit den neuen Bremer Ermittler*innen – Jasna Fritzi Bauer, Luise Wolfram und Dar Salim – im Herbst, ausgestrahlt werden soll er im nächsten Frühsommer.

In der ersten Folge von „How to Tatort“ treffen die drei nun im Produktionsbüro von Radio Bremen zum ersten Mal aufeinander – und verfallen unverzüglich in Konkurrenzkämpfe. Mit Begeisterung stürzen sich aber auch die altgedienten Ermittler*innen Wolfram Koch, Meret Becker und eben Anna Schudt auf die Chance, zur Abwechslung durchgeknallte Karikaturen ihrer selbst zu verkörpern.

Das Publikum soll die neuen Gesichter des Bremer Tatorts kennenlernen, und das selbstironische Format ist dafür gut geeignet: Die sechs jeweils etwa zehn Minuten langen Episoden sind witzig und intelligent geschrieben und ganz nebenbei geben die Neuen dabei auch ihre Visitenkarten ab: Bauer kommt vom Theater, der Däne Salim hat in „Game of Thrones“ mitgespielt, und Wolfram spielte in früheren Bremer Tatorten schon eine BKA-Beamtin, ist also sozusagen befördert worden.

Aus alldem bastelt die vermeintliche Making-of-Serie Konflikte zwischen den Hauptdarsteller*innen. Ach ja: Wie im „richtigen“ Tatort üblich, wird obendrein vergiftet, geschossen und ein Auto gegen die Wand gefahren.

Wer einen auch nur halbwegs realistischen Blick hinter die Kulissen einer Fernsehkrimiproduktion erwartet, den dürfte „How to Tatort“ enttäuschen. Ganz spielerisch verhandelt die Serie dafür Themen wie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Genderpolitik oder auch den Realitätsgehalt von Fernsehkrimis. Es bleibt zu hoffen, dass die kommenden Tatorte aus Bremen auch so modern, frech und originell erzählt ausfallen.

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