piwik no script img

Gewalt gegen FrauenImpfen heißt, darüber zu sprechen

Patricia Hecht
Kommentar von Patricia Hecht

Gewalt gegen Frauen nimmt während Corona nochmal zu. Darüber zu sprechen darf kein Tabu mehr sein. Gewalt muss für die Täter schambesetzt sein.

Das Sprechen über Gewalt an Frauen darf kein Tabu mehr sein Foto: imago

G ewalt gegen Frauen“ ist ein Ausdruck, der distanziert bleibt. Dabei ist das, was er beschreibt, so grenzverletzend wie sonst kaum etwas. „Gewalt gegen Frauen“ beschreibt Schläge ins Gesicht und auf den Körper, mit Fäusten oder Aschenbechern, die den Schädel zertrümmern. Der Begriff beschreibt Knochenbrüche, Würgemale, Blutungen, er umfasst Schnitte und Schüsse. Er kommt Frauen so brutal nah, dass Sprache für die Erfahrungen, die damit verbunden sind, kaum ausreicht.

„Gewalt gegen Frauen“ ist ein Ausdruck, der zusammenschrumpft, worum es geht – doch der Bereich ist pandemisch. Es gibt Gewalt gegen Frauen, um sie zu kontrollieren, Genitalverstümmelungen, Femizide. Es gibt häusliche Gewalt, die schon durch die Bezeichnung als Privatsache gelabelt wird und die während Corona wohl gerade weltweit zunimmt. Es gibt digitale Gewalt wie das Verbreiten intimer Fotos. Und es gibt Gewalt wie Vergewaltigungen oder Stalking, die kaum zur Anzeige gebracht und noch viel weniger verurteilt werden, das Leben von Frauen aber massiv beeinflussen.

Gewalt gegen Frauen beginnt nicht erst, wenn einer zuschlägt. Was ihr vorausgeht, ist in einer Gesellschaft angelegt, in der die Frage, wer Macht hat und wer nicht, entlang von Geschlechtergrenzen beantwortet werden kann. Obwohl oder gerade weil das jahrhundertelang gewachsen ist, konnten sich erst die Delegierten der Pekinger Weltfrauenkonferenz 1995 darauf einigen, Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung zu verfolgen. Erst 2000 wurde sexualisierte Kriegsgewalt durch die Vereinten Nationen geächtet. Erst 2004 gab es in Deutschland die erste repräsentative Studie zu Gewalterfahrungen von Frauen. Erst 2014 wurde die erste und bisher einzige europaweite Studie dazu veröffentlicht. Ein Drittel der Frauen zwischen 15 und 74 Jahren gab an, körperliche oder sexualisierte Gewalt erfahren zu haben. Und erst seit 2014 gibt es die Istanbul-Konvention: das Übereinkommen des Europarats gegen Gewalt gegen Frauen, das Polen und die Türkei nun wieder aufkündigen wollen.

Internationaler Tag gegen Frauengewalt

Der Gedenktag

Der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen ist ein jährlicher Gedenk- und Aktionstag zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen. Thematisiert werden unter anderem sexueller Missbrauch, ­Vergewaltigung, weibliche Genitalverstümmelung, häusliche Gewalt, Femizide und Zwangsheirat.

Die Initiative

Was der Initiative Anlass gab, den Tag zu begehen, war der „Fall Mirabal“. 1960 wurden zwei Schwestern, Regimegegnerinnen des damaligen Diktators Rafael Trujillo in der Dominikanischen Republik, von Angehörigen des Militärs verschleppt, vergewaltigt und ermordet. 1981 riefen lateinamerikanische und karibische ­Feministinnen den 25. November zum Gedenktag für die Opfer von Gewalt gegen Frauen aus, 1999 erklärten die Vereinten Nationen den Tag zum Internationalen Gedenktag. Patrica Hecht

Gewalt, so die WHO, ist eines der größten globalen Gesundheitsrisiken für Frauen. Die einzige Impfung dagegen ist, sie aus dem Dunklen ins Helle zu bringen: Das Sprechen darüber darf kein Tabu mehr sein. Gewalt muss für die Täter schambesetzt sein, nicht für die Opfer. Es braucht Hotlines, Beratungsstellen, Unterkünfte. Es braucht Mitarbeitende in Polizei und Justiz, die wissen, dass es strukturelle Gründe sind, aus denen sich Frauen schwer aus gewalttätigen Beziehungen lösen können. Und es braucht ein Verständnis von Opfern als Überlebende, die enorme Kraft bewiesen haben.

Gewalt gegen Frauen ist nichts, was weiter verharmlost, kleingeredet oder aus der Distanz betrachtet werden darf. Erst wenn wir hinschauen, ist sie veränderbar.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Patricia Hecht
Redakteurin Inland
war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erschien mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Überschrift und einführendender Abschnitt verwirren wohl nicht nur mich. In der Überschrift wird ein Artikel über Impfen angekündigt, später stellt sich dann heraus, dass es um Gewalt gegen Frauen geht.

    Nicht, dass ich meine, Vorgehen gegen solche Gewalt sei nicht wichtig! Aber was hat denn das eine mit dem anderen zu tun? Oder gibt es vielleicht eine Impfung für das Werden zum Menschenfreund für Gewalt gegen Frauen?

    Oder ist einmal ein durchaus menschlicher Fehler Realität geworden , dass man Bestandteile zweier Artikel miteinander vermischt? Die Autorin hat doch wohl nichts mit dem Unsinn zu tun!