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Parlament untersucht Steuerklau

Bürgerschaft will aufklären, warum der Senat hohe Steuerforderungen an die Warburg-Bank verjähren ließ

Von Gernot Knödler

Die Bürgerschaft hat am Freitagabend einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zum Steuerbetrug der Warburg-Bank eingerichtet. Auf Antrag der CDU, der Linken und der FDP soll er ermitteln, warum der Senat 2016 eine Steuerforderung von 47 Millionen Euro aus sogenannten Cum-Ex-Geschäften gegenüber der Bank verjähren ließ.

Zudem soll der Ausschuss klären, ob und inwiefern die damalige Senatsspitze zugunsten der Bank interveniert hat – in Gestalt des damaligen Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz sowie des damaligen Finanzsenators und heutigen Bürgermeisters Peter ­Tschentscher (beide SPD). Den Vorsitz übernahm der SPD-Abgeordnete Matthias Petersen. Aufgrund der Coronapandemie gehören dem PUA statt 16 nur zwölf Mitglieder an.

Bei den Cum-Ex-Geschäften wurden Aktien um den Dividendenstichtag herum schnell hin und her gehandelt, sodass verunklart wurde, wer zum Zahlungstermin die Aktie besaß. Mehrere Aktienbesitzer ließen sich vom Finanzamt die Kapitalertragssteuer für die Dividende erstatten, die insgesamt nur einmal entrichtet wurde. Eine Reihe von Finanzmarktakteuren ließ sich also Steuern erstatten, die sie nie gezahlt hatten – unterm Strich ein milliardenschwerer Griff in die Staatskasse.

Jahrelang verschlossen die Behörden Augen und Ohren gegenüber diesen, seit den 90er-Jahren laufenden Geschäften. 2013 ermittelte die erste Staatsanwältin. Spätestens 2016 habe sich die Rechtsauffassung durchgesetzt, dass solche Geschäfte illegal seien, schreibt die Linke in einem Antrag.

Trotzdem ließ die Hamburger Steuerverwaltung 2016 eine Rückforderung über 47 Millionen Euro gegenüber der Warburg-Bank in die Verjährung laufen. Bei weiteren 43 Millionen Euro verhinderte das 2017 die Bundesfinanzverwaltung. Inzwischen gibt es auch erste Gerichtsurteile zu Cum-Ex. Im Frühjahr verurteilte das Landgericht Bonn die Warburg-Bank zur Rückzahlung von 177 Millionen Euro an den Fiskus.

Umso interessanter sind die Fragen, die sich der Untersuchungsausschuss stellt. Dazu gehört der Entscheidungsablauf in der Finanzbehörde und ob der Bürgermeister oder der Finanzsenator darauf Einfluss genommen haben. Dazu gehört auch, was der damalige Bürgermeister Scholz mit Vertretern des Bankhauses Warburg in Sachen Cum-Ex besprochen hat.

Wissen will der Ausschuss auch, „welchen Austausch es wann und mit welchen Inhalten und Folgen zwischen den SPD-Politikern Alfons Pawelczyk und Johannes Kahrs mit Vertretern des Bankhauses und anderer beteiligter Stellen“ gab.

Die Parteien begründen die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses damit, dass „das Vertrauen in eine faire und ohne jeden Zweifel rechtskonforme Steuerverwaltung auf dem Spiel“ stehe. Zu einer Sondersitzung des Haushaltsausschusses, in der die Vorgänge aufgeklärt werden sollten, war der heutige Erste Bürgermeister Tschentscher nicht erschienen. Vertreter des Senats verwiesen auf das Steuergeheimnis. Im Untersuchungsausschuss ist das Steuergeheimnis aufgehoben.

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