EU-Umweltagentur zur Artenvielfalt: Turbobauern schaden der Natur
Die Artenvielfalt schrumpfe vor allem wegen der Landwirtschaft, sagt die Europäische Umweltagentur. Die Agrarminister beeindruckt das kaum.
Dabei waren laut Umweltagentur im Berichtszeitraum von 2013 bis 2018 die meisten geschützten Lebensräume und Arten in einem mangelhaften oder schlechten Erhaltungszustand: 39 Prozent der 463 Wildvogelarten, die unter die EU-Vogelschutzrichtlinie fallen, befanden sich in diesen Kategorien. Das sind 7 Prozentpunkte mehr als sechs Jahre zuvor. Bei 81 Prozent der von der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie geschützten Lebensräume gilt der Status als nicht ausreichend. Moore, Grünland – also Wiesen und Weiden – sowie Dünenlebensräume verschlechterten sich am meisten.
Der Bericht ist der Umweltagentur zufolge die umfassendste Datensammlung, die jemals in Europa zum Zustand der Natur unternommen wurde. Er basiert auf Angaben der EU-Länder.
Zwar nennt die Agentur unter den Hauptursachen des Artenverlustes auch die Zersiedelung und allgemein die Umweltverschmutzung. Aber am häufigsten macht der Bericht die Landwirtschaft verantwortlich: „Agrarvogelarten weisen die wenigsten positiven Trends auf“, schreibt die Behörde zum Beispiel. In Deutschland gibt es etwa immer weniger Rebhühner, die auf artenreiche Felder und Hecken angewiesen sind. Bei den von den Mitgliedstaaten gemeldeten Bedrohungen lag die Landwirtschaft laut Umweltagentur mit 21 Prozent an erster Stelle. Das ist wenig verwunderlich, denn die Bauern haben ungefähr 40 Prozent des Bodens in der EU unter Beschlag, in Deutschland sind es sogar 51 Prozent.
„Die europäische Agrarpolitik ist gescheitert“
Arten können laut Agentur verlorengehen, zum Beispiel indem Moore trockengelegt oder Wiesen umgepflügt werden, um dort Früchte anzubauen. Der Druck auf die Natur wachse auch, wenn die Bauern mehr düngen, mehr bewässern oder mehr Pestizide spritzen. „Seit den 1950er Jahren haben die Intensivierung und die Spezialisierung des Agrarsektors zunehmend zum anhaltenden Artenverlust beigetragen“, so die Behörde.
Für Martin Häusling, landwirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament, zeigt der Bericht deshalb vor allem eines: „Die europäische Agrarpolitik ist gescheitert.“ Da Naturschutz „ein Garant unserer Lebensqualität und sogar unserer Überlebensfähigkeit“ sei, müsse er nun Priorität bei den Verhandlungen über eine Reform der Subventionen für die Branche genießen.
Aber davon war bei der im Internet übertragenen Diskussion der EU-Agrarminister über das Projekt nicht viel zu spüren. Die Vertreter*innen vieler Länder – allen voran der Visegrád-Gruppe aus Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn, aber auch zum Beispiel Italiens – wollten selbst den Kompromissvorschlag der deutschen Ratspräsidentschaft weiter aufweichen, den Umweltschützer als unzureichend kritisieren. Diese Staaten lehnten den Kern des Plans ab: dass die Mitgliedsländer verpflichtet werden, 20 Prozent der wichtigsten Subventionsart, der Direktzahlungen, nicht mehr einfach pro Hektar Fläche zu vergeben, sondern nur noch für konkrete Leistungen der Landwirte für die Umwelt. Das wäre zu viel Bürokratie für die Bauern, lautete eine Begründung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Fans angegriffen
Gewalt in Amsterdam
+++ Nach dem Ende der Ampel +++
Habeck hat Bock
Auflösung der Ampel-Regierung
Drängel-Merz
Die Regierungskrise der Ampel
Schnelle Neuwahlen sind besser für alle
Angriffe auf israelische Fans
Sie dachten, sie führen zum Fußball
Trumps Sieg bei US-Präsidentschaftswahl
Harris, Biden, die Elite? Wer hat Schuld?