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Bonner OB über ihr neues Amt„Perspektiven von Frauen stärken“

Vom Bundestag ins Rathaus: Katja Dörner ist eine der ersten grünen Oberbürgermeisterinnen Deutschlands. Sie möchte Bonn von den Autos befreien.

Autofreie Innenstadt in Bonn – damit warb Katja Dörner im Wahlkampf ums Oberbürgermeisteramt Foto: Steve Przybilla
Steve Przybilla
Interview von Steve Przybilla

taz: Frau Dörner, Sie sind eine der ersten grünen Oberbürgermeisterinnen in Deutschland. Was bedeutet das für Sie?

Katja Dörner: Das ist ein sehr großer Schritt für mich persönlich, aber auch für die grüne Partei. Wir haben jetzt bundesweit zwei grüne Oberbürgermeisterinnen mit Sibylle Keupen in Aachen und mit mir. Ich finde es wichtig, gerade in kommunalen Führungsämtern die Per­spektive von Frauen stärker einspeisen zu können.

Sie haben sich im Wahlkampf für eine autofreie Innenstadt starkgemacht. Wie groß war die Überraschung, mit einer solchen Forderung in einer Beamtenstadt wie Bonn zu gewinnen?

Noch vor fünf Jahren hätte ich mit dieser Forderung sehr viel Kopfschütteln geerntet. In der Zwischenzeit haben sich die Einstellungen aber deutlich verändert. Die Leute wollen, dass sich in der Verkehrspolitik was tut. Die meisten Menschen, mit denen ich spreche, finden die Idee gut oder interessant, wollen aber wissen, wie das passieren soll.

Und wie genau soll es passieren?

Das vorrangige Ziel ist es, den Durchgangsverkehr aus dem innerstädtischen Bereich herauszubekommen. Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig, die Umsetzung in den einzelnen Vierteln mit den Einwohnerinnen und Einwohnern zu diskutieren und zu entwickeln. Menschen mit Behinderung müssen natürlich weiterhin mobil sein. Falls sie aufs Auto angewiesen sind, ist es selbstverständlich, dass sie auch weiterhin in die Innenstadt fahren können.

Im Stadtrat haben Sie nun eine knappe grün-rot-rote Mehrheit. Ist das ein Modell, das auch auf Bundesebene funktionieren könnte?

Das ist jetzt etwas hoch gegriffen. Wir sind eine offene Partei und arbeiten in unterschiedlichsten Konstellationen in den Städten und Ländern. Auf kommunaler Ebene sehe ich viele Gemeinsamkeiten mit SPD und Linkspartei, gerade bei Themen wie dem Klimaschutz oder bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Hier in Bonn hat die CDU ja schon erklärt, sie wolle in die Opposition. Insofern liegt es auf der Hand, in welche Richtung wir uns entwickeln.

Gerade bei der autofreien Innenstadt hat die SPD aber schon Bedenken angemeldet. Wie groß sind die Differenzen?

Im Interview: Katja Dörner

44, ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag. Bei der kommunalen Stichwahl wurde sie am 27. September zur Oberbürgermeisterin von Bonn gewählt. Sie setzte sich damit gegen den Amtsinhaber Ashok-Alexander Sridharan (CDU) durch. Dörner ist verheiratet und hat einen Sohn. Sie wohnt in Bonn.

Es gibt Differenzen, wir sind unterschiedliche Parteien. Wir werden in den Koalitionsverhandlungen über diese Themen sprechen. Ich sehe aber in keinster Weise irgendwelche unüberbrückbaren Hürden. Auch die SPD hat sich klar zu einer Verkehrswende bekannt.

Sie wollen auch den ÖPNV verbessern. Neue Buslinien und eine engere Taktung kosten allerdings viel Geld. Wie wollen Sie das in einer hochverschuldeten Stadt wie Bonn umsetzen?

Die Verkehrswende ist eine zentrale Frage mit Blick auf den Klimaschutz. Da haben wir keine Zeit zu verschenken. Wir werden in den öffentlichen Personennahverkehr investieren. Auf der einen Seite haben wir in Bonn mit die höchsten Ticketpreise, auf der anderen Seite haben wir aus meiner Sicht keine gelungene Parkraumbewirtschaftung. Momentan lohnt es sich, mit dem Auto in die Stadt zu fahren, weil ein Parkhaus­ticket deutlich günstiger ist als eine Busfahrkarte. Da sehe ich ganz klare Stellschrauben: das eine teurer und das andere günstiger machen.

Als Bundestagsabgeordnete haben Sie sich viel mit Kinderarmut und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf beschäftigt. Welche Rolle werden diese Themen als OB für Sie spielen?

Kinderarmut ist auch in Bonn ein relevantes Thema. Ich treffe immer wieder Bürgerinnen und Bürger, die sich das gar nicht vorstellen können. Es gibt Bereiche in der Stadt, in denen es kaum Armut gibt. Und es gibt Bereiche, in denen 60 bis 70 Prozent der Kinder leistungsberechtigt nach dem SGB II sind. Das birgt sozialen Sprengstoff, und deshalb werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um Kinderarmut zu bekämpfen.

Und das wäre?

Eine meiner ersten Amtshandlungen wird es sein, mit den Sozialverbänden einen Pakt gegen Kinderarmut auf den Weg zu bringen. Wir haben in Bonn bereits ein sehr gutes Modellprojekt mit einem kostenlosen Schulfrühstück in einzelnen Schulen. Das möchte ich ausweiten. Die ÖPNV-Preise für Kinder und Jugendliche mit ALG-II- und Wohngeldbezug sollten ebenfalls günstiger werden. Und wir müssen etwas gegen versteckte Armut tun: Familien, die leistungsberechtigt sind, aber die Leistungen gar nicht erst beantragen.

Sie kennen sowohl die Berliner als auch die Bonner Perspektive. Wie stehen Sie zum geteilten Regierungssitz, der nicht nur Millionen kostet, sondern unzählige Dienstreisen und damit CO2 verursacht?

Ich werde mich weiterhin für einen Zusatzvertrag zum Bonn-Berlin-Gesetz einsetzen. Es ist sehr wichtig für die Stadt Bonn, dass wir auf der einen Seite Planungssicherheit bekommen, auf der anderen Seite die Cluster, die wir vor Ort haben, weiter ausbauen. Wir sind UN-Stadt und ein ausgezeichneter Wissenschaftsstandort, aber wir brauchen eine klare Per­spektive – und dazu gehört der Verbleib der Ministerien.

Wie kam es überhaupt, dass Sie von der großen Bundespolitik in die Kommunalpolitik wechseln wollten?

Als Bonnerin war ich in den letzten Jahren viel in der Stadt unterwegs und habe gesehen, dass viele innovative Ideen nicht zum Tragen gekommen sind. Das möchte ich ändern. Auf der anderen Seite wurde mir immer mehr bewusst, dass wir in Berlin zwar den Rahmen setzen, aber ob beispielsweise die Verkehrswende wirklich gelingt, das entscheidet sich vor Ort, hier in Bonn. Das finde ich spannend und daran möchte ich arbeiten.

Was passiert jetzt eigentlich mit Ihrem Bundestagsmandat?

Ich bin gerade dabei, meine Abgeordnetentätigkeit zu be­enden. Ich räume mein Büro aus und ich werde mein Mandat zurückgeben, ist doch klar.

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