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Rodungen im Dannenröder WaldTag X ist gekommen

Pünktlich zum Ende der Vegetationsphase rücken Baumfäller und Polizei im besetzten Wald an. Hier soll für den Weiterbau der A49 gerodet werden.

Idyllischer Waldspaziergang mit der ganzen Familie: Polizist:innen im Dannenröder Wald Foto: dpa

Berlin afp/dpa/taz | Der Tag X für den Dannenröder Wald ist gekommen. Am frühen Morgen ist noch nicht ganz klar, wo es los geht. Aber mit dem 1. Oktober ist die Vegetationsphase beendet, Bäume dürfen wieder gefällt werden. Nach Polizeiangaben sollen sich 400 Polizist:innen in der Herrenwaldkaserne in Stadtallendorf versammelt haben. Sie sollen die Mitarbeiter der Firmen begleiten und schützen, wenn diese Teile des Waldes für den Weiterbau der A49 roden.

Um 7.25 Uhr twitterten Umweltaktivist:innen, die seit mehr als einem Jahr dort leben, die ersten zehn Polizeifahrzeuge seien im Herrenloswald zu sehen gewesen, „schön mit Blaulicht und Sirenen über den Feldrand gefahren“. Um 8 Uhr hieß es, die Polizei habe Baumhäuser im Herrenwald umstellt. Die “Osthessen News“ zeigten um 8.34 ein Foto, das Polizeifahrzeuge zeigt, die einen Bagger schützen sollen, „der heute für die Rodungen benötigt wird“.

Greenpeace kündigt an, ab 11 Uhr vor dem Landtag gegen die Waldrodung zu protestieren – und zwar mit einem 1,7 Tonnen schweren, abgeholzten Baum aus dem Dannenröder Forst. Die Polizei hat das Gebiet weiträumig abgesperrt, um anreisenen Aktivist:innen den Zugang zu erschweren.

Man gehe von einer „komplexen und schwierigen Einsatzmaßnahme“ aus, hatte Polizei-Pressesprecherin Silvia Frech am Mittwochnachmittag vor Journalist:innen erklärt. Neben Polizisten aus Hessen sollten auch weitere Kräfte aus dem gesamten Bundesgebiet zusammengezogen werden. Die Beamten rechnen mit „einem wochenlangen Einsatz“, bis die Baumhäuser und im Wald geschaffenen Strukturen geräumt sein könnten. „Wir rechnen mit großem Widerstand“, sagte die Sprecherin. Was die Straßenbaufirma für Donnerstag genau plane, sei unklar.

Größere Dimension als im Hambacher Wald

Wegen der Größe des Gebiets habe der Einsatz größere Dimensionen als rund um den Hambacher Forst in Nordrhein-Westfalen. Etwa 150 Aktivist:innen halten sich nach Angaben der Polizei derzeit im Wald auf. Seit einem Jahr protestieren Umweltschützer:innen im Dannenröder Forst gegen den Ausbau der A49 zwischen Gießen und Kassel, die durch den Wald führen soll.

In einem im Kurzbotschaftendienst Twitter veröffentlichten Video der Polizei hieß es, dass es nicht geduldet werde, wenn sich Aktivisten der Maßnahme widersetzten. „Wir werden ganz klar dagegen vorgehen, wenn es zu Straftaten kommt und Meinungen nicht friedlich und im rechtskonformen Rahmen geäußert werden“, sagte Sprecherin Sylvia Frech.

Der eigentliche Bau der Autobahn soll laut dem Landkreis Vogelsberg am 1. September 2021 beginnen. Als Vorbereitung dazu sollen zwischen Oktober 2020 und Februar 2021 rund 27 Hektar des Walds gerodet werden. Die Strecke durch den Dannenröder Forst soll den Planungen zufolge rund drei Kilometer lang werden.

In der vergangenen Woche hatte der Landkreis per Allgemeinverfügung die weitere Nutzung der Baumhäuser im Wald verboten. Die Aktivisten wurden dazu aufgefordert, das Gebiet bis Mittwoch zu räumen. Als Reaktion kündigten die Umweltschützer Widerstand an.

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20 Kommentare

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  • Es ist nicht der Verkehrswegebau, der für den Artenrückgang verantwortlich ist.

    Die fettesten Artenrückgänge gab in der jüngsten Vergangenheit nicht durch Straßenbau sondern durch die sogenannte Energiewende von 2007 aufgrund von Windkraftanlagen und der Nutzung von Energiepflanzen in der Forst- und Landwirtschaft. www.grosstrappe.or...-2012-Desaster.pdf

    Der Autor schreibt: "Insgesamt muss man das bittere Fazit ziehen, dass Aus- wirkungen des Klimawandels selbst auf die Biologische Vielfalt bisher wenig nachweisbar, die Auswirkungen der Klima- und Energiepolitik dagegen dramatisch sind."

    • @Rudolf Fissner:

      Die meiste Fauna sind Wirbellose. Bei denen ist Verinselung das Problem Nummer 1 (bzw streitet sich mit Neonics um Platz 1). Schon 5 Meter Asphalt trennen manche Laufkäfer-Populationen permanent.

      Zur Großtrappe siehe hier: www.iucnredlist.or...22691900/119044104

      In dem von Ihnen zitierten Artikel haben Sie offenbar Abb. 2 E übersehen.

      • @Ajuga:

        Der Autor, Flade, schreibt ja auch, dass einzelne Bestände, auch die Großtrappe, sich durch "aufwändige Schutzprogramme" sich erholen.



        Auch ist Biotopverbund wichtig.

        Das kann aber nicht verdecken, dass die Energiewende seit 2007 mit der Hauptverursacher für den Artenrückgang in DE ist.

        Die im Artikel besprochen Vögel, als Zeigerarten aufgefasst, zeigen zudem an, dass die Energiewende auch zum Kahlschlag in andern, floristischen wie zoologischen Bereichen führte.

        Was wurde an der Abb übersehen. Ich zitiere mal von dort "Von den 30 häufigsten Agrarlandschafts-Arten können seit ca. 2007 nur noch vier ihren Bestand halten" Das ist eine prägnante Aussage des Autors zum Artenrückgang bei Vögeln durch die Energiewende.

        Er nennt übrigens nicht den Straßenbau als Hauptfaktor für den Artenrückgang bzw. erwähnt diesen gar nicht.

        Es ist die Lieblingsmaßnahme vieler Klimabewegten gegen den Klimawandel, die nun mit verantwortlich ist für den Artenrückgang: regenerative Energie

  • Scheiß auf Bäume, dieses nutzlose Grünzeug! Scheiß auf die Verkehrswende! Scheiß auf Vorrang für Schiene und ÖPNV! Scheiß auf den Klimawandel! Scheiß auf Artenvielfalt, Grundwasserschutz und den Verstand!

    Hauptsache einen neuen grünen Aufkleber für klimafreundliche Verbrenner, Hybride und E-Mobile! Hauptsache Kaufprämien! Hauptsache Beton und Asphalt!

    Hauptsache: W e i t e r s o ! Wie schon die vergangenen 40 Jahre!

    • @Drabiniok Dieter:

      Zum Glück heißt es im Diskurs oft ja sinngemäß: DIE Anderen sind die Bösen,WIR sind die Guten. Wenn Regenwald abgeholzt wird, werden selbst Konservative zeitweise vorgeblich zu Ökos und äußern sich kritisch, wobei sie die Ursachen und Informationen, inwieweit Deutschland davon profitiert, gerne verschweigen. Wenn hingegen Wald in Deutschland abgeholzt wird, dann ...



      Ach, Deutschland ist einfach herrlich!

      • @Uranus:

        Nun ja ... die "Konservativen" haben den Wald in DE wieder aufgeforstet nachdem ab Mitte des 19. Jahrhunderts drohte das der Wald in Mitteleuropa nach und nach verschwanden. Das waren erst mal nicht die "Ökos". Zwar oft auch mit Monokulturen aber immerhin, ökologische Funktionen (Grundwasser, CO2 Senke, Klima ... ) erfüllen auch diese.

        Der Regenwald in Südamerika, Afrika oder Asien ging übrigens unter jeder politischen Richtung zurück. Mit Konservativismus hat das wenig zu tun.



        Aber es ist ja nützlich wenn man mit dem Finger auf jemanden zeigen kann. Und wenn man Diskreditierungen in/von Umwelt- und Naturschutzbewegungen auch noch dazu missbrauchen kann, diese in die politisch genehme Richtung zu steuern ist es es ja auch superpraktisch.

    • @Drabiniok Dieter:

      Ziehen wir jetzt die ideologische Brille mal wieder ab.

      "Vorrang für Schiene und ÖPNV"

      Der betreffende Landkreis Vogelsberg ist der dünnbesiedelste Landkreis Hessens.



      Es wohnen da 105.643 Menschen auf 1.458,99km2, mal zum Vergleich Berlin ist 891,68km² groß, Tendenz der Einwohner fallend. Da einen ÖPNV aufzubauen, damit die Leute auf ein Auto verzichten können, ist komplett realitätsfern.

      "Grundwasserschutz", der Vogelsberg hat ein Problem mit Wasser, aber damit, das seine Wasserbetriebe Millionen Liter Wasser an uns in FFM verhökern, bei uns ist das Wasser sogar billiger als dort, wo es gezapft wird. Das Problem hat also auch nichts mit der Autobahn zu tun.

      www.hessenschau.de...en-wasser-100.html

      "Scheiß auf Bäume"



      Hessen ist das zweitwaldreichste Bundesland Deutschlands, 39,8% der Fläche hier sind Wald, schlimme Waldfeinde wohnen hier also.

      de.statista.com/st...ch-bundeslaendern/

      Muss man da eine Autobahn bauen, keine Ahnung, meiner Meinung nach nicht, aber die Leute da wählen genau die Parteien, die ihnen das versprechen. SPD, FDP und CDU, zusammen mehr als 70%.

      • @Sven Günther:

        Sag ich doch: alles Blödsinn mit Umwelt- und Klimaschutz. Der Waldbestand in Hessen hat nur regionale Bedeutung. Die Klimaanlage im Auto ist ja schließlich auch Klimaschutz.



        Es ist so wie es ist! Die Zahlen belegen es!



        Zeihen Sie mich einen Ideologen, weil ich kein Prophet der Pippi Langstrumpf Welt bin? Entweder man will Veränderungen auch in der Fläche (Ohne Auto mobil), oder man subventioniert Autokäufe und finanziert den Bau und Ausbau von neuen Bundesfernstraßen aus Steuergeld, die den Status quo im Autoland sicherstellen.

        PS: Dass das Grundwasserproblem am Vogelsberg schon in den 1980er Jahren erkannt und ein öffentliches Thema war, sei nur am Rande erwähnt.

    • @Drabiniok Dieter:

      Nur dass der Aufkleber pechschwarz ist.

      Die jetzt von Innenminister Peter Beuth (CDU) ermöglichte Rodung wurde bereits 2005 von Alois Rhiel (CDU) unter der schwarz-gelben Koalition von Roland Koch (CDU) beschlossen. "Der Planfeststellungsbeschluss für den letzten Abschnitt wurde am 30. Mai 2012 erteilt. Eine Klage zweier Naturschutzvereine gegen den Planfeststellungsbeschluss wurde vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 23. April 2014 abgewiesen." (Wikipedia: "Bundesautobahn 49")



      Die Grünen hatten nie irgendeine Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen, außer über Förderung der klagenden Umweltverbände. Was sie ja auch gemacht haben. Oh, sie könnten die Koalition platzen lassen. Dann würden sie durch die SPD ersetzt, und die CDU würde ihre kriminelle Politik mit erhöhter Geschwindigkeit fortsetzen.

      Aber so ist das in Merkeldeutschland: die CDU/CSU hat niemals an irgendetwas Schuld. Alles Übel geht von Grünen und Linken aus.



      "Framing" nennt man das, oder auch "Arbeitsgruppe Wirksam Regieren".

      Zum Glück fällt die Jugend auf diesen billigen Trick nicht mehr herein.

      • @Ajuga:

        Nun raten Sie mal, wogegen und wofür sich die Grünen 1980 gegründet haben? Pro Autobahnbau, Waldabholzung, Vorrang für das Automobil mit welchem Antrieb auch immer?



        Wir waren auch mal jung. Heute dient die Farbe grün nur noch zu Marketingzwecken. Sie feiern es als Erfolg, weil soviel über Umwelt und Klima geredet wird. Es gibt kein richtiges Handeln im Falschen.

        • @Drabiniok Dieter:

          Ich wollte hier keinen Meinungsdiskurs führen, sondern auf die überprüfbaren Fakten hinweisen.

          Die Entscheidungsgewalt für diesen Akt von Klimarowdytums lag von Anfang bis Ende bei der CDU und irgendwelchen gerichten. Die Grünen hatten bei der Sache zu keinem Zeitpunkt etwas mitzureden. Wer zuerst auf die einschlägt, zäumt das Pferd von hinten auf. Sie schlagen auf eine Oppositionspartei ein, weil die nicht das gemacht hat, was einer Regierung vorbehalten ist. Das ist lächerlich.

          Die CDU, die FDP und die Gerichtsbarkeit haben das beschlossen, geplant, freigegeben, durchgeklagt, vertraglich festgelegt, vergeben und das Geld ausgegeben. Das wird in den nächsten 30 Jahren ein Dauerzustand, die Bürde der Prä-Klimawandel-Großprojekte abzuwickeln. Gewöhnen Sie sich dran, und hören sie auf auf den Boten mit der schlechten Nachricht einzuschlagen, und die Täter laufen zu lassen.

          Ach ja Kolitionen in Hessen. Was lief da eigentlich damals mit "Lügilanti"?



          Schmiergeld oder nicht?



          Wenn ja - wer hat das genehmigt? Das wäre eine hochriskante strategische Weichenstellung von enormer Tragweite, das macht kein Landesverband ohne OK von Generalsekretariat und Schwarzgeldverwaltung.



          Wer hatte diese Posten damals? Nur so als Denkübung, ich will niemandem was unterstellen. Aber dieser CDU-Landesverband hat es in sich.

  • Genau! Warum betonieren wir nicht die ganze Republik? Was sollen wir denn mit Pflanzen und Tieren, wenn ich nicht überall mit meinem Mercedes 250 fahren kann?