VWs neues Elektroauto „ID4“: SUV mit Öko-Anspruch
Volkswagen präsentiert sein neues Elektroauto, den „ID4“. Er soll klimaneutral sein, den Weltmarkt erobern und erntet ungewohntes Lob.
Mit dem bulligen Klein-SUV will der größte Autobauer der Welt dem „Model Y“ des US-Anbieters Tesla Konkurrenz machen. Vor allem aber plant VW, so die Märkte in China und den USA zu erobern – und gleichzeitig seine Art von nachhaltiger und digitaler Mobilität der Zukunft durchzusetzen.
„Dieses Modell wird als erstes E-Weltauto unsere für die Elektromobilität entwickelte MEB-Plattform global ausrollen“, erklärte Ralf Brandstätter, Vorstandsvorsitzender der Marke Volkswagen. Dieser einheitliche Baukasten beim Stromantrieb ist die Basis für viele E-Modelle des Konzerns, also von Volkswagen, Seat oder Audi. „Damit beweist Volkswagen im Volumenmarkt erneut seine Führungsrolle bei Innovation, Technologie und Qualität.“
Der ID4 entspricht etwa dem Kompakt-SUV-Modell Tiguan, während sein kleinerer Vorgänger ID3 nach dem Golf konzipiert ist. Der ID4 bietet neben dem Lenkrad als Bedienung ein Touchscreen und Sprachsteuerung, soll etwa 17 Kilowattstunden Strom auf 100 Kilometer verbrauchen und an einer Schnellladestation in einer halben Stunde für etwa 300 Kilometer Reichweite Strom aufnehmen.
Dicke Autos für Übersee
Während der ID3 sich vor allem in Europa verkaufen soll, braucht es nach Einschätzung vieler Experten für die Märkte in Übersee dickere Autos – eben den ID4. Der Serienname „ID“ ist dabei nicht klar definiert. Er stehe für „Intelligent Driving“, heißt es von VW, aber auch für „Idee“ oder „Identität“.
Danach sucht VW fünf Jahre nach dem Dieselskandal, mitten in der Klimadebatte und kurz vor dem Abschied vom Verbrennungsmotor: Nach einer eigenen Identität in einer Zukunft von nachhaltiger Mobilität, wie sie VW-Chef Herbert Diess mit voller Wucht durchsetzen will. Dafür investiert der Konzern in den nächsten Jahren allein in die E-Mobilität etwa 33 Milliarden Euro.
Die neuen Modelle sollen, wie schon beim ID3, „bilanziell klimaneutral“ sein: Zulieferer und Batterien für die Produktion müssten ihre Emissionen perspektivisch auf Null senken oder kompensieren; die Autos sollen „zu 95 Prozent recyclingfähig“ werden; das Werk in Zwickau, wo seit diesem Juni nur noch Elektroautos produziert werden, soll mit über 300.000 Wagen im Jahr und 8.000 gut bezahlten Jobs das größte E-Werk Europas werden.
Noch nicht wirklich grün
Noch sind diese grünen Ziele nicht erreicht, gibt Reinhard de Vries zu, Geschäftsführer Logistik im Werk Zwickau. Bei „etwa 3.000 Zulieferen“ sei es nicht so einfach, alles auf Nachhaltigkeit umzustellen. Doch in Zwickau seien die Emissionen bereits um zwei Drittel gesenkt worden, der Strom komme von der VW-eigenen Ökostromtochter „Volkswagen Kraftwerke AG“. Die kauft den Grünstrom allerdings von anderen Anbietern und investiert bisher kaum in zusätzliche Kapazitäten an Sonnen- oder Windstrom. Die Batterien kommen aus Polen, der Transport soll per Zug und im Werk mit E-Lkw organisiert werden.
Das Werk in Zwickau steckt mitten im Umbau. Wo seit 1904 der Audi-Vorgänger „Horch“ vom Band rollte, später der DDR-Trabant und ab 1990 VW-Polos und Golfs, entstehen jetzt nur noch E-Autos. Im vergangenen Jahr führte VW den ID3 in den Markt ein – nach Software-Problemen ist er seit Mitte September auch bei den Händlern zur Bestellung angekommen und soll sich bis Jahresende knapp 100.000 mal verkaufen.
Der Konzern muss auch dringend viele E-Mobile an die Kunden bringen, um den CO2-Austoß seiner Flotte zu reduzieren und EU-Strafzahlungen in Milliardenhöhe zu vermeiden – bisher liegt der Anteil von E-Autos an der VW-Flotte in Europa bei lediglich 8 Prozent.
Ist ausgerechnet ein SUV das Auto der Zukunft? „Weltweit ist der SUV-Markt riesig“, sagt de Vries, „die Kunden wünschen sich das. Mit unserem CO2-neutralen Angebot sind wir auf auf dem richtigen Weg.“ Der Kleinwagen „Up!“ ist in seiner E-Form dagegen ein Ladenhüter – und das mit gutem Grund, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Experte vom Thinktank „Center Automotive Research“: „Die Sparautos sind alle gefloppt, die Kunden wollen Emotion und geben dafür gern Geld aus.“
Tesla vs. VW
Tesla ist für Dudenhöffer keine Gefahr für VW. „Tesla bedient mehr das Premium-Segment für Technikfreaks, Volkswagen geht in den Volumenmarkt, wo die Käufer eher auf Zuverlässigkeit setzen.“ Für Dudenhöffer, der dem VW-Konzern wegen seiner starken Mitbestimmung und der Stellung des Landes Niedersdachsen grundsätzlich kritisch gegenübersteht, „macht VW hier alles richtig. In ein bis zwei Jahren werden sie Weltmarktführer bei den batterieelektrischen Autos sein.“
Lob für die ID-Serie kommt auch vom ökologischen Verkehrsclub VCD: „VW hat eine klare Strategie, die voll auf Elektrifizierung setzt“, sagt Experte Michael Müller-Görnert. Zwar reiche für die normale Nutzung in der Stadt auch der ID3, aber international verkauften sich SUVs eben sehr gut. „Der ID4 ist besser als ein SUV mit Verbrennungsmotor, aber er verbraucht trotzdem mehr Ökostrom und Rohstoffe als kleinere Wagen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Spaniens Staatschef im Nahkampf
Ein König mit Cojones
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala