: Keine ganz normale Grippe
Nachdem US-Präsident Donald Trump positiv auf Corona getestet wurde, häufen sich die Fälle in seinem Umfeld: Sein Berater, sein Sekretär und viele andere sind betroffen
Aus New York Dorothea Hahn
Die positiven Nachrichten aus dem Weißen Haus ziehen immer weitere Kreise bei den Republika-ner:innen. Während Donald Trump seit Freitag im Militärkrankenhaus Walter Reed in Bethesda bei Washington behandelt wird, ist das Virus bei zahlreichen Personen aus seinem unmittelbaren Umfeld gefunden worden. Über den Gesundheitszustand des Präsidenten gab es am Samstag in Washington widersprüchliche Standmeldungen. Während sein Stabschef Mark Meadows sagte, dass Trump durch eine „sehr besorgniserregende Periode“ gegangen sei, und warnte, die beiden kommenden Tage „werden entscheidend“, versuchte Trumps Arzt Sean Conley Optimismus zu verbreiten.
Er sei „extrem zufrieden“ mit den Fortschritten seines Patienten, sagte Conley bei einer Pressekonferenz vor einer Kulisse von neun Kolleg:innen. Auf die Frage, ob Trump Sauerstoff bekommen habe, antwortete er mehrfach ausweichend: „Hier hat er keinen zusätzlichen Sauerstoff erhalten.“ Wenig später berichtete die Agentur AP, dass Trump am Freitag im Weißen Haus Sauerstoff bekommen habe.
Der Arzt hatte am Samstag außerdem gesagt, „nur 72 Stunden nach der Diagnose“ sei der Patient fieberfrei. Ein anderer behandelnder Arzt, Lungenspezialist Brian Garribaldi, erklärte bei derselben Pressekonferenz, dass Trump „vor ungefähr 48 Stunden“ eine experimentelle Antikörperbehandlung bekommen habe. Zuvor hatte die offizielle Darstellung des Weißen Hauses gelautet, Trump habe sein positives Testergebnis erst in der Nacht zu Freitag erhalten.
Die Aussagen der Ärzte würde bedeuten, dass Trump schon am Donnerstag von seiner Corona-Infektion wusste. Da er an dem Tag bei einem Treffen mit Spender:innen in New Jersey war, hätte er die Ansteckung der mitreisenden Personen und seiner meist älteren Spender:innen mutwillig in Kauf genommen.
Wenige Stunden nach der Pressekonferenz legte Trumps Arzt Conley den Rückwärtsgang ein. „Heute Vormittag habe ich unkorrekt von 72 Stunden gesprochen“, schrieb er in einem Kommuniqué, „aber ich hätte Tag zwei der polyklonalen Antikörpertherapie sagen müssen.“ Gegenüber CNN korrigierte der Hersteller des experimentellen Präparats später, dass es sich tatsächlich um eine „monoklonale“ Antikörpertherapie handelt. Außerdem soll der Patient bis Samstag zwei Dosen Remdesivir erhalten haben. Trump hatte am Freitag Fieber. Am Samstag war er nach Angaben der Ärzte seit über 24 Stunden fieberfrei.
Trump selbst meldete sich am Samstagnachmittag mit einem kurzen Video zu Wort. Darin saß er mit zerzauster Frisur und müdem Gesichtsausdruck vor einer weißen Schrankwand mit silbernen Knöpfen und zwei Fahnen (die der USA und die der Präsidenz). In ungewohnt versöhnlichen Worten lobte der US-Präsident die Ärzte und Pfleger und ihre „Wundertherapeutik“ und beschrieb sich selbst als einen von Millionen Covid-Patient:innen. Er vermied das Wort „Chinavirus“, mit dem er sonst das Virus bezeichnet, und er hetzte kein einziges Mal – weder gegen die Medien noch gegen die Opposition. Stattdessen dankte er internationalen Politiker:innen für ihre „Kondolenzen“ (sic!).
Am Samstag kristallisierte sich heraus, dass ein Ereignis im Rosengarten, das der Präsident eine Woche zuvor organisiert hatte, möglicherweise der Moment war, in dem sich das Virus ausbreitete. Trump hatte seinen engen politischen Kreis dort zusammengeholt, um seine Kandidatin für das Oberste Gericht vorzustellen, die erzkonservative Richterin Amy Coney Barrett. Wie bei Trump-Veranstaltungen üblich, wurden dabei die minimalen Sicherheitsregeln in der Pandemie ignoriert. Die Teilnehmer:innen saßen auf Tuchfühlung zusammen, berührten und umarmten sich und fast niemand trug eine Maske. Eine Woche später sind zahlreiche Anwesende positiv getestet worden. Unter anderem Trumps Frau Melania, sein Kampagnenmanager Bill Stepien, die Chefin der Republikanischen Partei, Ronna McDaniel, seine Beraterin Hope Hicks sowie sein persönlicher Sekretär, Nick Luna, sind demnach an dem Coronavirus erkrankt.
Manche Teilnehmer:innen der Veranstaltung haben sich jetzt in Quarantäne begeben. Andere, darunter Justizminister William Barr, der bei einer Umarmung mit der Covid-positiven Conway gefilmt wurde, will seinen Alltag unverändert fortsetzen.
Am Samstag wurde auch der ehemalige Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, positiv getestet und ging in ein Krankenhaus. Er ist – wie der Präsident – übergewichtig. Zusätzlich hat er Asthma. Mit Christie hatte Trump für die TV-Debatte mit Herausforderer Joe Biden am Dienstag geübt.
Unbekannt war bei Redaktionsschluss, wie es der Kandidatin für das Oberste Gericht, Amy Coney Barrett, geht. Während der Zeremonie stand sie ein paar Schritte vom Präsidenten entfernt und sprach nach ihm in dasselbe Mikrofon. Ihre Amtsbestätigung im Senat ist wegen der Infektionsserie verschoben worden.
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