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Neuer Lockdown in IsraelAlles dicht über die Feiertage

Als erstes Land weltweit verhängt Israel zum zweiten Mal einen strikten Corona-Lockdown. Im Land stößt das auf Kritik – auch innerhalb der Regierung.

Hat den Lockdown verhängt und das Land verlassen: Ministerpräsident Netanjahu Foto: Alex Kolomoisky/dpa

Tel Aviv taz | Als Benjamin Netanjahu sich am Sonntagabend auf den Weg nach Washington macht, um Normalisierungsabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain zu unterzeichnen, warten am Eingang zum Ben-Gurion-Flughafen bereits Demonstrant*innen auf den israelischen Ministerpräsidenten: „Anstatt im Land zu bleiben und die Krise zu bewältigen, fliegt Netanjahu lieber, um unnötige Schlagzeilen zu machen“, hieß es im Aufruf zu der Protestaktion.

Nachdem die Zahl der täglichen Neuinfektionen mit dem Coronavirus in der vergangenen Woche gleich mehrfach die 4.000er-Marke geknackt hatte, hat die israelische Regierung am Sonntag wenige Minuten vor Netanjahus Abreise entschieden, erneut einen strengen Lockdown über das Land zu verhängen. Er beginnt am kommenden Freitag um 14 Uhr – wenige Stunden vor Beginn des jüdischen Neujahrsfestes Rosh HaShana – und endet voraussichtlich mit Ende des Festes Simchat Tora drei Wochen später.

Israelis dürfen sich in dieser Zeit nur noch in einem 500-Meter-Radius rund ums Haus frei bewegen, dürfen aber weiterhin zur Arbeit fahren. Versammlungen in Innenräumen sind auf zehn Personen beschränkt; an der freien Luft dürfen zwanzig Personen zusammenkommen. Die Schulen schließen erneut und allein Unternehmen, die keinerlei Kund*innenverkehr haben, dürfen geöffnet bleiben. Auch der Eintritt zu Synagogen und anderen Gotteshäusern soll stark eingeschränkt oder ganz untersagt werden.

Die Maßnahmen sind höchst umstritten, wird doch Netanjahus Coronapolitik von vielen als Grund für den Anstieg der Neuinfektionen gesehen. Dementsprechend hagelt es aus der Opposition nun Kritik: Oppositionsführer Yair Lapid von der Partei Yesh Atid sagte: „Netanjahu kann einfach nicht zugeben, dass er versagt hat, und sich bei der israelischen Öffentlichkeit entschuldigen.“

Der Vorsitzende der ultraorthodoxen Partei Vereinigtes Tora-Judentum, Yaakov Litzman, war bereits am Sonntagmittag aus Protest gegen den geplanten Lockdown von seinem Posten als Wohnungsbauminister zurückgetreten.

Ultraorthodoxe fühlen sich diskriminiert

Viele der ultraorthodoxen Juden und Jüdinnen in Israel fühlen sich in der Coronakrise diskriminiert. Ultraorthodox geprägte Städte und Stadtteile gehören nach wie vor zu den Hotspots des Virus. Dennoch haben viele Strenggläubige das Gefühl, dass für Synagogen härtere Auflagen gelten als beispielsweise für die Protestbewegung gegen Netanjahu. Seit Monaten gehen Demonstrierende gegen die Coronapolitik der Regierung sowie gegen den wegen Korruption angeklagten Ministerpräsidenten auf die Straße und fordern Netanjahus Rücktritt.

Vertreter*innen der Protestbewegung kündigten am Sonntag an, dass sie ihre regelmäßigen Demonstrationen vor Netanjahus Amtssitz in Jerusalem nicht einstellen werden – auch nicht, wenn die Demonstrationen während des Lockdowns verboten werden sollten. Bei den Protesten hat es laut der Vorsitzenden des parlamentarischen Corona-Ausschusses, Yifat Shasha Biton, bislang allerdings keine einzige Ansteckung gegeben.

Widerstand gegen den neuen Lockdown kommt auch von Restaurantbesitzer*innen und Geschäftsinhaber*innen. Vergangene Woche hatten einige von ihnen angekündigt, ihre Geschäfte und Restaurants trotz Lockdowns zu öffnen, sollte ihnen nicht im Voraus eine Entschädigung garantiert werden. „Die Regierung wird auf starken Widerstand und Ungehorsam von Gastronomen und Selbständigen stoßen, die um ihr Leben kämpfen“, sagte Tomer Mor, der Vorsitzende der Initiative „Restaurantbetreiber sind stark zusammen“.

Der israelische Fernsehsender Channel 12 berichtete unter Berufung auf das Finanzministerium, der durch den dreiwöchigen Lockdown verursachte ökonomische Schaden werde sich auf umgerechnet mindestens 4 Milliarden Euro belaufen. Israel ist bereits durch die strikten Maßnahmen während der ersten Welle ökonomisch schwer angeschlagen.

Corona in den palästinensischen Gebieten

Auch im Gazastreifen und im Westjordanland steigen derweil die täglichen Neuinfektionen. Am Donnerstag wurde im Westjordanland erstmals die 1.000er-Marke überstiegen. Ein Vorstoß der palästinensischen Gesundheitsministerin Mai al-Kaila, einen erneuten Lockdown zu verhängen, war zuvor von der Autonomiebehörde aus Angst vor Protesten abgewiesen worden.

„Kein Mensch hält sich hier noch an die Regeln“, erzählt die Lehrerin Samia Hattab* am Telefon, die in Ramallah lebt und ihren Namen aus beruflichen Gründen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Und es gibt so gut wie keine Informationen darüber, was passiert. Nur die Zahlen werden veröffentlicht.“

Im Gazastreifen wurden im September bislang durchschnittlich 112 Neuinfektionen pro Tag gemeldet. Eine nächtliche Ausgangssperre, die Ende August verhängt worden war, wurde am Samstag für einige Bezirke noch ausgeweitet.

* Name geändert

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6 Kommentare

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  • 0G
    03030 (Profil gelöscht)

    'Auch der Eintritt zu Synagogen und anderen Gotteshäusern soll stark eingeschränkt oder ganz untersagt werden.'



    dann soll'n se mal nicht jammern,wenn die himmlische strafe auf dem fusze folgt.



    ich sach nur, dont mess with Him!

  • „Seit Monaten gehen Demonstrierende...“



    Wie geht man Monate am Stück demonstrieren? Das macht doch semantisch gar keinen Sinn, oder?

    • 0G
      03030 (Profil gelöscht)
      @Andi S:

      ..am *stock* gehts auch monatelang am stueck

  • Hoffentlich einigen sich die Bewohner des Streifens und die Ureinwohner in den besetzten Gebieten mit ihrem hochmodernem Nachbar.

    Denn nur gemeinsam sind sie stark und können dem Virus Paroli bieten.

    Ich meine, zu Beginn der Pandemie klappte die Zusammenarbeit gut.

    Derzeit liegt sie offenbar leider brach.

    Aber warum?

    • @Lady Tanja:

      "Ureinwohner in den besetzten Gebieten"

      Wer soll das sein?

      • @h3h3y0:

        Kleiner Hinweis:

        Siedler sind es nicht.

        Denn die kamen erst später.