Auswirkungen der Coronapandemie: Reinere Luft, mehr Ungleichheit
Die Coronapandemie mindert den Wohlstand und verstärkt Ungleichheit. Arbeitgeber fürchten steigende Sozialbeiträge für Jahrzehnte.
Der Wohlfahrtsindex beruht auf 20 Einzelkomponenten, auch Variablen zur Umweltbelastung und zur sozialen Situation in Deutschland fließen ein. Aktuelle Werte für den Index für 2020 liegen zwar noch nicht vor. Aber aus der Entwicklung von Einzelindikatoren entwickeln die ForscherInnen Schätzungen für eine Gesamtschau.
„So dürfte die Ungleichheit der Einkommen zugenommen haben, weil Geringverdiener infolge des Lockdowns häufiger Einkommenseinbußen erlitten. Ein Grund: Sie arbeiten oft in Berufen, in denen eine Verlagerung ins Homeoffice gar nicht oder sehr viel schwerer möglich ist“, heißt es in einer Mitteilung zur Studie. Der private Konsum werde coronabedingt um 5 Prozent im Jahr 2020 zurückgehen. Kapitaleinkünfte sind den ForscherInnen zufolge dagegen weniger von der Krise betroffen, weil sich die Börsenkurse wieder erholten.
„Der Wert der Hausarbeit“ dürfte im laufenden Jahr zugenommen haben, weil sich viele Aktivitäten während des Lockdowns „von der Sphäre formellen Wirtschaftens in die informelle Sphäre“ verschoben haben, heißt es in der Mitteilung zur Studie. Das wird als positiv für den Index gewertet. Inwieweit dabei Frauen besonders belastet sind, wird mit dem Index aber nicht erfasst.
Arbeitgeber für längere Lebensarbeitszeit
Während der Wohlfahrtsindex der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, wie komplex die Folgen von Corona sind, bringen sich die Arbeitgeber angesichts kommender Verteilungskämpfe in Stellung. Eine Kommission der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) forderte am Donnerstag unter anderem, die Lebensarbeitszeit zu verlängern und die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld wieder auf zwölf Monate zu reduzieren.
So soll verhindert werden, dass die Sozialversicherungsbeiträge in den kommenden Jahrzehnten steigen, wenn sich die Demografie noch stärker bemerkbar macht. Die Kommission befürchtet, dass sonst die Sozialbeiträge von bisher noch unter 40 Prozent auf 50 Prozent des Bruttolohns im Jahr 2040 steigen könnten.
Laut Statistischem Bundesamt vom Donnerstag ist die Armutsgefährdungsquote zwischen 2009 und 2019 in allen westlichen Bundesländern und in Berlin auf 15,4 Prozent der Haushalte gestiegen, in den östlichen Bundesländern hingegen auf 17,9 Prozent gesunken.
Im Stadtstaat Bremen liegt die Armutsgefährdungsquote mit 24,9 Prozent am höchsten. In Metropolen mit angespanntem Arbeitsmarkt und einem hohen Anteil an Single- und Alleinerziehenden-Haushalten kann die Armutsgefährdungsquote hoch ausfallen. Wer 2019 etwa als Alleinstehende weniger als 1.074 Euro netto im Monat zur Verfügung hatte, galt als armutsgefährdet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!