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Krankenhäuser fordern RettungsschirmKollateralschäden der Pandemie

Aus Angst vor Corona-Ansteckung gingen viele Patienten im Frühjahr nicht ins Krankenhaus. Für Kliniken bedeutet das schwere finanzielle Einbußen.

Leere Wartezimmer, kaum Operationen: ein Krankenhaus in Bayern im April Foto: Peter Kneffel/dpa

Im Frühjahr, auf dem bisherigen Höhepunkt der Pandemie in Deutschland, hatten viele Ärzte eine Sorge geäußert: Kranke Menschen könnten, entweder aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus oder mit Rücksicht auf die eingeschränkten Versorgungskapazitäten in den Kliniken, nicht bloß planbare, sondern auch medizinisch dringliche Therapien zeitlich nach hinten verschieben.

Dieses Verhalten könne schwere gesundheitliche Spätfolgen, aber auch hohe Kosten für die Krankenversicherungen nach sich ziehen. Jetzt, ein knappes halbes Jahr später, deutet sich an: Die Sorge der Ärzte war offenbar berechtigt. „Wir müssen einen deutlichen Rückgang bei Notfällen konstatieren“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, der taz.

Aus den Notaufnahmen der Kliniken, so Baum, werde ihm berichtet, dass weniger, aber kränkere Patientinnen und Patienten im vergangenen Frühjahr Hilfe gesucht hätten. So hätten die Krankenhäuser für März und April stark rückläufige Zahlen bei Herzinfarkten und Schlaganfällen vermeldet – und zugleich gestiegene Zahlen bei Blinddarmdurchbrüchen. Dies deute darauf hin, dass einige Patientinnen und Patienten die Notaufnahmen gemieden und andere zu lange gewartet hätten. „Problematisch ist dies vor allen Dingen dann, wenn leichte Verläufe von Herzinfarkt und Schlaganfall gar nicht erkannt werden“, sagte Baum. „Die Folgeschäden können gravierend sein.“

Die Einschätzungen der DKG decken sich mit Berechnungen, die das Wissenschaftliche Institut der AOK, kurz Wido, unlängst veröffentlichte. Danach zeigte die Auswertung der Krankenhausfälle von 27 Mil­lionen AOK-Versicherten, dass es während der Lockdown-Phase im März und April einen deutlichen Rückgang der Fallzahlen von insgesamt 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gab.

Ausfälle werden nicht ausgeglichen

Den Löwenanteil machte der Verzicht auf planbare, nicht lebensnotwendige Eingriffe aus. Operationen zum Arthrose-bedingten Hüftersatz etwa verzeichneten ein Minus von 79 Prozent. Stark gesunken seien aber auch die Behandlungen von Herzinfarkten (minus 31 Prozent) und von Schlaganfällen (minus 18 Prozent). Für den Wido-Geschäftsführer Jürgen Klauber „weisen diese starken Rückgänge in der Behandlung von echten Notfällen darauf hin, dass betroffene Patientinnen und Patienten in der Phase des Lockdowns den Rettungsdienst seltener alarmiert haben“. Die Folgeschäden sind oft erst nach Jahren abschätzbar.

Eine Ausnahme immerhin gibt es: Dringend notwendige Krebsoperationen, etwa an der Brust oder am Gebärmutterhals, auch das zeigen die Daten der AOK, wurden offenbar nicht aus falsch verstandener Rücksichtnahme aufgeschoben.

Einen verschleppten Herzinfarkt zu behandeln kann teurer sein als eine frühzeitige Intervention

Die Kliniken indes beschäftigt auch die Frage, welche finanziellen Konsequenzen die verzögerten Therapien nach sich ziehen werden – einen verschleppten Herzinfarkt zu behandeln kann weitaus teurer sein als eine frühzeitige Intervention. Belastbare Daten hierzu lägen noch nicht vor. Klar sei aber schon jetzt, beklagt die DKG, dass „die Erlösausfälle aus dem ambulanten Bereich der Kliniken nicht ausgeglichen werden“.

Auf den weiteren Verlauf der Pandemie, so der DKG-Hauptgeschäftsführer Baum, seien die Häuser insgesamt „gut vorbereitet“. Personal sei geschult, Intensivkapazitäten ausgebaut und Vorräte mit Schutzausrüstungen angelegt worden.

Krankenhäuser brauchen Anschlussfinanzierung

Der Befürchtung, dass im Fall einer sogenannten zweiten Welle Engpässe in der ­Versorgung drohen könnten, hatte zuletzt auch Reinhard Busse, Professor für Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin, widersprochen: „Bezüglich der normalen Krankenhausbetten ist auch bei hohen Infektionszahlen überhaupt kein Problem zu erwarten.“ Busse (siehe taz vom 1. 8. 2020) bezog sich dabei auf Berechnungen von Wissenschaftlern der Technischen Universität Berlin, der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido).

Gute Versorgung, so die DKG, brauche aber auch ausreichende Finanzierung. Ende September jedoch liefen die Maßnahmen des Rettungsschirms aus. Die Pandemie sei dann noch längst nicht vorbei. „Ohne eine Anschlussfinanzierung für das Winterquartal und für die ersten Monate des kommenden Jahres fehlt den Krankenhäusern die Sicherheit“, so Baum zur taz. Schließlich müssten die Kliniken weiterhin Kapazitäten für potenzielle Covid-19-Erkrankte freihalten, Mehrbettzimmer dürften mit Rücksicht auf den Infektionsschutz nicht komplett belegt werden. Die Politik, forderte Baum, müsse „hier schnellstmöglich handeln, um den Krankenhäusern den Rücken freizuhalten“.

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2 Kommentare

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  • Was ist das Kernproblem? Das die Menschen nicht mehr ins Krankenhaus gehen, aus welchen Gründen auch immer? Oder besteht das Kernproblem nicht darin, dass die Krankenhäuser nach betriebswirtschaftlichen Kriterien geführt werden und arbeiten müssen? X-Tage Behandlung für Krankheit X, für x-Euro! Egal, wie sich der individuelle Krankheitsverlauf oder Genesungsprozess entwickelt. Der nächste, bitte!







    Das waren politische Entscheidungen! Und die sind nicht vom Himmel gefallen. Auch nicht die "kostensenkenden" Privatisierungen von Krankenhäusern, Reha Einrichtungen, Kurhäuser, Pflegeeinrichtungen etc.

    Es war einmal, dass das Gesundheitswesen keine Gewinne mehr machen muss, sondern lediglich darauf achten s o l l t e , möglichst kostendeckend zu arbeiten. Es musste keine Gewinne machen!



    Stünden die Patienten und ihr Wohl im Mittelpunkt, würde nicht so häufig über den Kostendruck im Gesundheitswesen diskutiert, würde das Personal vernünftig bezahlt, wären unnötige oder Vorsorgeoperationen nicht zum Teil zur Kostendeckung erforderlich.

    Das Gesundheitswesen ist Teil der staatlichen Daseinsvorsorge! Es muss zurück in die öffentliche Hand. Wir müssen doch sowieso im Falle des Falles dafür die Kosten übernehmen! Nachdem sich Einzelne zuvor damit eine goldene Nase verdient haben!

  • Wie ich von einem Freund, der die sehr undankbare Arbeit des Krankenpflegers ausübt (meine Hochachtung!), erfahren darf, haben diese "nicht lebensnotwendigen" und daher verschobenen Operationen wohl Einigen das Leben gekostet. Die Leute mit Tumor sind nicht gleich am nächsten Tag gestorben, sondern Wochen bis Monate später, weil der nicht herausoperierte Tumor dann geplatzt ist oder anderweitig gestreut hat, sodass eine dann folgende Not-OP die Patienten nicht mehr retten konnte. Ähnliches galt für andere Beschwerden, die nicht direkt tödlich, aber lebensverkürzend wirken.