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Repressionen in BelarusDie EU muss handeln

Kommentar von Barbara Oertel

Der belarussische Machthaber Lukaschenko darf nach seinem Wahlbetrug nicht ohne Sanktionen davonkommen. Die EU muss die Zivilgesellschaft stützen.

Es gilt die Zivilgesellschaft maximal zu unterstützen: Symbol der Opposition gegen Lukaschenko Foto: Sergei Grits/ap

E s braucht schon einen schamlosen Wahlbetrug, Militäreinsätze, Tote sowie die Flucht einiger Oppositioneller ins Ausland, damit Belarus wieder einmal auf die Tagesordnung westlicher Länder kommt. Bloß kein Maidan, wie damals in der Ukraine, mögen sich manche PolitikerInnen denken. Dann doch lieber Ruhe und Ordnung an der EU-Außengrenze. In der Tat stehen die Chancen dafür gut, dass bald wieder Stabilität einkehrt, oder das, was Staatschef Alexander Lukaschenko dafür hält – welchen Preis auch immer die Menschen in Belarus dafür zahlen und noch werden zahlen müssen.

EU droht mit Sanktionen gegen Belarus

Am Dienstagabend veröffentlichte die EU eine Erklärung des EU-Außenbeauftragen Josep Borrell im Namen der 27 Mitgliedstaaten. Darin droht sie der Führung von Belarus mit Sanktionen. Die EU werde die Beziehungen zu Minsk auf den Prüfstand stellen und auch „Maßnahmen“ gegen belarussische Vertreter prüfen, die für „Wahlmanipulation, Gewalt gegen regierungskritische Demonstranten sowie willkürliche Festnahmen“ verantwortlich seien. Die Wahl sei „weder frei noch fair“ gewesen.

Also zurück zur Tagesordnung? Nicht ganz. Es werden wieder Rufe laut nach neuen Sanktionen der EU gegen Belarus, um dem autokratischen Dauerherrscher klarzumachen, dass sein rigoroser Kurs, der mit schwersten Menschenrechtsverletzungen einhergeht, vielleicht doch nicht folgenlos bleibt. Die Ironie der Geschichte ist, dass ebendiese Sanktionen, die auch Alexander Lukaschenko persönlich betrafen, im Jahr 2016 teilweise aufgehoben wurden. Es genügte die Freilassung einiger politischer Gefangener, die manche zu dem Irrglauben verleiteten, Lukaschenko beschreite nun doch den Weg einer ansatzweisen Liberalisierung.

Was von derartigen Wunschträumen zu halten ist, ist nach Lukaschenkos jüngster Vorstellung rund um die Präsidentenwahl klar. Auch seine medienwirksam inszenierte Rolle als Makler zwischen dem Westen, Russland und der Ukrai­ne bei der Aushandlung eines Friedens im Donbass dürfte sich erledigt haben.

Gegner westlicher Sanktionen befürchten zu Recht, dass Strafmaßnahmen Lukaschenko weiter in die Arme Moskaus treiben könnten. Doch am Rockzipfel und Tropf des Kremls hängt er sowieso schon. Seine geschwächte Position, die auch der Ausgang der Wahl nicht kaschieren kann, böte Moskau jetzt die Chance, den Unionsvertrag aus dem Jahr 1999 zwischen beiden Staaten durchzusetzen und den Nachbarn einfach einzugemeinden. Und dann wäre ein unabhängiges Belarus nur noch eine Fußnote der Geschichte.

Doch noch ist es nicht so weit. Ungeachtet dessen, was Russlands Präsident Wladimir Putin im Schilde führen mag: Die EU muss jetzt eine klare Antwort formulieren, so begrenzt die Wirkung auch sein mag. Neue und harte Sanktionen gegen diejenigen, die für die jüngsten Repressionen gegen die Opposition verantwortlich zeichnen. Denn Lukaschenko kann kein ernst zu nehmender Dialogpartner mehr sein. Gleichzeitig gilt es, die Zivilgesellschaft, die niemand mehr ignorieren kann, maximal zu unterstützen. Die Ins­tru­mente dafür sind in Brüssel längst vorhanden.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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3 Kommentare

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  • Sanktionen der EU waren in den letzten Jahren nicht besonders wirkungsvoll.

    Ich bezweifle, dass das hier anders sein wird.

  • Es besteht kein Zweifel. Lukaschenko ist ein machtbesessener Autokrat, einer, den wir im Westen uns sicherlich nicht als Machthaber wünschen. Dennoch ist der Ruf nach Sanktionen kritisch zu sehen. Zum ersten leider darunter in erster Linie die Zivilgesellschaft. Zum zweiten schweißen Sanktionen eine Gesellschaft eher zusammen, abgesehen weniger Hardcore-Regimegegner. Zum dritten sollte der Westen erst mal seinen eigenen Laden sauber halten. Anziehung anstatt Erziehung. Es gibt genug Baustellen, die wir selbst zu lösen haben. Wenn wir es schaffen, den immer größer werdenden Abstand zwischen Arm und reich wieder zu verringern, unserer eigene Zivilgesellschaft eine dauerhafte Perspektive zu geben (Gruß an die USA), dann legen wir als Role Model für eine gerechte Gesellschaft das Fundament für andere, von uns zu lernen. Andernfalls klingt der Ruf nach Sanktionen nur nach geopolitischem Säbelrasseln eines alten eurozentrischen Imperiums.

    • @Weltbürger_01 Kantioler:

      Das klingt nicht sehr nach Weltbürger, eher nach dem Loch vom Schweizer Käse, um mit scheinbar linken Argumenten (Abstand zwischen Arm und Reich) Solidarität zu verurteilen.

      Denn die mutige belarussische Massenbewegung für Demokratie



      ist für Unterstützung in vielen Formen dankbar, gerade der sehr milden Form von Sanktionen, sie fordert sie, sie möchte ja gerade aus der Isolation entkommen, die ihr in einem zynischen Zusammenspiel Putin und die schwache, prinzipienlose politische Klasse Europa auferlegt haben.



      Das sind dieselben miesen Leute, die schöne Worte im Gedenken an Auschwitz finden, um am nächsten Tag den chinesischen "Partnern" in die Weichteile zu kriechen, jenen Partnern, die die Konzentrationslager für Uiguren unterhalten.



      Man nennt so etwas internationale Solidarität. Bitte nicht zerreden mit "seinen eigenen Laden sauber halten".

      Wir sind nicht "der Westen", sondern Teil einer weltweiten Bewegung für Demokratie und Menschenrechte, ohne die Fortschritt nicht denkbar ist.



      Am Potsdamer Platz finden abends um 19 Uhr Mahnwachen für Belarus statt, habe ich gelesen.