piwik no script img

Elektronik-Musikerin Demian LichtJedi-Ritterin des Techno

Die mexikanische Musikproduzentin Demian Licht lebt in Berlin. Auf ihrem Album „Die Kraft“ begegnen sich Feminismus und Schamanismus.

Ironisch? Ernst? Die Musikproduzentin Demian Licht und ihr Schwert Foto: Promo

Was soll man davon halten, wenn Leute mit Samuraischwert vor der Kamera posieren? Bei Männern würde man wohl sagen: Spinner. Bei Frauen einfach: Spinnerin? Die in Berlin lebende mexikanische Produzentin Luz González Torres alias Demian Licht präsentiert sich auf Pressefotos gern mit einer solchen Waffe. Und es ist nicht ganz klar, ob die Sache ironisch gemeint ist oder nicht.

Vor einigen Jahren, da lebte Demian Licht noch in Mexiko-Stadt, gab die Musikerin in einem Interview zu Protokoll: „In Europa lesen Frauen über Feminismus. Aber in Lateinamerika leben Frauen den Feminismus, denn hier muss man eine Kriegerin sein.“ Allem Anschein nach, so ließe sich ihre martialische Selbstinszenierung verstehen, hat sie auch als Wahleuropäerin nicht vor, über Feminismus bloß noch zu lesen. Wobei man einwenden könnte, dass Feminismus hier ebenfalls gelebt wird.

Im Jahr 2016 debütierte Demian Licht mit der ersten EP ihrer „Female Criminals“-Trilogie auf dem eigenen Label Motus Records. Vier Jahre später legt sie, inzwischen nach Berlin umgesiedelt, erneut auf dem eigenen Label das Debütalbum „Die Kraft“ vor. Licht, Schwert, die Kraft – ein wenig ist man versucht, bei dieser Bündelung elementarer Begriffe an das „Krieg der Sterne“-Universum zu denken und Demian Licht zur selbsternannten Jedi-Ritterin des Techno zu erklären.

Der rote Weg

Was dem Anliegen von „Die Kraft“ allerdings nicht ganz gerecht werden dürfte. Zumindest nahm Demian Licht während der Arbeit an ihrer Platte in Mexiko an Zeremonien mit Schamanistinnen teil. Und das Konzept des Albums ist gedacht als musikalische Interpretation von „El camino rojo“. Dieser „rote Weg“ diente antiken Kulturen in Mexiko dazu, die eigenen Ahnen anzurufen, so die Auskunft. Esoterik könnte mithin im Spiel sein.

Die Kraft

Demian Licht: „Die Kraft“ (Motus Records)

Wer auf „Die Kraft“ jetzt archaisch anmutendes Gerumpel mit dräuend pochendem Viererbeat vermuten sollte, eine Spielart von Techno, die sich in den vergangenen Jahren herausgebildet hat, dürfte verwundert darüber sein, wie filigran Demian Licht ihre Tracks arbeitet. Die gelernte Toningenieurin weiß genau, wie sie ihr Material gestalten kann, und die vielfältig flirrenden und selbstbewusst artifiziellen Klänge lassen einen sehr eigenwilligen Gestaltungswillen erkennen. Ein bloßes Abrufen etablierter Sound-Routinen ist ihre Sache nicht.

„Die Kraft“ wäre zwar kein Techno-Album, wenn es nicht mit Rhythmen arbeiten würde, die in der einen oder anderen Form vorwärtsdrängen, auf dass sich Körper dazu bewegen wollen. Und Demian Licht setzt durchaus auf die regelmäßig pochende Bassdrum als Fundament, wie es im Genre üblich ist.

Doch darüber legt sie allerhand Material, das sie nach Kräften staucht, verbiegt, bei dem sie wahlweise die Obertöne kristallklar wie ein Stroboskop aufblitzen lässt oder durch den Effekte-Filter jagt, bis sie stumpf-metallisch wirken. Stimmensamples kommen als kieksende Stakkato-Fetzen zum Einsatz, selbst Störgeräusche nutzt sie sparsam für ihre Rhythmen.

Gedanke des ästhetischen Fortschritts

Demian Lichts Ansatz lässt so etwas wie eine zeitgemäße Form des guten alten Zukunftsglaubens erkennen, der zu Techno seit jeher gehört. Ganz gleich, ob man optimistisch oder pessimistisch in die kommende Zeit blickt, begegnet man ihr stets mit klanglichen Mitteln, die dem Gedanken des ästhetischen Fortschritts verpflichtet sind.

Eine Idee, die nach all den Jahren von Retro-Wellen selbst ihre altmodischen Varianten mit bewährten Futurismus-Versatzstücken hervorgebracht hat. Bei Demian Licht hingegen fühlt sich die Zukunft noch nach morgen an. Eine Pionierin ist sie übrigens auch in anderer Hinsicht. In Lateinamerika war sie die bisher erste zertifizierte Trainerin für die Musiksoftware Ableton. Bei ihr kann man lernen, wie man damit Musik produziert. In der immer noch männerdominierten IT-Branche ist sie damit auch in Deutschland noch eine Ausnahme.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!