Volksinitiative streitet mit Senat: SPD drückt sich vorm Enteignen
Seit einem Jahr prüft SPD-Innensenator Geisel das Volksbegehren „Deutsche Wohnen enteignen“. Seine Behörde erhebt nun doch noch konkrete Einwände.
Kunkel sagte: „Das ist juristisches Harakiri.“ Der Verwaltung habe die „eigenwillige Auffassung“, dass eine Volksinitiative eine Regierung in einem Beschluss nicht dazu auffordern dürfe, ein Gesetz zu erlassen, so Kunkel.
Man sehe sich als demokratischer Beschlussvolksentscheid aber dazu legitimiert, alle Entscheidungen zu treffen, die auch ein Parlament treffen darf, erklärte Kunkel. In dieser Kompetenz dürfe man selbstredend auch den Senat dazu auffordern, ein Gesetz zu erlassen. Das täten ja auch Oppositionsparteien sämtlicher Parlamente in Anträgen schließlich auch.
So habe die nun von der Innenverwaltung präsentierte Rechtsauffassung „politischen Sprengstoff weit über den Volksentscheid hinaus“, ist die Initiative überzeugt. Um die Rechtmäßigkeit des Volksbegehren zur Vergesellschaftung großer Wohnkonzerne in Zweifel zu ziehen, stelle die Senatsinnenverwaltung mit ihrer Rechtsauffassung die gängige Verfassungspraxis seit 71 Jahren in Frage, heißt es in einer eilig verschickten Pressemitteilung nach dem Gespräch.
Der jüngste Vorstoß der Verwaltung steht im Gegensatz zu einem Treffen der Initiative mit Vertreter:innen von Rot-Rot-Grün vor zwei Wochen: Damals wurde der Anschein erweckt, die Initiative könne mit der Sammlung von Unterschriften für das eigentliche Volksbegehren bald starten.
Das Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co. enteignen will nach jahrelangen Mietsteigerungen und Verdrängungsprozessen in Berlin renditeorientierten Wohnkonzernen zu Laibe rücken. Der Besitz von großen Wohnungsunternehmen wie der Deutsche Wohnen soll gegen eine Entschädigung in kommunalen Besitz übergehen. 70.000 gesammelte Unterschriften hatte die Volksinitiative vor gut einem Jahr für dieses Anliegen gesammelt, gebraucht hätte sie für die erste Hürde der Volksgesetzgebung nur 20.000.
Drei Änderungen
Seither prüft Geisels Innenverwaltung die rechtliche Zulässigkeit des Antrags. Mit ihrer nun verdeutlichten Rechtsauffassung stellen sich die Jurist:innen aus der SPD-Verwaltung auch gegen Teile der rot-rot-grünen Koalition. Namentlich Linke und Grüne hatten ihrerseit die Rechtmäßigkeit des Volksbegehrens betont und das Anliegen unterstützt.
Dissens gibt es wohl vor allem um einen Satz aus dem Beschlusstext. Dieser lautet: „Daher wird der Senat von Berlin zur Erarbeitung eines Gesetzes zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung nach Art. 15 Grundgesetz aufgefordert.“ Möglich ist etwa, dass die Jurist:innen vorgeschlagen haben, das Wort Gesetz durch Maßnahmen zu ersetzen – was einer deutlichen Verwässerung gleich kommen würde.
Martin Pallgen, Pressesprecher der Innenverwaltung, sagte am Freitag nichts über den konkreten Inhalt der Forderungen. Pallgen erklärte zu dem Gespräch lediglich: „Wir haben auf Arbeitsebene über Formulierungsvorschläge gesprochen und auch konkret drei Änderungsvorschläge gemacht.“ Diese würde die Initiative nun intern besprechen und das Ergebnis der Verwaltung mitteilen. Dann müsse man weitersehen.
Rechtswissenschaftler und Gutachen widersprechen
Die Vertreter:innen der Volksbegehrens vermuten hinter den neuen Vorschlägen den politisch motivierten Versuch der SPD, den Prozess weiter zu verschleppen. „Wir fordern den Senat auf, endlich den Weg freizumachen und von dieser waghalsigen juristischen Argumentation abzurücken“, sagte Kunkel.
Ulrich Battis, Jurist
Über die von den Jurist:innen unterbreiteten Änderungsvorschläge zu Formulierungen im Beschlusstext werde man natürlich trotzdem weiter auf dem nächsten Plenum beraten. Allerdings scheint es für die von der Innenverwaltung vorgeschlagene Änderungen wenig Verhandlungsspielraum innerhalb des Volksbegehrens geben – der Mitteilung der Initiative hängt ein wissenschaftliches Gutachten des Bundestages an, das die Argumentation der Volks-Ini unterstützt.
Beistand für Ihre demokratietheoretische Auffassung bekommt die Initiative auch von dem Rechtswissenschaftler Ulrich Battis. Ihn hatte der Senat etwa auch bauftragt, ein Gutachten zum Mietendeckel zu erstellen. Auf die Frage der taz, ob der entscheidende Satz im Beschlusstext zulässig wäre, sagt Battis: „Das Satz ist absolut korrekt.“ Es sei hinreichend konkret, den Senat zur Erarbeitung eines Gesetzes aufzufordern.
„Ich halte das für ein politisches Argument. Die Politik will mehr Spielraum. Dabei ist das, was das Begehren will, doch klar formuliert: ein Sozialisierungsgesetz“, sagt Battis. Wenn man das Wort Gesetz im Beschlusstext etwa durch Maßnahmen ersetze, könne die Opposition sagen: Geeignete Maßnahmen wäre auch Neubau. „Das aber will das Volksbegehren nicht: Die wollen Sozialisierung von Wohnraum, wie es nach Art. 15 Grundgesetz möglich ist“, sagt er. Das Volksbegehren sei ohne Einschränkungen zulässig, offen bliebe für ihn natürlich die Finanzierung einer möglichen Vergesellschaftung.
Wie genau die konkreten Änderungsvorschläge der Innenverwaltung sind, will auch Kunkel nicht verraten. Aber dadurch, dass Geisels Behörde nun endlich Position bezogen hätte, komme man nun auch etwas voran. So hätten die Gespräche sogar etwas Gutes, so Kunkel: „Endlich hat die Innenverwaltung mal die Hosen runtergelassen.“
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