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Wie divers ist unser Staat?

Weltweit demonstrieren Menschen gegen Rassismus. Auch deutsche Institutionen positionieren sich

Sonst würden die Selbstverpflichtungen, sich für mehr Vielfalt einzusetzen, über den Sommer sinken, sagt Juliane Schlei, doch in diesem Jahr sei das anders. In den vergangenen Wochen hätten 55 Institutionen die „Charta der Vielfalt“ unterzeichnet, so Schlei, Vertreterin des gleichnamigen Vereins, der sich für mehr Diversität in Unternehmen und Institutionen einsetzt.

Der Vorsatz ist, Chancengleichheit für Beschäftigte herzustellen, jedoch ohne die Vorgabe konkreter Maßnahmen. Die Charta hat auch das Auswärtige Amt (AA) 2014 unterzeichnet. 2019 gründete sich dort die Initiative „Diplomats of Color“. Das Netzwerk setzt sich heute für Diversität und Inklusion ein. Tiaji Sio, eine junge, Schwarze Diplomatin, ist die Gründerin dieser Initiative. Die 23-Jährige arbeitet in der Protokollabteilung und organisiert offizielle Besuche. „Die Idee entstand, als mir auffiel, wie stark der Gegensatz zwischen meinem diversen Umfeld und der Homogenität im Auswärtigen Amt ist“, sagt Sio. Gerade das Auswärtige Amt und sein weltweites Netz an Auslandsvertretungen profitiere von mehr Diversität: „Personen mit Mi­gra­tionsgeschichte sind mit höherer Wahrscheinlichkeit interkulturell kompetent, sprechen verschiedene Sprachen und bringen ihre Perspektiven mit ein.“

Um das Ministerium zu sensibilisieren, lädt „Diplomats of Color“ Expert*innen wie Tupoka Ogette ein, die vergangene Woche ihr Buch „Exit Racism“ vorstellte – die erste Veranstaltung des Ministeriums zum Thema Rassismuskritik. Auch für eine Aufarbeitung der Rolle des AA im Kolonialismus setzt sich das Netzwerk ein. „Das Auswärtige Amt hat umfassend seine Rolle in der NS-Zeit untersucht. Wir sprechen uns auch dafür aus, die Kolonialgeschichte des Ministeriums zu beleuchten“, sagt Sio.

Am Diversitätstag Ende Mai veröffentlicht das AA ein Video, in dem Tiaji Sio die Initiative vorstellt. Es entfachte eine Debatte über Repräsentation im Staat. „Das Video habe sehr polarisiert, erklärt Sio. Sie wunderte der Shitstorm nicht: „Als Schwarze Person in Deutschland bin ich mit rassistischen Äußerungen aufgewachsen.“ Die kollegiale Solidarität sei aber groß gewesen, auch Außenminister Maas unterstützt „Diplomats of Color“.

„Die gesellschaftliche Vielfalt spiegelt das Auswärtige Amt – wie die meisten Ministerien – bisher nur sehr eingeschränkt wider“, sagt Sio. Deutlich zeige sich das an Führungspositionen. Den Anteil von Mitarbeiter*innen mit Migrationsbiografien erfasst das AA unregelmäßig. 2016 stellte eine Studie des Bundesinnenministeriums fest, dass der Anteil der Beschäftigten mit Migrationsgeschichte in der Bundesverwaltung bei etwa 15 Prozent liegt. Diese Gruppe bestehe vor allem aus jungen Frauen, die in eher niedrigen Laufbahngruppen arbeiten und seltener verbeamtet sind.

Für mehr Vielfalt müsste sich strukturell etwas ändern, findet Sio. Es gäbe junge Menschen aus Teilen der Gesellschaft, die bisher nicht auf die Idee kämen, sich beim Auswärtigen Amt zu bewerben. „Da geht es nicht etwa um Quoten“, sagt Sio. Stattdessen müsse ein „Arbeiterkind mit Migrationshintergrund“ bei gleicher Qualifikation dieselben Chancen haben wie der Nachwuchs einer Botschafterfamilie und das auch wissen. „Dafür reicht die Charta der Vielfalt nicht aus, sondern es müssen konkrete Maßnahmen daraus folgen. Unser Staat braucht Diversitätsmanagement.“

Alexander Kauschanski und Lilian Schmitt

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