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Coronavirus in Wiesenhof-BetriebAusbruch im Schlachthof

Im einem Schlachthof in Lohne sind 66 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Die meisten hätten sich im Privaten angesteckt, sagt der Landkreis.

Der Ort wirkt klein dagegen: Wiesenhof-Schlachthof in Lohne Foto: Mohssen Assanimoghaddam

Bremen taz | Erneut ist das Coronavirus in einem Betrieb der Fleischindus­trie ausgebrochen, diesmal im Landkreis Vechta. In einem Geflügel-Schlachthof der Firma Oldenburger Geflügelspezialitäten in Lohne wurden 66 Menschen positiv getestet. Das teilte der Landkreis am Wochenende mit. Der Schlachthof gehört zur PHW-Gruppe, bekannt durch die Marke Wiesenhof. 1.046 der insgesamt 1.284 Beschäftigen wurden getestet – die restlichen seien im Urlaub, krank oder bereits in Quarantäne, erklärte Vechtas Landrat Herbert Winkel (CDU) am Sonntag.

Bereits Anfang und Ende Juni seien im Betrieb Testreihen durchgeführt worden, so Winkel, mit je zwei positiven Ergebnissen. Von Wiesenhof selbst durchgeführte risikobasierte Tests seien dann vermehrt positiv ausgefallen, sodass man am 16. Juli nochmals testete. Bisher wurden in Vechta insgesamt 70 Kontaktpersonen der 66 Infizierten unter Quarantäne gestellt, in Diepholz weitere 64. Das zuständige Gesundheitsamt sucht noch immer nach weiteren Kontaktpersonen.

Ein Infektionsherd im Schlachthof selbst konnte bisher nicht ausgemacht werden, sagt Winkel. „Also habe ich keinen Grund dafür, den Betrieb zu schließen.“ Um diese „Ermessensentscheidung“ zu treffen, seien Schichtpläne und Wohnorte der Infizierten miteinander verglichen worden. Lediglich im Kartonlager des Schlachthofs sei es zu einer leichten Anhäufung von Infektionen gekommen – insgesamt sieben wurden festgestellt. Dabei sei während der Arbeit ein Abstand von zwei bis drei Metern einhaltbar. Man vermute daher, dass in den Pausen der Abstand nicht eingehalten wurde, so Winkel.

Überwiegend sollen die Infektionen im privaten Bereich passiert sein. Die Ermittlung der Infektionsherde sei schwer, da es sich „oft nicht um deutschsprachige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter handelt“, sagt der Landrat. Diese würden aussagen, dass sie sich an Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen halten. „Aber vom Gesamtbild her kann das eigentlich nicht sein.“ Mitte der Woche sollen weitere Tests durchgeführt werden, um Infektionsherde herauszufinden.

Auch der Wiesenhof-Vorsitzende Peter Wesjohann vermutet als Grund für die Fälle im Kartonlager, „dass vielleicht ein Fehlverhalten vorliegt“. Daher wolle man die Hygienemaßnahmen verschärfen, wie er am Sonntag berichtete. Mehr Personal soll die Einhaltung der Abstandsregel in den Pausen überwachen. Auch werde die Anzahl der risikobasierten Tests erhöht und der Schlachthof einer erneuten Komplettdesinfektion unterzogen.

Schon vor Corona-Zeiten habe man ein „hochwertiges Hygienekonzept“ in einem der „modernsten Hähnchenschlachthöfe weltweit“ gehabt, in dem Schlachtung und Zerlegung inzwischen komplett automatisiert ist: Schutzkleidung von Kopf bis Fuß, regelmäßige Schulungen, ausreichend Desinfektionsmittel.

Mit dem Ausbruch des Virus wurden die Schulungen intensiviert, die Schichten komplett getrennt und verpflichtende Tests für Urlaubsrückkehrer und neue Mitarbeitende eingeführt. Abstände beim Arbeiten seien vielfach ohnehin gegeben, an kritischen Stellen wurden Plastiktrennwände aufgebaut, die Pausenbereiche erweitert, sagt Wesjohann. Auch beim Transport der Werkvertragsarbeiter aus ihren Unterkünften sei der Abstand gewährleistet worden.

Der Theologe Peter Kossen, der sich seit langem für die Rechte von Werkvertragsarbeitern einsetzt, kritisiert die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie mit Subunternehmen und maroden Unterkünften und bezeichnet diese als „moderne Sklaverei“. In „vielen Fällen“ handele es sich bei den Wohnorten der Infizierten aber um Einzelhaushalte und keine der oft kritisierten Massenunterkünfte, sagt Landrat Winkel. In wie vielen genau, konnte ein Sprecher des Landkreises nicht konkretisieren.

Ein branchenspezifisches Problem sehen die Verantwortlichen nicht: Auch woanders gab es viele Coronafälle, betont Winkel, etwa in der Paketbranche. Die Häufung der Infektionen liege nicht unbedingt an Größe oder Branche des Betriebs, sondern auch an den „Bevölkerungsanteilen, die da arbeiten und die Hygieneregeln vielleicht besser einhalten“. Mit der Beurteilung solcher Fragen müsse man aber sehr vorsichtig sein.

Auch Wesjohann wehrt sich gegen eine Verurteilung der Fleisch­industrie und weist darauf hin, dass es dort „sicherlich eine gewisse Anzahl“ Fälle gebe – „vielleicht aber auch mehr Testungen“. Er erinnert zudem daran, dass man schon vor einiger Zeit beschlossen habe, bis zum 1. Januar 2021 die Werkvertragsbeschäftigten alle in ein festangestelltes Arbeitsverhältnis zu überführen.

Auch die Bundesregierung will gegen Werkverträge in der Fleischindustrie vorgehen, wie Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) Anfang Juli der Frankfurter Allgemein Sonntagszeitung sagte.

In den vergangenen Wochen war es in mehreren Fleischfabri­ken in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zu Corona-Ausbrüchen gekommen, so bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück oder im ebenfalls zu Wiesenhof gehörenden Putenschlachthof Geestland bei Oldenburg. Der Tönnies-Schlachthof musste für einen Monat dichtmachen, in Geestland musste man für zwei Wochen schließen.

Mit den Schlachthof-Mitarbeitenden sind im Landkreis Vechta nun 41,67 von 100.000 Einwohner*innen binnen einer Woche neu infiziert. Vorher betrug die sogenannte Inzidenz­zahl lediglich 16,24. Ab einem Wert von 50 müsste der Landkreis nach aktueller Gesetzeslage Konsequenzen ziehen. In diesem Fall würde man schauen, kündigt Winkel an, wo genau die meisten Infektionen aufgetreten sind, „um dann gegebenenfalls Ausgangssperren örtlich begrenzt einzuführen – aber nicht für den gesamten Landkreis“.

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1 Kommentar

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  • 0G
    02612 (Profil gelöscht)

    Im Fall Tönnies haben ja gerade die " Experten " laut" Gutachten" laach - festgestellt die saumäßigen Unterkünfte der gehaltenen Arbeitnehmer hätten nichts mit dem Ausbruch der über 1400 Corona Fälle zu tun...