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Kampf um SPD-Vorsitz in BerlinFranziska Giffey am Ruder

Die Familienministerin will SPD-Landeschefin werden und damit Spitzenkandidatin 2021. Sie weiß schon, womit sie punkten möchte. Ein Ortstermin.

Wollen an die SPD-Spitze rudern: Bundesfamilienministerin Giffey und Fraktionschef Saleh Foto: dpa

BERLIN taz | Mit dem Ruderboot über den Müggelsee – das kann so romantisch sein. Die große Liebe an Bord, die Wellen plätschern sanft vor sich hin, die Sommersonne sorgt für entspannte Urlaubsstimmung. Als am Donnerstagnachmittag Franziska Giffey und Raed Saleh ein paar Meter über die Müggelspree bei Rahnsdorf rudern, geht es zwar nicht um Romantik, aber immerhin um (ver)traute Zusammenarbeit.

Die Bundesfamilienministerin und der Frak­tions­vorsitzende im Berliner Parlament wollen Ende Oktober zu Landeschefs der Berliner SPD gewählt werden, als Nachfolger von Michael Müller. Giffey gilt dabei vielen in der Partei als letzte Hoffnung, im Roten Rathaus eine rote Regentin zu halten: Zu schlecht waren die Umfragewerte zuletzt unter Müller. Als Parteichefin hätte sie ersten Zugriff auf die Spitzenkandidatur für die Wahl im Herbst 2021.

Weil die ehemalige Bürgermeisterin von Neukölln aber im Landesverband der SPD wenig präsent war, braucht sie einen Partner an der Parteispitze: Das soll der umtriebige Frak­tions­chef werden, der ihr den Rücken freihält. Aber können die beiden überhaupt miteinander? Sprich: Schlagen ihre Ruder im gleichen Takt? Lässt sich Giffey gar von Saleh über den See schippern?

Ministerin im Matrosinnenkostüm

Mit Terminen wie jenem am Donnerstag wollen sie Bilder produzieren – schließlich waren viele Fotografen und ein RTL-Kamerateam vor Ort –, die zeigen: Hier rudern zwei in dieselbe, vielleicht sogar richtige Richtung. Extra für die beiden hatte die BVG ihre kleinste Fähre aktiviert, die sonst nur am Wochenende fährt.

„Berlin ist überall so schön“

Franziska Giffey, SPD

Der BVG-Bootsmann lässt die SPD-PolitikerInnen sogar an die Ruder: Sie im blauen Matrosinnenkostüm auf der einen Seite, er in schwarzen Jeans auf der anderen. Nach einigen Pirouetten klappt das ganz gut. Und doch gibt der BVG-Schiffsführer ihnen am Ende mit: „Zwei Kapitäne, das ist schwierig.“

Erfolgreich am Ufer angekommen treffen die beiden Müggelseefischer Andreas Thamm und dessen Tochter, um über die Zukunft des Handwerks zu reden. Danach lassen sie sich mit einer anderen, diesmal elektrischen BVG-Fähre, in die Ausflugsgaststätte Neu-Helgoland schippern, um mit deren Chefin über die Sorgen der Gastronomie in Coronazeiten zu sprechen.

Drei Monate Umsatz fehlten, klagt jene, Hochzeiten und Fami­lien­feiern seien allesamt abgesagt worden. „Für Gaststätten wie diese und kleine Unternehmen legt der Senat am Freitag ein 500-Millionen-Euro-Förderprogramm auf“, kündigt Saleh an. „Wir setzen ein Zeichen für die Branche, die besonders von Corona betroffen ist“, ergänzt Giffey. Klingt wie gut abgesprochen.

Dann lassen beide – obgleich ja noch nicht gewählt als SPD-Chefs – durchblicken, wen sie für den Hauptgegner im Wahlkampf halten: die Grünen. „Berlin ist überall so schön“, schwärmt Giffey, ein Satz, der aus vielen Mündern von PolitikerInnen banal geklungen hätte. Bei ihr wirkt das hier, jottwede, viel näher an Brandenburg als am Roten Rathaus, erstaunlich natürlich, als hätte sie nie etwas anderes gemacht als Berliner Lokalpolitik. Inhaltlich steckt der Vorwurf an die Grünen darin, Politik nur für eine innerstädtische Klientel zu machen.

Netzwerken ist das A und O in der Politik Foto: dpa

Für Giffey geht es zudem darum, den BerlinerInnen deutlich zu machen, dass „die Politik für sie da ist, dass ein Grundvertrauen in eine funktionierende und sichere Stadt“ bestehe. Sicherheit: Damit konnte Giffey schon in ihrer Zeit in Neukölln punkten.

Saleh wiederum hat für die Arbeit des Senats nur dezentes Lob übrig: „Gute Arbeit in der Coronakrise“ hätten die SenatorInnen geleistet. Das klingt wie das „Hat sich stets Mühe gegeben“ aus einem Arbeitszeugnis. Und dass der Fraktionschef ausgerechnet Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (ebenfalls SPD) als Einzige herausstellt – jene Senatorin, die für ihre Arbeit inzwischen aus allen drei Regierungsparteien deutlich kritisiert wird – zeigt, dass das Rudern um die besten Plätze längst begonnen hat.

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