: „Drittklassig behandelt“
Andreas Lutz vom Gründer-Verband VGSD rügt den Umgang mit Solo-Selbstständigen in der Krise
Andreas Lutz,54, ist 1. Vorsitzender des Verbandes der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD).
Interview Barbara Dribbusch
taz: Herr Lutz, Sie bemängeln, dass die 2,2 Millionen Solo-Selbstständigen im Konjunkturpaket gar nicht mehr vorkommen.
Andreas Lutz: Die Solo-Selbstständigen gehören zu den Hauptverlierern in der Coronakrise. Zum Schutz der Gesundheit wurde vielen dieser Erwerbstätigen ihre Berufstätigkeit quasi verboten, und mit diesem Schaden werden sie nun alleingelassen.
Die Politik und Wirtschaftsforscher verweisen darauf, dass Solo-Selbstständige, die Hilfe zum Lebensunterhalt benötigen, doch jetzt zu angeblich günstigen Bedingungen Hartz IV beantragen können.
Solche Äußerungen ärgern uns sehr. Solo-Selbstständige werden damit als Erwerbstätige dritter Klasse behandelt, nachrangig nach den Beamten und Angestellten. Man hat das Kurzarbeitergeld für alle Angestellten erhöht, um solchen mit niedrigen Einkommen die sogenannte Schmach von Hartz IV zu ersparen. Für die Selbstständigen soll die Grundsicherung jetzt etwas ganz Dolles sein.
Wer Hartz IV beantragt, hat derzeit höhere Freibeträge beim Vermögen, heißt es zum Beispiel.
Wir haben zusammen mit dem ZEW-Institut in Mannheim und der Universität Trier eine Umfrage gemacht unter 16.000 hauptberuflichen Solo-Selbstständigen, darunter viele Leute aus dem Kultur- und Veranstaltungsbereich, dem Unterrichtswesen, Touristik, Gastronomie und andere. Bei knapp 60 Prozent der Befragten ist der monatliche Umsatz in der Coronakrise um mehr als 75 Prozent eingebrochen. Aber mehr als 80 Prozent der Betroffenen, die ihren Lebensunterhalt nicht mehr aus ihrem Einkommen decken konnten, haben angegeben, gar keinen Antrag auf Hartz IV stellen zu können, weil sie keinen Anspruch darauf hätten.
Wer 60.000 Euro an frei verwertbarem Vermögen besitzt, dazu noch eine Altersversorgung, die erst zu Renteneintritt fällig ist, der kann jetzt Hartz IV beantragen. Das hört sich nach gar nicht so wenig an.
Viele Solo-Selbstständige sind über 50 und haben privat für ihr Alter vorgesorgt. Es ist doch widersinnig, erst von den Selbstständigen zu verlangen, dass sie Rücklagen für das Alter bilden, und dann sollen sie diese wieder aufbrauchen, bevor sie Hilfen erhalten. Dass die Altersvorsorge, die erst mit Renteneintritt fällig wird, also etwa die Rürup-Rente, beim Antrag auf Grundsicherung nicht angerechnet wird, hilft da wenig. Selbstständige legen ihr Geld oft in frei verwertbare Anlagen an, etwa Investmentfonds, um flexibel zu sein.
Welche Rolle spielt das Partnereinkommen?
Der Einbezug des Partners oder der Partnerin hält viele der Solo-Selbstständigen davon ab, einen Antrag zu stellen. Sie wollen den Partner oder die Partnerin nicht mit hineinziehen, auch der Partner muss dann ja die Vermögensverhältnisse offenlegen und seine Altersvorsorge teilweise aufbrauchen. Hinzu kommt die Bürokratie: Ein Solo-Selbstständiger muss alle Auftraggeber und die Einkünfte genau angeben, der Antrag im Jobcenter kann 100 Seiten haben. Die Einkommen ändern sich zudem immer wieder. Wir fordern eine unbürokratische Hilfe zum Lebensunterhalt, und zwar von einer einzigen Stelle, das wären am besten die Finanzämter, die ohnehin die Einnahmesituationen kennen.
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