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Neuer BildungsberichtKein Grund zum Schulterklopfen

Ralf Pauli
Kommentar von Ralf Pauli

Die Schulen sind kaum auf digitalen Unterricht vorbereitet. Gravierender jedoch: Die soziale Herkunft entscheidet weiter über den Bildungsweg.

Herkunft ist immer noch entscheidend: Junge beim Kinderfest der Hilfsorganisation Arche in Berlin Foto: Stephanie Pilick/dpa

D ie zentrale Botschaft des diesjährigen Nationalen Bildungsberichts ist wenig überraschend: Die Schulen sind mangelhaft auf den digitalen Unterricht vorbereitet. Zwar stammen die Daten, aufgrund derer die Bildungsforscher:innen ihr vernichtendes Urteil bilden, aus dem Jahr 2018 und damit von vor dem Ausbruch der Coronapandemie, doch das Argument, die Schulen wären seit dem Sprung ins kalte Wasser die digitalen Defizite beherzt angegangen, trügt.

Dass Bund und Länder in die digitale Infrastruktur investiert haben – und das auch nur, weil Corona sie gezwungen hat –, ändert nichts am zentralen Kritikpunkt der Wissenschaftler:innen: Der Einsatz neuer Medien im Unterricht steht und fällt mit der „Grundhaltung des Personals“, wie der Bericht feststellt. Davon konnten sich in den vergangenen Monaten Schüler:innen und Eltern überzeugen. Es ist also höchste Zeit, mediale Kompetenzen zum Pflichtteil des Studiums zu machen – egal ob in Kunst, Mathe oder Philosophie. Mit Technik allein, das mahnt auch der Bildungsbericht an, ist es nicht getan.

Gravierender jedoch ist ein weiterer Befund: Die soziale Herkunft bleibt weiterhin maßgeblich für die Bildungskarriere. Oder anders formuliert: Trotz des Ausbaus von Gesamt- und Gemeinschaftsschulen und weiterer Bemühungen, das Bildungssystem „durchlässiger“ zu gestalten, schaffen es Kinder aus sozial benachteiligten Familien in der Regel nicht, den Nachteil im Laufe der Schulzeit aufzuholen.

Dagegen hilft nur, schon zum Schulstart möglichst gleiche Chancen zu schaffen. Und dafür müsste dringend die Kita-Betreuung weiter ausgebaut werden. Momentan nimmt diese laut Bildungsbericht nur jedes dritte Kind unter 3 Jahren in Anspruch.

Möglicherweise ließe sich durch die stärkere frühkindliche Förderung auch eine andere Entwicklung korrigieren: Die Zahl der Jugendlichen, die die Hauptschule ohne Abschluss verlassen, ist erstmals seit 2013 wieder gestiegen. Es gibt also weiter viel zu tun für die Politik – auch ganz analog.

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Ralf Pauli
Redakteur Bildung/taz1
Seit 2013 für die taz tätig, derzeit als Bildungsredakteur sowie Redakteur im Ressort taz.eins. Andere Themen: Lateinamerika, Integration, Populismus.
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2 Kommentare

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  • Gesamt- und Gemeinschaftsschulen sind doch gar nicht geeignet, entsprechende Unterschiede des Bildungsweges auszugleichen.

    Es ist doch vollkommen illusorisch bis utopisch, wenn man glaubt, dass Nachteile sozialer Herkunft ausgeglichen werden können. Der wichtigste Baustein bei Bildung und Erziehung stellt nunmahl das Elternhaus dar. Etwaige sozio-ökonomisch bedingte Vor- oder Nachteile kann der Staat daher nicht ausgleichen.

    Defizitär ist daher nicht das Ergebnis sondern die Erwartungshaltung. Es wird weder gleiche Chancen beim Schulstart noch während der Schullaufbahn geben.

  • Die Einführung der Computer in unseren Schulen habe ich vom ersten Tag an miterlebt und war entsetzt über das, was da angeboten wurde. Ablenkung durch Computerspiele und Zugriffsmöglichkeiten auf ungeeignete Inhalte im Internet gab es da zuhauf. Allein in Bayern bemühte man sich, auf breiterer Front um auf Schüler zugeschnittene Computer und Inhalte.



    Nein, Misserfolge auf diesem Gebiet sind nicht auf soziale Benachteiligung zurückzuführen. Mit mehr Geld ist da auch nichts auszurichten. Dazu gehört Nachdenken bei den Leuten, die so etwas in die Wege leiten wollen. Im Wesentlichen lief das im süddeutschen Raum besser und die Bayern gehörten damals noch nicht zu den "Reichen". Heute ja.