piwik no script img

Von Nordrhein-Westfalen nach RusslandNeue Atommüll-Transporte genehmigt

Die Atombrennstofffabrik in Gronau darf auch 2021 Müll in Russland entsorgen. Anti-Atom-Initiativen fordern Exportstopp und rufen zum Protest.

Bauern demonstrieren mit Traktoren gegen Atommüll-Transporte in Gronau Foto: rtr

Bochum taz | Aus Deutschlands einziger Atombrennstoff­fabrik im münsterländischen Gronau sollen auch 2021 Transporte mit Tausenden Tonnen Atommüll nach Russland gehen. Das geht aus einer Verfügung der niederländischen Behörde für nukleare Sicherheit und Strahlenschutz vom 9. Juni hervor, die der taz vorliegt.

Konkret werden damit bis Juni 2023 insgesamt 20 Sendungen aus der Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau und der französischen Wiederaufbereitungsanlage Pierrelatte über das Gebiet der Niederlande genehmigt; die Atommüllexporte werden über den Amsterdamer Hafen abgewickelt. Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium wollte „aus Gründen der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“ zu „Anzahl und Umfang etwaiger Transporte“ keine Stellung nehmen.

Die UAA-Betreiberfirma Urenco hatte noch am 11. Juni mitgeteilt, es existierten „keine konkreten Planungen für einen Vertrag“ mit der russischen Firma „Tenex zur Wiederanreicherung nach 2020“. Auch Johannes Teyssen, Vorstandsvorsitzender des Stromkonzerns Eon, der ein Sechstel der Urenco-Anteile hält, hatte bei der Aktionärs-Hauptversammlung Ende Mai versichert: „Pläne für den Export von abgereichertem Uran von Gronau nach Russland nach 2020 sind uns hier aktuell nicht bekannt.“

Urenco verbreite „offensichtlich Fake News“, ärgert sich deshalb der Atomkraftgegner Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen. „Nachweislich falsch“ sei auch das Argument Urencos, das bei der Urananreicherung anfallende radioaktive und hochgiftige Uranhexafluorid sei kein Atommüll, sondern „Wertstoff“.

Über 90 Prozent des radioaktiven Materials könne nicht wiederverwertet werden und verbleibe in Russland, warnen aktuell 47 Umweltorganisationen und Anti-Atomkraft-Initiativen in einem offenen Brief an Kanzlerin Merkel und Russlands Präsident Putin. Dort lagere das Uranhexa­fluorid in geschlossenen Atomstädten in Containern schutzlos unter freiem Himmel.

Die Exporte müssten deshalb gestoppt werden, fordern Umweltschützer*innen wie Olaf Bandt, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Solange die UAA ihre unbefristete Betriebsgenehmigung behalte, könne von einem kompletten Atomausstieg in Deutschland „keine Rede sein“, schließlich produziert die Anlage jährlich rund 9.000 Tonnen Atommüll.

Der nächste Urantransport steht schon am kommenden Montag an. Anti-Atom-Initiativen rufen zu Protesten in Münster und entlang der Strecke nach Amsterdam auf. In den vergangenen Monaten waren Uranzüge bereits zweimal durch Abseilaktionen blockiert worden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Die Umwandlung von Fuorid in Kalziumfluorid ist einfach und lagerfähig (Flussspat).



    Abgereichertes Uran hat noch einen sehr geringen Wert und ist kaum radioaktiv.

    Weltweit wird neuerdings für sichere , schnelle Reaktoren geforscht. Plutonium gibt es dann wie Sand am Meer, lässt sich dann aber vollständig verbrennen. So weit ist es aber nicht und ich begrüße die Stilllegung, nicht aber den Abriss der vorhandenen Atomreaktoren durch "billiges Menschenmaterial", wie es bisher immer noch üblich ist.

  • Das kann ich nur bestätigen. Guter Kommentar PETROS.

  • Das ist ein lupenreines Verstoß gegen die Sanktionen, welche z. Z. gegen Russland gibt.

  • Selbstverstaendlich handelt es sich bei Uranhexaflourid um einen Wertstoff, das weiss jeder, der sich in Kernphysik auskennt.

    Uran, egal ob U-235 oder U-238, kann grundsaetzlich noch aufbereitet werden, um es in schnellen Bruetern einzusetzen.

    Ich empfehle jedem sich dazu einmal das Video "Argonne explains nuclear recycling in 4 minutes" auf Youtube anzusehen. Dies wurde vom renommierten US-amerikanischen Argonne National Laboratory erstellt, also einem der groessten Forschungsinstitute der USA.

    In dem Video wird erklaert, wie man Uran recyclet und wie man mehr als 90% erneut als Brennstoff recyclen kann. In Frankreich gibt es die Firma Orano in der Bretagne, die ebenfalls Uran-Recycling durchfuehrt.

    Es sind tatsaechlich die Atomkraft-Gegner, die hier bewusst oder unbewusst "Fake-News" verbreiten.

    • @Petros Luminella:

      Dass alle Aktionoide mit schnellen Neutronen theoretisch gespalten werden können, ist zwar richtig. Aber dazu erforderlich ist beim Uran-238 erst das Erbrüten von Plutonium, U-238 selbst kann nämlich keine Kettenreaktion unterhalten. Wegen Wiederaufbereitung und komplizierter Brennelementfertigung viel zu teuer. Russland haben die fortgeschrittenen Brüterprojekte BN1200 bzw. ASTRID im vergangenen Jahr faktisch aufgegeben.

    • @Petros Luminella:

      Greenpeace bspw. schreibt auch nichts davon, dass 90% nicht wieder aufbereitet werden können:

      act.greenpeace.de/stoppt-urantransporte

      Die sonstigen und nicht gerade wenigen Einwände sind aber vollständig berechtigt!