Abstiegskampf in der Bundesliga: Eiserne Nerven zahlen sich aus
Union Berlin gewinnt in Köln 2:1. Während sich die Berliner freuten, zeigten sich die Rheinländer gelassen – beide bleiben der Liga wohl erhalten.
Rafal Gikiewicz war zum Scherzen aufgelegt. Immer wieder deutete der Torwart von Union Berlin in die Ecke der Kölner Arena, in der normalerweise die Gästefans stehen. Wegen der coronabedingten Leere in den Stadien war dort aber natürlich niemand, mit dem die Köpenicker ihren 2:1-Erfolg in der Domstadt hätten feiern können. Entsprechend winkten Gikiewicz’ Mitspieler beim Jux des 32-jährigen Polen schmunzelnd ab, verschwanden erst mal ins Stadioninnere – und kehrten wenig später sehr vereinzelt zurück.
So trabten die Mittelfeldakteure Grischa Prömel und Christian Gentner, zwei der Besten im regelrecht verschworenen Unioner Ensemble, noch mal eine Runde über den Kölner Rasen, diesmal auf blanken Sohlen. Angemessen genießerisch wirkte das, schließlich hatte der eine Aufsteiger beim anderen Aufsteiger gerade den mutmaßlich entscheidenden Sprung aus der besonders brenzligen Tabellenregion getätigt. Doch Gentner, Mitte der zweiten Halbzeit Schütze des zweiten Berliner Treffers, wollte von Entspannung nichts wissen.
„Rechnerisch sind wir noch nicht durch“, mahnte der 34-Jährige, der gegen seinen persönlichen Lieblingsgegner bereits zum sechsten Mal traf. Und machte seinen Teamkollegen gleich darauf einen Vorschlag: „Wir können am Dienstag den letzten Schritt gehen. Und so lange können wir nun auch noch warten.“ Eine kurze Warteschleife immerhin, zudem meint es der Spielplan gut mit Union: In der drittletzten Runde gastieren die Paderborner in der Alten Försterei – der dritte Neuling, der sich vom Vorletzten Bremen gerade 1:5 abschlachten ließ und nur noch auf die finale Bestätigung des direkten Wiederabstiegs wartet.
Bei den Eisernen herrschte im vorsommerlich-schwülen Köln dagegen eitel Sonnenschein. Wenige Sekunden nach dem Abpfiff betrat Präsident Dirk Zingler den Platz, ließ seine geballten Fäuste parallel nach vorne schießen und machte sich an die Gratulationstour bei Spielern, Trainern und Betreuern. Kurz darauf gab es auch noch einen indirekten Glückwunsch von Markus Gisdol, der den entscheidenden Unterschied zwischen beiden Teams mürrisch skizzierte: „Ich hatte den Eindruck, für die Bedeutung der Partie haben wir nicht genug investiert. Im Gegensatz zum Gegner – der wollte richtig.“
Bequeme Situation
Neben der recht müden Haltung seiner Mannschaft, die bemerkenswerte 9,4 Kilometer weniger lief als die Berliner, störten den Kölner Trainer vor allem die Umstände bei den Gegentoren: Die Führung der Gäste erzielte Innenverteidiger Marvin Friedrich kurz vor der Pause per Kopf, nach einer Ecke von Christopher Trimmel. Gentners 2:0 ging ebenfalls ein Eckstoß voran. Und die Probleme der zudem offensivschwachen Kölner bei Standards konnte auch das Anschlusstor durch Mittelstürmer Jhon Cordoba in der Nachspielzeit nicht übertünchen.
Urs Fischer
Wirklich eng dürfte es allerdings auch für den nach dem Re-Start der Liga weiterhin sieglosen Geißbockklub in Sachen Abstieg nicht mehr werden, Düsseldorfs Last-Minute-Niederlage gegen Dortmund sei Dank. Verliert die Fortuna am Mittwoch auch bei Champions-League-Aspirant Leipzig – und unterliegt Bremen tags zuvor dem designierten Meister aus München –, könnten die Kölner sogar ihre letzten drei Spiele verlieren und blieben dennoch erstklassig.
Dasselbe gilt für die nun punktgleichen Unioner. „Bei uns ist keine Panik ausgebrochen, obwohl wir sieben Spiele ohne Sieg waren“, erklärte Chefcoach Urs Fischer nach dem ersten Erfolg seit dem 2:1 in Frankfurt am 24. Februar. Erstmals seit Oktober ließ der 54-jährige Schweizer in Köln mit einer Viererkette verteidigen. „Im Endeffekt war der Matchplan nicht gänzlich neu, aber gut für heute“, kommentierte Torschütze Gentner die Umstellung – und brachte die neuerdings komfortable Lage des Klubs im Abstiegskampf noch eben auf den Punkt: „Ich habe schon so viele verrückte Sachen im Fußball erlebt – aber das hier war ein enorm großer und wichtiger Schritt. Und genau so fühlt es sich an.“
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