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Verhaftung von rechtem KSK-Soldaten„Schäfchens“ Waffenlager

Wie können Bundeswehrsoldaten immer wieder Waffen und Munition entwenden? Das Verteidigungsministerium will das nun überprüfen.

Polizisten nach dem Waffenfund beim KSK-Soldaten Philipp Sch. in Sachsen Foto: Robert Michael, dpa

BERLIN taz | Die Ermittler haben bei einem KSK-Soldaten in Sachsen ein regelrechtes Waffenlager ausgehoben. Sie stellten sicher: Ein Sturmgewehr AK-47, mehrere Tausend Schuss Pistolen- und Gewehrmunition, zwei Kilogramm PETN-Plastiksprengstoff und Zünder, Schreckschuss- und Luftdruckwaffen, diverse Zünder, Signalpatronen, eine Armbrust. Und nicht nur das: Sie fanden auch nicht näher bezeichnete „nationalsozialistische Devotionalien“.

Das geht aus einem Schreiben des Verteidigungsministeriums an den Verteidigungsausschuss des Bundestages hervor, das der taz und anderen Medien vorliegt. Noch sei die Auflistung nicht vollständig, heißt es, aber sicher sei schon jetzt: Die Dinge stammen zumindest teilweise aus Beständen der Bundeswehr, etwa der Sprengstoff und Patronenmunition Kaliber 9x19 und 5,56x45mm.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat vor zwei Wochen das Haus und Grundstück des Soldaten Philipp Sch. in der Gemeinde Wermsdorf durchsuchen lassen. Der 45-Jährige sitzt nun in Untersuchungshaft, gegen ihn wird unter anderem wegen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz ermittelt. Sein ebenfalls bei der Bundeswehr beschäftigter Sohn, mit dem Sch. laut einem Nachbarn ab und zu in „Kampfmontur“ in den Wald gezogen ist, wurde an seinem Truppenstandort Büschel als Zeuge befragt.

Hitlergruß bei der Feier des Kompaniechefs

Seit fast 20 Jahren ist Philipp Sch. beim Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr und nach taz-Recherchen dort unter dem Spitznamen „Schäfchen“ bekannt. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) war ursprünglich auf ihn aufmerksam geworden, weil er im Frühjahr 2017 bei der Abschiedsfeier seines Kompaniechefs den Hitlergruß gezeigt haben soll. Eine damals anwesende Zeugin bezeichnete ihn als „Nazi-Opa“. Zunächst habe es aber nicht genügend Anhaltspunkte für ein Disziplinar- oder Strafverfahren gegeben.

Zur Frage, ob Philipp Sch. Mitglied in einer rechten Chatgruppe war, wie sie der ehemalige KSK-Soldat André S. alias Hannibal verwaltete, heißt es in dem als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuften Schreiben: „Zum jetzigen Zeitpunkt liegen dem BMVg keine Erkenntnisse vor.“

Auch bei mehreren Personen des Hannibal-Netzwerks waren Munition und Waffen aus Bundeswehrbeständen gefunden worden. Oft konnte der Weg von der Armee zu den Besitzern nicht klar nachgezeichnet werden. Das Verteidigungsministerium gibt nun indirekt zu, dass es bislang offenbar nicht immer möglich ist, herauszufinden, wer wann wo Waffen oder Munition entwendet hat. „Über die Aufklärung des konkreten Sachverhalts hinaus hat das BMVg eine Überprüfung der Bewirtschaftung und Bestandsnachweisführung von Waffen und Munition – in der Bundeswehr im Allgemeinen und im KSK im Besonderen – eingeleitet“, heißt es. Um Extremismus im KSK zu bekämpfen, werde zudem gerade ein umfangreiches Maßnahmenpaket umgesetzt. Darunter fielen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen unter anderem zum Traditionsverständnis des KSK.

Das KSK mit Sitz in Calw ist schon länger als Problemfall bekannt. Rund 20 Soldaten der vergleichsweise kleinen Einheit, die für die härtesten Einsäze zuständig ist, sind als rechtsextreme Verdachtsfälle eingestuft. Allein seit Ende vergangenen Jahres wurden einer Auflistung zufolge vier KSK-Soldaten entlassen. Gegen weitere wurden Disziplinarmaßnahmen eingeleitet und teils wurden sie in andere Einheiten versetzt.

„Neue alarmierende Qualität“

Der Fall Philipp Sch. stelle „eine neue alarmierende Qualität“ dar, schrieb der Kommandeur des KSK, Brigadegeneral Markus Kreitmayr, in der vergangenen Woche in einem Brief an seine Soldaten. Aufgrund der rechtsextremen Vorfälle erlebe das KSK derzeit die „schwierigste Phase seiner Geschichte“. In dem Brief, der der taz vorliegt, ruft er Verfassungsfeinde im KSK auf: „Sie sollten aus eigenem Antrieb unseren Verband und die Bundeswehr verlassen! Tun Sie es nicht, werden Sie feststellen, dass wir Sie finden und entfernen lassen werden!“

Unklar bleibt zunächst, wie genau der MAD auf das Waffenlager bei Philipp Sch. aufmerksam wurde. Die Rede ist lediglich von „nachrichtendienstlich gewonnenen Erkenntnissen“ Anfang des Jahres, die am 11. Februar an die sächsischen Behörden weitergegeben worden seien. Es habe damals auch „Hinweise auf eine rechtsextremistische Einstellung“ von Philipp Sch. gegeben. Am 23. März hatten die Ermittler dann einen Durchsuchungsbeschluss erwirkt, den sie knapp zwei Monate später vollstreckten.

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8 Kommentare

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  • Möglichkeiten, Munition verschwinden zu lassen, gab es bei der Bundeswehr in früheren Zeiten und gibt es vermutlich auch jetzt noch. Die bei einem Übungsschießen verbrauchte Munition wurde/wird zwar dokumentiert. Ob diese Munition auch tatsächlich verschossen wurde, ist eine andere Frage. Zu meiner Zeit wäre es z.B. bei Reservistenschießen nicht schwer gewesen, Munition abzuzweigen. Dass auch Kriegswaffen bei der Bundeswehr verschwinden, ist eine ganz andere Nummer.

  • Uns ist bei der BW noch eingetrichtert worden, daß auf jeder Patronenhülse eine Nummer eingeprägt sei (was auch stimmt), und wir sollten es uns daher gleich abschminken, Munition mitzunehmen, selbst leere Hülsen. Man könne sofort feststellen, woher die stammten.

    Bullshit oder Wahrheit? Falls Wahrheit, wie kann dann die BW Probleme haben, festzustellen, woher Patronen stammen? Das sollte sich dann bis zur Einheit zurückverfolgen lassen.

    Waffen und Munition werden meines Wissens in Waffenkammern aufbewahrt, zu denen nur ganz bestimmte Soldaten die Schlüssel haben. Verschwinden Dinge aus der WK einer Einheit, *müssen* diese Soldaten impliziert sein. Die wären dann ihrer Verantwortung in grotesker Weise nicht nachgekommen. Mit anderen Worten, extremer Schlendrian.

    Wenn Munition und sogar Sprengstoff (als ich das gelesen habe, bin ich als Ex-Soldat fast in Ohnmacht gefallen) unbemerkt oder gar bemerkt (...) aus einer Einheit verschwinden, muß die BW heute ein größerer Sauhaufen sein als jemals zuvor. Sowas darf es gar nicht geben. Auf Bundeswehrdeutsch: Da platzt mir der Sack!

    • @kditd:

      Da gab es aber zu meiner W15-Zeit in den 80ern x-Möglichkeiten, scharfe Munition abzuzweigen, ohne dass man nachweisen konnte, wer genau wieviel geklaut hat. Beim Gefechtsschießen fiel doch nicht auf, wieviel Gurte MG-Munition oder Magazine G3 tatsächlich verschossen wurden. Unsere Munitionswarte waren selbst Wehrpflichtige, die von uns anderen Gefreiten fleißig "beliefert" wurden. Der Hintergrund war nicht kriminell, sondern der Tatsache geschuldet, verlorene oder tatsächlich geklaute Einzelpatronen zu Auffüllen der IST-Bestände zu nutzen, sonst konnte der Dienstschluss tagelang verzögert werden/ausfallen und die Kripo rückte in die Kaserne ein. Wir haben damals Dummys mit der korrekten LOS-Nummer selbst hergestellt, damit der Schein gewahrt blieb und alles "vollzählig" war. Die Vorgesetzten wussten das selbstverständlich auch. Ich habe damals zersägte Gewehrläufe und Waffenteile in der Restmülltonne der Kaserne gesehen und ein Kamerad hatte es geschafft, sämtliche Versionen scharfer FK-Granaten in seine Sammlung einzuverleiben. Kurz vor Ende meiner Wehrpflicht gab es eine Razzia in den einzelnen Kompaniegebäuden. Unser Zugführer (Oberleutnant) gab uns fünf Minuten, die Schwarzbestände verschwinden zu lassen, was uns auch gelang (Duschräume/ Siphons). Wir waren alles Wehrpflichtige und keine Zeit-/Berufssoldaten! Wenn wir das draufhatten, werden KSKs das wohl auch locker können.

    • @kditd:

      Japp.

  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    Eieiei.

    Paar Hinweise zum Verständnis: Armbrust und Schreckschuss/Luftdruckwaffen können frei verkäuflich sein. Der Knackpunkt ist der Sprengstoff und das Sturmgewehr. Der Kollege hat sich dadurch vermutlich eine unehrenhafte Entlassung plus diverse Disziplinar- und Zivilrechtliche Folgen eingehandelt. Zu Recht.

    Wie Munition verschwindet kann ich mir gut vorstellen. Gelegentlich wird zuviel eingeplant, nicht verbraucht und am Quartals-/Jahresende "entsorgt" damit man für das nächste Quartal/Jahr die gleiche Menge bekommt. Entsorgen durch z.B. ungezieltes Dauerfeuer auf dem Schießstand. Derjenige der "entsorgt" kann die Munition (oder einen Teil) stattdessen auch einstecken wenn keiner hinsieht.

    Die AK-47 hingegen.. Eine Illegale Waffe, oder eine die irgendwann konfisziert / abgegeben wurde und anstatt verschrottet zu werden bei ihm gelandet ist.

    Da er Pistolenmunition hatte, ist es sehr wahrscheinlich das er auch eine dazu passende Pistole irgendwo versteckt hat. Mehrere Tausend Schuss sind hier nicht unüblich, da das für Sportschützen Jahresverbrauchsmengen sind. Wer Masse kauft, spart. Aber im Zusammenhang mit den weiteren Indizien ist das natürlich nicht glaubwürdig.

    Ich bin beeindruckt dass das KSK den Worten Taten folgen lässt. Auch der MAD tut genau das, was er soll. (abgesehen vllt. davon das es in der Öffentlichkeit bekannt wird ;-) ). Die Institution scheint zu funktionieren oder sich wenigstens zu verbessern. Danke.

    • 9G
      91751 (Profil gelöscht)
      @83191 (Profil gelöscht):

      Den Eindruck hast du? Und wie kommen in einem funktionierendem System Waffen, abertausende Schuss Munition und Sprengstoff zu rechtsextremen Terroristen? Wie kommt es in einem funktionierendem System zu so vielen Einzelfällen?

      "Der Kollege hat sich dadurch vermutlich eine unehrenhafte Entlassung plus diverse Disziplinar- und Zivilrechtliche Folgen eingehandelt. Zu Recht."



      Das stimmt wahrscheinlich leider. Wie dieser Polizist von Nordkreuz, Waffen und Munition der Bundeswehr bunkern, Leichensäcke bestellen und beinahe Straffrei davon kommen, er wollte doch nur Campen...

      • 8G
        83191 (Profil gelöscht)
        @91751 (Profil gelöscht):

        Für das Urteil zu den Nordkreuz-Leuten habe ich kein Verständnis, für die Vorgehensweise in dem im Artikel geschilderten Fall jedoch schon. Allerdings sind die meisten der Beweise zu Nordkreuz nicht eindeutig (handgeschriebene Listen, Waffenbehörden die nicht korrekt arbeiten etc.). Hier ist der Fall klarer.

        Wenn sich etwas wiederholt könnte man von einem Muster sprechen. Aber das hat es sich ja nicht. Daher dieses Gefühl der Erleichterung.

        Die erste Frage habe ich ja im Eingangs-Post schon bearbeitet. Die 2. Frage..tja. Freiheitliche Systeme erzeugen nun einmal auch Abweichler, Verschwörungstheoretiker etc.. Die Alternative wäre eine Totalüberwachung und jede Menge Verbote.

        • 9G
          91751 (Profil gelöscht)
          @83191 (Profil gelöscht):

          Ich glaube in diesem Fall muss man keine totale Überwachung einführen, außer für die Waffen. Klar wird man immer Abweichler finden. Aber es ist (wahrscheinlich) auch nicht so, dass diese Waffenlager erst vor kurzem angelegt wurden, dafür müssten wohl zu viele Dinge auf einmal verschwinden. Und was ist mit den Einstellungen der Soldaten, davon muss man im Umfeld etwas mitbekommen haben und doch wurde es anscheinend ignoriert.



          Und es gibt noch viel zu ermitteln, auch Bezüge zum nsu stehen wohl zumindest im Raum. Auch der wurde nicht wirklich aufgeklärt.



          Immerhin: Franco A. wird jetzt wegen Terrorismus angeklagt.