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Maserngesetz vor VerfassungsgerichtDämpfer für Impfgegner

Die Verfassungsrichter verweigern eine einstweilige Anordnung gegen die indirekte Masern-Impfpflicht. Das Verfahren könnte richtungsweisend sein.

Kein Erfolg für die Impfgegner*innen Foto: Christian Ohde/imago

Karlsruhe taz | Das Masernschutzgesetz bleibt zunächst in Kraft. Das Bundesverfassungsgericht hat einen Eilantrag von impfskeptischen Eltern abgelehnt. Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz werden aber weiterhin geprüft.

Das am 1. März in Kraft getretene Gesetz sieht vor, dass Kinder nur dann in Kitas oder Schulen betreut werden dürfen, wenn sie eine Masernschutzimpfung oder Masernimmunität nachweisen. Für Kinder, die schon zur Kita oder zur Schule gehen, muss der Nachweis bis zum 31. Juli 2021 erfolgen. Die Schulpflicht besteht auch für ungeimpfte Kinder.

Dagegen erhoben im März mehrere Eltern Verfassungsbeschwerde. Sie seien auf Kinderbetreuung angewiesen, wollen ihre Kinder aber nicht impfen lassen. Das Gesetz beinhalte einen indirekten Impfzwang, der das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit verletze, so die Klage.

Eine dreiköpfige Kammer des Bundesverfassungsgerichts hat nun zwei mit den Klagen verbundene Eilanträge in einer „Folgenabwägung“ abgelehnt. Die Interessen der Eltern und der Kinder überwiegen derzeit nicht die Interessen der Allgemeinheit, so die Richter, deshalb wird das Masernschutzgesetz nicht sofort gestoppt. Die Verfassungsrichter wollen die Klagen aber gründlich prüfen. Die Verfassungsbeschwerden seien weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet. (Az.: 1 BvR 469/20)

Bedeutung auch für Corona

Bei den Demonstrationen gegen corona-bedingte Grundrechtseinschränkungen sind Impfskeptiker prominent vertreten. Obwohl es noch keinen Impfstoff gibt, warnen sie bereits vor einer Zwangsimpfung.

Allerdings hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor einigen Wochen eine Art Immunitätsnachweis vorgeschlagen. Er sollte die Grundlage dafür bilden, dass Personen, die nach überstandener Krankheit oder nach Impfung immun sind, von Beschränkungen ausgenommen werden können. Die SPD hatte die Regelung jedoch verhindert, weil sie einen Anreiz befürchtete, sich absichtlich anzustecken und damit andere zu gefährden.

Sollte es – frühestens Ende des Jahres – einen Impfstoff geben, könnte die Diskussion um Privilegierungen für corona-immune Personen erneut an Fahrt aufnehmen. Denn wer sich impfen lassen kann, muss sich nicht anstecken lassen. Daraus ergäbe sich aber – je nach Art der Privilegierung – wieder eine indirekte Impfpflicht. Es würden sich dann ähnliche verfassungsrechtliche Fragen wie beim Masernschutzgesetz stellen. Auch deshalb wird sich das Bundesverfassungsgericht beim Masern-Verfahren vermutlich Zeit für eine eingehende Prüfung nehmen.

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6 Kommentare

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  • Es brauchen sich nur etwa 90% der Leute zu Impfen gegen Corona um das Virus aus zu rotten. So viele Spinner gibt es nicht. Das Problem wird nicht sein, dass es zu viele Impfgegner gibt, sondern, dass es nicht schnell genug genug Impfstoff gibt.

    • @Victor Venema:

      Ihr Wort in Gottes Ohr, lieber Herr Venema!



      Ich bin da aber eher skeptisch, was die von Ihnen angenommenen 10 Prozent Impfgegner betrifft. Das mag ja aktuell eine realistische Einschätzung sein. Aber bis ein tauglicher Impfstoff existiert wird noch viel Zeit ins Land gehen. Und diese Zeit wird von dieser Phalanx von Scharlatanen, Hysterikern, Hetzern und Langzeitahnungslosen weidlich genützt werden, um unter der verständlicherweise verunsicherten Öffentlichkeit Paranoia zu verbreiten. Das wird nicht ohne Wirkung bleiben.



      Solange YouTube und breite Teile des Internet nicht als Unterhaltungsmedien wahrgenommen werden, sondern als verlässliche Infoquellen, solange wird dieser Wust Unfug auch seine Wirkung tun. Medien zu benützen ist halt leider nicht automatisch identisch mit Medienkompetenz.



      Ich denke wir bräuchten halt ein Qualitätsmanagement fürs Internet. Wir bräuchten für veröffentlichten Nonsens eine entsprechende Kennzeichnung. Sowas wie ne digitale Narrenkappe.



      Sie werden jetzt gleich erleben was so eine Idee für einen Shit-Storm auslösen kann. Viel Spaß damit!

      • @LittleRedRooster:

        Das Leiden der Anderen ist die einzige Lebensfreude der Rechtsradikalen. Aber so viele gibt es davon nicht.

        Die sozialen Netzwerken sollten zerschlagen werden durch offene Standards fest zu schreiben. Dann kann jeder ein passendes soziales Netzwerk aussuchen und immer noch mit Freunden in Kontakt bleiben. Wer mag kann dann in Falschinformationen versaufen und ich suche mich ein Netzwerk aus wo Experten Aussagen nachprüfen und Feedback geben.

        • @Victor Venema:

          "Die sozialen Netzwerken sollten zerschlagen werden (...)" (Victor Venema)



          Ich wäre erstmal schon mit einem kleineren Brötchen zufrieden: Wegschalten des aktuellen Youtube-Logarithmus. Dieser sorgt ja verlässlich dafür dass man mit immer mehr Bullshit zugeschüttet wird, sobald man sich erst einmal ein solches Ding angesehen hat. Das wird dann zu einem Selbstläufer und zieht einen immer weiter in ein Paralelluniversum von Bullshit-Beiträgen.



          Das benötigte große "Brot" wäre aber tatsächlich eine Redaktion der Beiträge. Meinungsfreiheit ist ein schützenswertes Gut, aber wenn sie für Unfug oder gar gemeingefährliche Aktivitäten und Lügen mißbraucht wird wird sie pervertiert und entwertet.

  • Macht Sinn einen jahrzehntelang erprobten Impfstoff mit einem noch nicht einmal entwickelten geschweige denn sicher getesteten zu vergleichen.

  • Der "Immunitätsnachweis" wird in Deutschland vermutlich nicht mehr kommen. Indirekt wird das aber trotzdem für viele von uns zum Standard werden, weil andere Länder das bei der Einreise einfach fordern werden, so wie die das bei der automatisierten Fiebermessung auch tun.