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Streit um GrundrenteEine Slapsticknummer

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Beim Clinch um die Grundrente hat sich die SPD mal wieder verheddert. Die Union sollte über ihren Schatten springen.

Eins ist unsicher: die Höhe der Rente Foto: Josep Rovirosa/imago

D ie SPD hat in der Rolle als Merkels Juniorpartner lange stets handwerklich routinierte Arbeit abgeliefert, aber man wusste nie so genau, wofür sie brennt. Bei der Grundrente ist es genau umgekehrt: Arbeits- und Sozialminister Hubert Heil und Finanzminister Olaf Scholz wollen die Grundrente unbedingt. Und damit hat die SPD ja recht. Der Aufschlag für ehemalige Geringverdiener ist zwar zu klein, das Verfahren zu bürokratisch und, wie immer bei der Rente, nur so ungefähr gerecht. Entscheidend aber ist, dass die Grundrente die anrollende Altersarmut abzumildern hilft.

Mit dem handwerklichen Können sieht es allerdings bescheiden aus. Der erste Fehler war: Die SPD hat im Koalitionsvertrag akzeptiert, dass dort nur eine wesentlich kleinere Grundrente auftaucht. Entweder hat sie mit der Union falsch verhandelt oder zu spät entdeckt, dass die Grundrente ohne Bedarfsprüfung ihre Herzenssache ist. Der zweite Fehler war, die auftauchende Finanzierungslücke mit der Finanztransaktionssteuer stopfen zu wollen. Geld von Aktionären nehmen, um Renten zu zahlen, klingt zwar prima. Doch Scholz’ Finanztransaktionssteuer kommt in der EU nicht recht vom Fleck – und trifft Normalverdiener und Kleinsparer ebenso wie Großinvestoren. Deshalb versucht Scholz nun, Kleinsparer anderweitig zu entlasten. All das hat etwas von einer Slapsticknummer, in der jeder Versuch, etwas zu retten, eine Kette von Malheuren nach sich zieht.

Die Union schaut den Versuchen der SPD, die Grundrente irgendwie durchzukriegen, mit sadistischem Vergnügen zu. Ohne Finanzierung keine Grundrente, erklärt sie seit Monaten stoisch. Sportlich gesehen ist das verständlich. Der Koalitionsvertrag trägt ohnehin die Handschrift der SPD – warum soll die Union mehr nachgeben? Politisch und langfristig aber ist die Blockade falsch. Rentenpolitik geht nur im Konsens, die Aufbesserung kleiner Renten ist nötig. Wenn die Groko da scheitert, wäre das ein Armutszeugnis. Die Mütterrente, einst Herzenssache der CSU, wird aus dem Bundeshaushalt finanziert. Das wäre eine saubere, klare Lösung. Dafür müsste die Union allerdings über ihren Schatten springen.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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3 Kommentare

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  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Der Deal war die Rente kommt wenn sie über die Finanztransaktionssteuer bezahlt wird, ansonsten nicht. Das steht in der Vereinbarung. Nun könnte ja die SPD anbieten bei einigen anstehenden Projekten des Verteidigungsministeriums nicht im Weg zu stehen (bewaffnete Drohnen, Nuklearwaffen auf deutschem Boden, F-18) und die SPD bekommt sicher einen Deal mit der Union.

  • Erstaunlich, dass die CDU der Grundrente ohne Beduerftigkeitspruefung nicht offener gegenuebersteht.



    Eine Beduerftigkeitspruefung hiesse ja, dass zunaechst alle Ersparnisse aufgebraucht werden muessen bevor es die Grundrente gibt. Waeren das nicht eher die CDU-Waehler?

  • Aufbessern der kleinen Renten ist ganz bestimmt nötig, aber muss es die teure Gießkanne Grundrente sein? Infolge der Corona-Krise werden viele Menschen Sozialleistungen benötigen, es sollte auf die Bedürftigen begrenzt bleiben.