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Proteste in HongkongEin Land, ein Polizeistaat

Sven Hansen
Kommentar von Sven Hansen

Hongkongs Jugend soll mittels patriotischer Erziehung auf Linie gebracht werden. Die Autonomie wird zur Fassade.

Hongkongs Polizei geht gegen Schüler:innen vor, die gegen das Hymnengesetz demonstrieren Foto: Tyrone Siu/reuters

S elbst einige westliche Staaten haben Gesetze, die ihre Hymne und andere Nationalsymbole „schützen“. Und noch mehr Staaten haben Sicherheitsgesetze, mit denen Terrorismus bekämpft werden soll. Ist es also normal, wie von China und pekingfreundlichen Hongkonger Politikern behauptet, wenn auch die autonome Metropole solche Gesetze bekommt, zumal ein Sicherheitsgesetz auch in Hongkongs Grundgesetz vorgesehen ist?

Normal ist in Hongkong leider fast nichts mehr. Die Bevölkerung der Stadt ist gespalten, die meisten trauen Peking und seinen Statthaltern nicht mehr. Sie wollen nicht nur ihre Autonomie behalten, sondern endlich die von Peking ursprünglich versprochene Demokratie bekommen. Umgekehrt misstraut Peking den Hongkongern, die ihre Autonomie, zum Teil gewaltsam, verteidigen.

Peking fühlt sich immer weniger an seine Zusage von Autonomie und Selbstverwaltung („Ein Land, zwei Systeme“) gebunden. Hongkongs Jugend soll mittels „patriotischer Erziehung“ auf Linie gebracht werden. So sieht das Hymnengesetz auch das Lehren und Singen des Liedes in Schulen vor. Dabei hatten sich Schüler schon einmal erfolgreich gegen Pläne für eine „nationalistische Erziehung“ gewehrt.

Beim Sicherheitsgesetz kümmert sich Peking nicht mehr um Hongkongs Autonomie. Dort war ein solches Gesetz 2003 am Protest der Bevölkerung gescheitert. Chinas Nationaler Volkskongress, der das umstrittene Gesetz am Donnerstag gebilligt und damit das zuständige Parlament der Stadt einfach übergangen hat, bedroht damit die politische Opposition.

Erleichtert durch die Kontaktbeschränkungen wegen Corona, wird der Protest von einer drakonisch agierenden Polizei schnell ausgebremst. Hongkongs Autonomie wird zunehmend zur Fassade, die Stadt ähnelt politisch immer mehr dem chinesischen Festland. Deshalb dürften immer mehr Hongkonger nach Perspektiven im Ausland suchen.

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Sven Hansen
Auslandsredakteur (Asien)
Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin
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5 Kommentare

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  • Einmal für Herrn Hansen zum Schlaumachen:

    en.m.wikipedia.org...sic_Law_Article_23

    • Sven Hansen , Autor des Artikels, Auslandsredakteur (Asien)
      @Weltbürger_01 Kantioler:

      Genau das hatte ich doch geschrieben, dass ein Sicherheitsgesetz im Hongkonger Grundgesetz (Artikel 23 des Basic Law) vorgesehen ist. Der 2003 vorgelegte Entwurf traf aber auf großen Widerstand, wurde zurückgezogen und führte letztlich auch zum Rücktritt des damaligen Hongkonger Regierungschefs. Pekings Pläne für das Gesetz gehen jetzt noch weiter als der Entwurf 2003.

      • @Sven Hansen:

        Ich glaube, Herr Hansen, sie als Auslandsredakteur für Asien haben eine wichtige Verantwortung, all die Leser, die China oder Hongkong nur aus den Medien kennen, ausgewogen und sachlich zu informieren. Natürlich ist ihrem Artikel per se nicht viel vorzuwerfen. Nichts was sie schreiben könnte fachlich widerlegt werden. Dennoch findet man in ihrem Bericht Sätze wie „die meisten trauen Peking und ihren Statthaltern nicht“. Die meisten wer? Die meisten Bürger, mit denen sie gesprochen haben? Mein persönlicher Eindruck ist, dass die Bevölkerung hier sehr gespalten ist. Es ist aber nicht unsere Aufgabe im Westen, uns in innenpolitische Angelegenheiten einzumischen. Jedesmal, wenn wir das tun, leiden mehr Menschen darunter als Menschen profitieren. Sei es Bosnien, Afghanistan, Irak oder Nicaragua. Die Frage ist doch auch, was steckt wirklich hinter der Debatte? Geht es wirklich um Menschenrechte oder um geopolitische Interessen?



        Wissen Sie, dass viele Europäische Unternehmen nun in Bulgarien herstellen lassen, weil der chinesische Mindestlohn mittlerweile höher ist als dort, und er auch weiter steigt? Schreiben sie doch mal darüber.

      • @Sven Hansen:

        Ich aber wäre es nicht angebracht erst mal abzuwarten, wie die Hongkonger Regierung das Gesetz umsetzt? Es betrifft ja weder Versammlungsfreiheit noch grundlegende Menschenrechte. Mir persönlich fehlt in der allgemeinen Berichterstattung die Objektivität, bzw. die Offenheit, auch die chinesische Seite zu verstehen. Natürlich ist es das Recht einer Regierung, gegen Sezession, Subversion und Volksverhetzung vorzugehen. Und nach den Erfahrungen des letzten Jahres will China und auch die lokale Regierung Hongkongs genau das verhindern. Wäre Herr Wong damals nicht auf Auslandstour gegangen, um von westlichen Politikern medienwirksam Hilfe gegen die Regierung seines eigenen (!) Mutterlandes zu fordern, hätte Beijing möglicherweise nicht die Dringlichkeit gesehen zu reagieren.

        • @Weltbürger_01 Kantioler:

          Ich bin ein Hongkonger, der in Hongkong geboren und aufgewachsen. Dart ich kurz mal meine Meinung erzählen

          für Hongkonger, is es das wort, mutterland, sehr sensitiv. Ist China unseres mutterland? Wir haben kein definitives antwort für diese Frage.

          Hongkong ist sicher wenn es keine Bereitschaftspolizei und kein Sicherheitsgesetz gibt.

          Terrrorismus ist immer eine Ausrede für China, die Freiheit der Bevölkerung beschrankt. Das hat die Geschichte von Xinjiang erklärt.

          wieso hat herr Wong auf Auslandstour gegangen? das Antwort ist klar, zählen Sie mal viele ausländische Unternehmen, die in Hongkong Geschäft haben.