Proteste in Hongkong: Ein Land, ein Polizeistaat
Hongkongs Jugend soll mittels patriotischer Erziehung auf Linie gebracht werden. Die Autonomie wird zur Fassade.
S elbst einige westliche Staaten haben Gesetze, die ihre Hymne und andere Nationalsymbole „schützen“. Und noch mehr Staaten haben Sicherheitsgesetze, mit denen Terrorismus bekämpft werden soll. Ist es also normal, wie von China und pekingfreundlichen Hongkonger Politikern behauptet, wenn auch die autonome Metropole solche Gesetze bekommt, zumal ein Sicherheitsgesetz auch in Hongkongs Grundgesetz vorgesehen ist?
Normal ist in Hongkong leider fast nichts mehr. Die Bevölkerung der Stadt ist gespalten, die meisten trauen Peking und seinen Statthaltern nicht mehr. Sie wollen nicht nur ihre Autonomie behalten, sondern endlich die von Peking ursprünglich versprochene Demokratie bekommen. Umgekehrt misstraut Peking den Hongkongern, die ihre Autonomie, zum Teil gewaltsam, verteidigen.
Peking fühlt sich immer weniger an seine Zusage von Autonomie und Selbstverwaltung („Ein Land, zwei Systeme“) gebunden. Hongkongs Jugend soll mittels „patriotischer Erziehung“ auf Linie gebracht werden. So sieht das Hymnengesetz auch das Lehren und Singen des Liedes in Schulen vor. Dabei hatten sich Schüler schon einmal erfolgreich gegen Pläne für eine „nationalistische Erziehung“ gewehrt.
Beim Sicherheitsgesetz kümmert sich Peking nicht mehr um Hongkongs Autonomie. Dort war ein solches Gesetz 2003 am Protest der Bevölkerung gescheitert. Chinas Nationaler Volkskongress, der das umstrittene Gesetz am Donnerstag gebilligt und damit das zuständige Parlament der Stadt einfach übergangen hat, bedroht damit die politische Opposition.
Erleichtert durch die Kontaktbeschränkungen wegen Corona, wird der Protest von einer drakonisch agierenden Polizei schnell ausgebremst. Hongkongs Autonomie wird zunehmend zur Fassade, die Stadt ähnelt politisch immer mehr dem chinesischen Festland. Deshalb dürften immer mehr Hongkonger nach Perspektiven im Ausland suchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod