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Ungarns TransitknästeEssen als Waffe

Christian Jakob
Kommentar von Christian Jakob

Wer Flüchtlingen fundamentale Rechte vorenthält, hat in der EU oft erst einmal freie Hand. Das muss sich ändern.

Überwachungskameras und Stacheldraht im Lager an der serbisch-ungarischen Grenze Foto: Michael Trammer/imago

V iel tiefer kann man kaum sinken: Menschen, die alles verloren haben, nicht nur einzusperren, sondern ihnen auch noch die Nahrung zu verweigern. Viktor Orbán aber schien das ein probates politisches Programm zu sein. Seine 2015 eingerichteten sogenannten Transitzonen an der Grenze zu Serbien sind nichts anders als Transitknäste, in denen es kein Vor und kaum ein Zurück gibt.

Der bloße Freiheitsentzug reichte ihm nicht als Ausweis jener Härte gegen Flüchtlinge, für die er sich von den von ihm selbst seit Jahren verhetzten UngarInnen wählen lässt: Auch Essen verweigerten die Wärter den Schutzsuchenden in den „Transitzonen“ immer wieder, auf dass diese Ungarn rückwärts wieder Richtung Serbien verlassen – was für viele jedoch kaum möglich war.

Moralisch wären die anderen EU-Staaten und Orbáns ParteikollegInnen von der EVP verpflichtet gewesen, das nicht einfach zu akzeptieren. Gerührt hat da niemand einen Finger. Bei der EU-Kommission ist es etwas anders: Die hätte nicht nur die moralische, sondern auch die juristische Verantwortung gehabt, einzuschreiten, wenn ein Mitgliedstaat Grundrechte einfach abräumt. Doch auch aus Brüssel kam nicht viel. Zum dürftigen politischen Willen kamen mangelnde Sanktionsmöglichkeiten hinzu.

Es war der Europäische Gerichtshof, der jetzt der Beschwerde von vier Insassen der ungarischen „Transitzone“ gefolgt ist und entschied: Die Internierung dort ist unzulässig. Nicht zum ersten Mal zwingt das Gericht Ungarn, seine Asylpolitik zu korrigieren. Das ist gut – aber hilft Betroffenen meist erst nach langer Zeit. Wer Flüchtlingen ihre Rechte vorenthält, hat in der EU oft erst einmal freie Hand.

Das muss anders werden. Die Möglichkeit dazu gibt es: Noch im Mai soll Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die neue Migrationsagenda der EU vorlegen. Nicht nur mit Blick auf Ungarn muss diese Hebel enthalten, um Grundrechten auf politischem Weg wirksam Geltung verschaffen zu können: Wer sie nicht als unverrückbar akzeptiert, muss dafür bestraft werden.

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Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
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