Wiedereröffnung der Gastronomie: Für Wirte wird's unwirtlich
Wegen ihres meist prekären Hintergrunds merken viele Gastwirte: Die Wiedereröffnung muss sitzen. Ein zweiter Lockdown wäre fatal für sie.
Machen wir eine Stammtischwette: Zu Pfingsten sitzen wir alle wieder zusammen beim Bier in der Kneipe – oder davor. In allen Bundesländern außer im Saarland wird die Gastronomie in den nächsten Tagen wieder geöffnet.
Und das ist keine schöne Aussicht – für die Gäste weniger, aber für die Gastronomen. Für viele von ihnen könnte die nun beginnende Phase sogar erst recht das Ende bedeuten. Denn ja, sie können wieder ein Geschäft machen, aber was für eines? Noch immer gilt die Auflage, für Ungeselligkeit zu sorgen, für jeden echten Gastronomen ist das ein Unding. Und jeder Tag beginnt mit der bangen Frage, ob die Behörden den Laden nicht wieder zusperren, weil eine zweite Infektionswelle durchs Land rollt – ausgelöst vielleicht sogar am eigenen Tresen.
Man will gerade eines nicht sein in diesem Land, und das ist Wirt. Der steckt gerade zwischen Pest und Cholera: Die Politik hat das Problem auf ihn abgewälzt. Es gibt da ein Missverständnis. Niemand in der Gastronomie dringt auf eine schnelle Öffnung. Es war auch nicht das Motiv der Aktion „leere Stühle“. Aber die vielen Hinweise auf die prekäre Situation sind so gedeutet worden. Die Gastronomie ist eine Branche aus Kleinbetrieben; nur die wenigsten haben hier Rücklagen, um lange Miete oder andere laufende Kosten vorzustrecken. Das Bild vom Wirt, dem am Ende des Monats weniger bleibt als den Angestellten, ist keine Legende. Gastronomie ist ein Leidenschaftsberuf.
Bei ihrem finanziellen Hintergrund spüren viele Wirte: Die Wiedereröffnung muss sitzen. Ein zweiter Lockdown wäre fatal. Doch ohne den geforderten Rettungsschirm können es sich viele gar nicht leisten, weiter geschlossen zu bleiben. Auch der verringerte Mehrwertsteuersatz hilft nicht. Er wirkt erst so richtig, wenn das Geschäft wieder brummt, was kurzfristig kaum jemand erwartet. Gastronomen schließen deshalb gerade sarkastisch Wetten untereinander. Wer nach Pfingsten am schnellsten dicht macht.
Leser*innenkommentare
Patricia Winter
Die Gaststätten dürfen wieder aufmachen. Zwischen den Tischen muss viel mehr Abstand als vorher sein. Die Wirte müssen dafür sorgen, dass die Gäste ein hygienisches Essenserlebnis haben, also vielleicht jemanden einstellen, der nach jedem WC-Besuch alle Türklinken, Klobrillen und Seifenspender desinfiziert und überwacht, dass die Gäste beim Essen Distanz halten und sich nicht gegenseitig Häppchen zum Probieren zureichen. Wie - sanitär! Die Mehrwertsteuer wird gesenkt, was nichts bringt, weil unter diesen Umständen nicht genug Einnahmen zusammenkommen. Wenn der Staat den unabhängigen Wirten und ihren Angestellten nicht direkt finanziell unter die Arme greift, und zwar ohne Rückzahlungspflicht, werden wir in einem Jahr alle in die Franchise-Gastronomie gehen, wenn wir schick essen gehen wollen, und die Betreiber der gemütlichen Eckkneipen sind ruiniert.
Novak
Ein einfaches Mittel zur Unterstützung der Gastronomie, ohne die unsere Städte leider elend langweilig wäre, wäre ja die Streichung der Mietzahlungspflicht während der Schließung. Vermieter können dies leichter wegstecken als Gastronomen den Totalausfall. Vorschläge dazu sind gemacht, man muss nur wollen.
3009nico
Welch Schwarzmalerei hier. Die Kneipen aufzumachen ist richtig. Es ist halt nicht nur der Wirt gefordert (und er muß auch Leute haben, die die Einhaltung überwachen), sondern auch die Gäste. Mündige Bürger, die selbst wissen was gut und schlecht ist in der Krise. Haben wir ja oft genug gehört. Und ich hab selbst Gastwirte im Freundeskreis und kenne auch die Gäste und die werden unter Beachtung der Auflagen für Spaß und Stimmung sorgen.
Yes We Can!
Patrick Baumann
Laut der aktuellen Verordnung von gestern dürfen Gaststätten, die kein Essen selbst zubereiten, nicht wieder öffnen. In der Kneipe wird an Pfingsten also keiner sitzen. Aber dafür gibt es für Bars und Kneipen ja die Mehrwertsteuersenkung... Ach nee, die gilt ja auch nur für Speisen. Dumm gelaufen.
Bernd Schlüter
Überaus wichtig für die Wirte ist die Bedeutung von "Schmierinfektionen".
Ein negatives Ergebnis in Gangelt kann auf einem systematischen Fehler beruhen. Streeck verlangte die Kontrolluntersuchung durch das RKI. Diese erfolgt jedoch nicht. Streeck und Laschet mussten die Bildzeitung zu Hilfe rufen, um sich Gehör zu verschaffen.
Dabei finden Oberflächenkontakte, wenn, dann besonders in Gastronomiebetrieben, statt.
In Schweden blieben diese lange Zeit uneingeschränkt geöffnet. Verfolgen wir deshalb auch die schwedischen Erfahrungen!
meerwind7
Vor allem ist nichts vorbereitet. Beispielsweise müssten die Städte den Wirten mehr Raum einräumen, damit sie die Tische im Freien aufstellen können, ohne den Abstand auf den Gehwegen einzuengen. Das erfordert überarbeitete Sondergenehmigungen und in der Regel auch Parkverbote.
Andreas J
Alokohol in Kneipen und die Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln. Ich habe da meine Zweifel ob die Kombination funktioniert.